Wissen - Multivitaminpräparate
Notwendigkeit oder Business (Andrea Hoffmann, Marathon
Laufsport Magazin)
Die Multivitamin-Industrie boomt: Im Jahre 1999 wurden mit Vitaminen Umsätze von
5,7 Milliarden (! US-Dollar erzielt, 230 Mio US-Dollar entfielen allein auf das
Vitamin A und auf Beta-Carotin, Vitamin C machte sogar 810 Mio. US-Dollar aus.
Diese Zahlen zeigen deutlich das wirtschaftliche Interesse und die
Notwendigkeit, einen Bedarf zu suggerieren, der in Wirklichkeit nicht oder
zumindest nicht in dem dargestellten Ausmaß besteht.
Die Werbung nennt uns eine Reihe von Gründen, Zusatzpräparate regelmäßig und
möglichst ganzjährig zu konsumieren, die zunächst sehr einleuchtend klingen:
Unsere Böden sind ausgelaugt und arm an Mineralstoffen und Spurenelementen, Obst
und Gemüse hat nicht Zeit zu reifen, durch lange Transportwege und Lagerung
gehen viele wertvolle Inhaltsstoffe verloren und durch unsachgemäße Zubereitung
bleibt von den Vitaminen nicht viel übrig. Wir sind hohen Umweltbelastungen
ausgesetzt, und der allgegenwärtige Stress tut sein Übriges. Besonders der
Sportler ist ein geeignetes Opfer: Er ist mit erhöhtem oxidativem Stress
konfrontiert und sein Bedarf ist durch den Sport weit höher als der eines
Nichtsportlers. Diese Argumente stützen sich häufig nicht auf wissenschaftliche
Untersuchungen. Tatsache ist, dass ein Mitteleuropäer und US Amerikaner Vitamine
und Mineralstoffe für mehrere Wochen bis Monate gespeichert hat und
normalerweise unter keinem Vitamin- oder Mineralstoffmangel leidet (mit Ausnahme
des Eisen, siehe unten), solange er sich gesund, ausgewogen und vollwertig
ernährt.
Mikronährstoffe aus Pillen?
Kürzlich veröffentlichte die National Academy of Sciences in Washington den
neuesten Stand der Forschung. Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis, dass
große Dosen an Vitamin C, Vitamin E oder anderen Stoffen wie Selen und
Beta-Carotin die Entstehung irgendwelcher Krankheiten, wie Krebs,
Herzkreislauferkrankungen, Alzheimer oder Diabetes, verhindern können. Im
Gegenteil: Extrem hohe Dosen an Vitaminen, Mineralstoffen oder Spurenelementen
führen viel eher zu gesundheitlichen Problemen, als dass sie helfen! So kann
Beta-Carotin in sehr hohen Dosen sogar Krebs auslösen, besonders bei Rauchern!
Die National Academy of Sciences warnt ausdrücklich vor hohen Dosen an
Zusatzpräparaten und appelliert an eine vernünftige und ausgewogene Ernährung:
?Beziehe deine Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente aus der Nahrung und
nicht aus Pillen!" Es muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass Präparate mit
extrem hoher Dosierung in Österreich vom Lebensmittelgesetz nicht zugelassen und
somit auch nicht in einem Geschäft erhältlich sind. Es gibt jedoch einen
Verkaufstrick, mit dem das Lebensmittelgesetz umgangen wird: Das beworbene
Präparat kann nur direkt bei einer im Ausland ansässigen Firma für den
Eigenbedarf bestellt werden. Hier ist also Vorsicht geboten!
Enthaltene Mengen
Jedoch auch weniger hoch konzentrierte Präparate sollten kritisch betrachtet
werden: Oft wird stark verbesserte Regeneration oder eine deutliche
Leistungssteigerung versprochen. Der Effekt ist nur selten auf die tatsächliche
Wirksamkeit, sondern viel mehr auf eine psychische Wirkung zurückzuführen: Ich
habe dafür viel Geld bezahlt und meinem Körper etwas Gutes getan, daher muss es
wirken! Und sehr teuer können Zusatzpräparate allemal sein! So habe ich mir die
Mühe gemacht, ein Vitamin-C-Präparat einer Firma (den Namen möchte ich an dieser
Stelle nicht nennen) mit der Ascorbinsäure (Vitamin-C-Pulver) aus der Apotheke
zu vergleichen. In der Apotheke kosten 100 g Vitamin C in Pulverform ATS 70,-
bis 80,-, für dieselbe Menge Vitamin C verlangt besagte Firma ATS 7.000,-, das
Hundertfache also! (Anm.: Dieses Beispiel ist natürlich extrem). Vergleiche sind
oft nur sehr schwer oder mühsam zu ziehen, da man Mengen und Dosierungen
umrechnen muss und der Laie oft überfordert ist. Häufig findet man auf der
Verpackung eine große Anzahl an Mikronährstoffen aufgelistet, was zunächst einen
guten Eindruck erweckt. Betrachtet man allerdings die Dosierung, so erkennt man,
dass die enthaltenen Mengen das verlangte Geld nicht wert sind. Als Richtlinie
sollten die 100 Prozent Tagesbedarf herangezogen werden, die häufig ebenfalls
auf der Verpackung zu finden sind. Ein Präparat kann dann als optimal betrachtet
werden, wenn es möglichst viel an Vitaminen, Spurenelementen und Mineralstoffen
dieser Menge enthält.
Empfehlungen
Wie bereits erläutert wurde, ist die beste Vorsorge eine ausgewogene, bewusste
Ernährung. Hier ist es wert, mehr Geld für frische, möglichst biologisch
angebaute Nahrungsmittel auszugeben. Auch tiefgefrorene Ware ist hochwertig.
Ausgewogen bedeutet auch regelmäßig Fleisch, Fisch und Geflügel zu essen, das
Eisen, Vitamin B12, Selen und Zink enthält. Für alle, die sich nicht so gesund
ernähren können oder einfach sehr vorsichtig sind, habe ich folgende Empfehlung:
3-mal pro Jahr ein ausgewogenes Multivitamin-Multimineralstoffpräparat (100
Prozent Tagesbedarf) über 1 bis 2 Monate konsumieren, in Zeiten hoher
Infektanfälligkeit oder während sehr umfangreicher und/oder intensiver
Trainings- und Wettkampfphasen. So ?läuft" sicher nichts schief!
Die beiden Ausnahmen Magnesium und Eisen
Als Sportler/in sollte man jedoch auf zwei Mikronährstoffe besonders achten, da
es hier sehr wohl zu einer Minderversorgung kommen kann:
Magnesium
Ein Mangel kann bekanntlich Krämpfe auslösen und Muskeln verhärten. Ich empfehle
eine Blutanalyse beim Arzt machen zu lassen. Liegt der Wert unter 0, 7 mmol/1,
so sollte drei Monate lang ein Präparat mit einer Dosierung von mindestens 300
mg pro Tag am Abend eingenommen werden.
Eisen
Der Eisenbedarf kann sehr oft nicht über die Nahrungszufuhr abgedeckt werden.
Eisenmangel ist immer noch die Mangelerscheinung Nummer 1 der Weltbevölkerung.
Besonders gefährdet sind Frauen und Läufer beiderlei Geschlechts. Eisenmangel
wirkt sich gravierend auf die Leistungsfähigkeit aus und reduziert fast jeden
Aspekt körperlicher Leistung in allen Sportarten. Ich empfehle zumindest einmal
pro Jahr eine Kontrolle durch einen Arzt durchführen zu lassen und den
Eisenspeicher, das so genannte Ferritin, bestimmen zu lassen. Liegt dieses im
untersten Bereich, so sind die Speicher leer und können nur mit einem
rezeptpflichtigen Eisenpräparat aus der Apotheke wieder aufgefüllt werden. Ein
Eisenmangel kann nie über die Ernährung alleine behoben werden!
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Ihr Sportfachgeschäft in Güssing
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