Wissen - Wundermittel Laufen
Psychische und soziale Wirkung des Laufens
Mit der Zunahme der am Laufsport interessierten Personen und der damit
verbundenen medialen Verbreitung der Diskussionen rund um die Wirkung des
Laufens vermehrte sich auch die Verbreitung diverser Irrtümer. (Gernot
Schauer Marathon Laufsport)
Geschickt verstehen es manche, die noch immer wachsende Laufbewegung
auszunutzen, um das Interesse der breiten Öffentlichkeit auf sich zu ziehen.
Nicht selten stellt sich bei Personen nach rund einem halben Jahr Lauferfahrung
eine Resignation ein, da von außen indizierte Erwartungen nicht erfüllt wurden.
Ein Beispiel: Durch einen Vortrag über die Wunderdroge Laufen wird ein Zuhörer
animiert, finit dein Laufen zu beginnen. persönliche Mängel, wie sie manchmal
auftreten und jeder kennt, sind darin angesprochen und verknüpft mit
Versprechungen, dass sich diese Defizite durch das Laufen eliminieren. Auch
hierzu einig Beispiele: Halten Sie es nicht für angebracht, dass Sie laufen
gehen, wenn Sie damit für immer jung bleiben, also endlich der Jungbrunnen
gefunden wurde? Ist es nicht toll, dass Sie durch das Laufen garantiert in ein
Glücksgefühl kommen? Also, wenn ich Sie wäre, würde ich spätestens dann mit dem
Laufen beginnen, wenn Ihnen klar wird, dass sich die Alltagsprobleme durch das
Laufen wie in Luft auflösen ... Weiche Konsequenzen ergeben sich daran für die,
die wegen derartiger Erwartungen Zu joggen begannen ? Sie sind spätestens dann
enttäuscht, wenn sie erkennen, dass sich nicht viel geändert hat und die
Hoffnungen enttäuscht wurden.
Laufursachen
Bevor Sie weiterlesen, Überlegen Sie mal, welche Wirkungen das Laufen auf Ihre
Stimmung hat.
Es gibt verschiedene Gründe, weshalb jemand zu laufen beginnt. Viele laufen
bekanntlich ans, Gründen der Gesundheitserhaltung, wollen aktiv das Gewicht
reduzieren, ihre körperliche Attraktivität und/oder allgemeine Fitness erhöhen,
oder gegen diverse mögliche Erkrankungen vorbeugen wie beispielsweise
Herzinfarkt. Für manche ändert sich die Motivation im Laufe der Zeit und es
kommt Leistungsmotivation dazu. Es wird zu einer Herausforderung, im ersten
Viertel des Teilnehmerfeldes durch das Ziel zu laufen, bestimmte Streckenlängen
zu bewältigen etc.. Oder es sind soziale Gründe, wie das Treffen von Freunden
und Bekannten (schließlich ist es in letzter Zeit zur Freude der Krankenkassen
und zum Leid diverser Gastwirte salonfähig geworden, dass man sich nicht mehr
beim Stammtisch trifft, sondern sich während des Laufens austauscht).
Irrtümer der Laufwirkung
Die Wirkung des Laufens wird in letzter Zeit in vielen Publikationen behandelt.
Zum Teil allerdings leider etwas unseriös. Deshalb möchte ich im Folgenden die
gängigsten Irrtümer ansprechen. Das Laufen macht glücklich. Nach dein
derzeitigen Stand der Forschung verursachen die Endorphine kein Glücksgefühl,
sondern Schmerzlinderung. Geht man davon aus, dass durch das Laufen vermehrt
Endorphine ausgeschüttet werden, dann hat dies folglich zur Konsequenz, dass
Läufer schmerzunempfindlicher sind. Zudem ist die Endorphinausschüttung während
des Laufens nicht zwangsläufig gegeben. Noch überraschender in diesen Kontext:
Je intensiver trainiert wird und je besser der Trainingszustand des Läufers ist,
umso wahrscheinlicher kommt es zu der Endorphinausschüttung. Ergo: Gegenteilig
zu manchen Postulaten müssen Sie im anaeroben (submaximalen) Bereich laufen,
damit Sie tatsächlich eine Endorphinwirkung erleben. Genauso wie manche
behaupten, Sie sollten laufen, damit wegen vermehrter Endorphinproduktion ein
Glücksgefühl hergestellt wird, warnen andere vor regelmäßigern Laufen, da dies
süchtig mache. Aber: Es gibt keine Untersuchungen, die belegen, dass vermehrte
Endorphinausschüttung süchtig macht nach der Tätigkeit, die Endorphine
freisetzt.
Laufen macht süchtig
Sowohl in positiver wie in negativer Hinsicht ist immer wieder davon die Rede,
dass Laufen süchtig mache. Während die einen weitererzählen: "Du musst unbedingt
zu laufen beginnen, hast du einmal damit angefangen, kommst du nicht mehr los",
sind andere der Ansicht, die Menschheit davor bewahren zu müssen, den Laufsport
zu frönen, da sich daraus ein Suchtverhalten entwickelt. Würde Laufen süchtig
machen, bedeutet dies: Es müssen sich Entzugserscheinungen zeigen, wenn der
süchtige Läufer über einen längeren Zeitrauen nicht mehr laufen kann (z. B. aus
Verletzungsgründen). Entzugserscheinungen äußern sich unter anderem durch
erhöhte Nervosität, Angstzustände etc.. Eifrige Studien weisen darauf hin, dass
es vereinzelt vorkommt, dass Läufer typische Entzugserscheinungen aufweisen. Der
Großteil der Läuferinnen und Läufer steht aber in keinem Suchtverhältnis zum
Laufen.
Um einen Überblick zu geben, was denn unter einem Abhängigkeitssyndrom
verstanden wird, folgende Beschreibung aus einem WHO-unterstützten Glossar:
Abhängigkeit besteht, wenn unter anderem einige der folgenden Kriterien in
letzten Jahr gleichzeitig vorhanden waren:
Starker
Wunsch oder Zwang nach Konsum der suchterzeugenden Substanz
Verminderte
Kontrollfähigkeit den Beginn, die Beendigung und Menge des Konsums betreffend
Körperliche
Entzugssyndrome
Psychische
Entzugssyndrome wie Depression, Angst, Schlaflosigkeit
Fortschreitende Vernachlässigung anderer Aktivitäten zugunsten des Konsums des
suchtmachenden Substanz.
Wie gesagt, es gibt lediglich wenige nachgewiesene Fälle, bei
denen diese klassischen Abhängigkeitsmerkmale im Kontext mit der Laufsucht
auftreten.
Depressive Verstimmungen verjagen
Tatsächlich wird in der jüngeren Zeit vermehrt und erfolgreich Lauftherapie
angewandt. Und zwar insbesondere zur Behandlung von Depressionen. Leider wird
dies häufig damit verwechselt, dass ab dem Moment, wo jemand zu laufen beginnt,
keine weitern Stimmungsschwankungen mehr auftreten werden. Dies entspricht nicht
der Wirkung des Laufens. Es wurde unter anderen bereits darauf eingegangen, dass
die Wechselbeziehung zwischen Laufen und auftretenden Glücksgefühlen keine
zwangsläufige, wenn auch mögliche ist. Ebenso falsch ist es zu vermuten, "immer
wenn ich schlecht drauf bin, begebe ich mich auf die Laufstrecke und danach ist
alles wieder gut". Entscheidend ist, dass die Erwartung gegenüber dein Laufen
nicht generalisiert werden darf. Es sind stets bestimmte Situationen, die das
Auftreten diverser Phänomene mehr oder weniger begünstigen.
Laufen verändert den Charakter
Es werden in der jahrelangen sportpsychologischen Tradition vor allen zwei
Thesen diskutiert: Bestimmte persönlichkeitsbezogene Voraussetzungen sind
verantwortlich, um einen bestimmten Sport zu betreiben. Und/oder: Durch die
Sportausübung wird die Persönlichkeit beeinflusst.
Landläufig ist das Vorurteil bekannt, dass eher introvertierte Personen zu
Langstreckenläufern tendieren. Dabei handelt es sich um ein bislang nicht
bestätigtes Vorurteil: Jeder Läufer, der auch bereits all diversen
Laufveranstaltungen teilgenommen hat, weiß aus eigener Erfahrung zu berichten,
dass es sich hierbei keinesfalls um ein Zusammentreffen introvertierter Personen
handelt. lm Gegenteil, es ließen sich in diversen Untersuchungen Belege finden,
die darauf hindeuten, dass insbesondere Läufer, welche bereits länger diesen
Sport regelmäßig ausüben, eher dazu neigen, impulsiver und insgesamt
optimistischer gegenüber verschiedenen Lebenslagen zu sein. Es gibt allerdings
auch Untersuchungen, die beinahe das Gegenteil ergaben: Manche Läufer sind
introvertierter, emotional labiler und auch ängstlicher als die
Normalbevölkerung. Diese Schilderung macht deutlich, dass es schwierig ist,
Verallgemeinerungen durchzuführen. Jedenfalls lässt sich aus diesen Ergebnissen
ableiten, dass eine Wirkung besteht, und zwar in folgender Form: Die
optimistisch orientierten Personen können sich durch den Laufsport ausreichende
Ich-Bestätigung holen. Für die zweite genannte Gruppe dient das Laufen dazu, die
Reizbarkeit oder auch Ängstlichkeit, Depression und dergleichen mehr zu
reduzieren.
Zusammenfassend lässt sich aus diesen Ergebnissen ableiten: Es gibt keine
typische Persönlichkeit, die mehr oder weniger zum Laufsport tendiert. Sehr wohl
ist aber die Wirkung des Laufens charakterabhängig. Positive Anteile werden
unterstützt, negative wie Depression oder Angst korrigiert (aber nicht
eliminiert!). Läufer weichen von der Normalbevölkerung kaum ab. Sie verengen zum
Teil über höheres Gesundheitsbewusstsein wie auch über höheres Ich-Bewusstsein.
Eine Wirkung des regelmäßigen Laufens ist unter anderem besserer Umgang mit
Stress, da dem Laufen eine entspannende Wirkung beschieden wird. Je nach
Situation und spezifischer Gruppenzugehörigkeit (wie Alter, Geschlecht) bewirkt
Laufen eine Unterstützung oder Hilfestellung bei diversen Problemlagen. Der
soziale Aspekt und die soziale Wirkung des Laufens beziehen sich in erster Linie
auf die Pflege von Beziehungen mit Freunden und Bekannten sowie die Gewinnung
neuer Freunde im Laufsport. Dieser Punkt dürfte allerdings eine untergeordnete
Rolle spielen, wenn das Leistungsmotiv im Vordergrund steht. Trotz all der in
diesem Artikel angeführten positiven Effekte des regelmäßigen Laufens darf nicht
erwartet werden, dass sich sensationelle Änderungen in der Welt der Gefühle
ergeben. Also: Genießen Sie das Laufen, beobachten Sie die Wirkungen, aber
erwarten Sie sich nicht, dass plötzlich nur mehr die innere Sonne scheint und
Sie wegen des Laufens ein Selbstbewusstsein erhalten, das Sie Bäume ausreißen
lässt und Sie "forever happy" werden. Haben Sie realistische Erwartungen von
Ihrem Lauftraining, dann werden Sie lange daran Freude finden.
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Ihr Sportfachgeschäft in Güssing
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