Die sogenannte Schiffschul ist die Vereinssynagoge an der
Großen Schiffgasse 8 im 2. Wiener Gemeindebezirk
Leopoldstadt. Die Synagoge wird
von der orthodoxen Gemeinschaft verwendet.
Die Synagoge ist in dem Zinshaus integriert und von außen
als solche deshalb nicht erkennbar. Früher stand das Bethaus
im Hof der Häuser Große Schiffgasse 8 und 10. Sie wurde
während der Novemberpogrome 1938 zerstört.
Geschichte: Die ursprüngliche Synagoge wurde in
den Jahren 1858 bis 1864 errichtet. Es war ein
einschiffiger, nahezu quadratischer Kuppelbau mit
stilistischen Anleihen aus der byzantinischen Baukunst. Die
feierliche Einweihung der 750 Sitzplätze (500 für Männer,
250 für Frauen) zählenden Synagoge erfolgte am 16. September
1864. Erster Rabbiner war Salomon Spitzer, der ab 1853 für
die im Entstehen befindliche Gemeinde tätig war. Zur
Israelitischen Kultusgemeinde bestand stets ein gespanntes
Verhältnis. 1872 legte Spitzer, dem ursprünglich sogar der
Posten als Oberrabbiner der IKG angeboten worden wäre,
sofern er von der Orthodoxie Abstand nehme, alle Funktionen
in der IKG zurück. Die Bitte um Erlaubnis zur Gründung einer
eigenen (orthodoxen) Kultusgemeinde wurde 1874 seitens des
zuständigen Ministeriums abgelehnt. Ab 1897 wurde die
Schiffschul vom Verein „Adass Jisroel“ (Gemeinde Israels),
der aus der Gemeinde heraus gegründet wurde, betreut.
Als de facto autonom verwaltete Kehilla beherbergte die
Schiffschul verschiedene Einrichtungen, wie etwa die 1854
gegründet Wiener Talmud-Thora-Schule oder die von Spitzer
gegründete „Beth Hamidrasch Tora Ez Chaim“. Zur Gemeinde
zählte auch das Grundstück Nestroygasse 11, wo der
Schulverein „Jesod Hatora“ tätig war und Kindergarten,
Grundschule, Cheder und Jeschiwah untergebracht waren. An
die Gemeinde angebunden waren weiters eine Mazzotbäckerei,
Schwarz-, Weiß- und Zuckerbäckereien, zehn
Fleischverschleißstellen und zwei Selchereien. Weiters wurde
die „Volks- und Mittelstandsküche Einheit“ betrieben sowie
ein „Krankenverein“ mit eigener Küche im AKH zur Versorgung
jüdischer Patienten mit koscherem Essen in den Spitälern.
Ferner zählte auch der Verein „Tomech Ewjomim“ zur
Versorgung Armer und Kranker an Schabbabot und Feiertagen
zur Gemeinde, sowie einige weitere Initiativen.
Nach dem Anschluss 1938, insbesondere aber nach dem
Novemberpogrom, bei dem die Schiffschul vollständig
niedergebrannt wurde, emigrierte ein großer Teil der
jüdischen Bevölkerung. Ein Teil der orthodoxen Gemeinde
konstituierte sich im Emigrationsziel Williamsburg, New York
im Jahr 1941 neu und ist bis heute als Vienner Community
aktiv.
Zeitgleich wurden die Trägervereine der Synagoge und der
Gemeinde, Adass Jisroel und Agudas Israel, aufgelöst. Die
Schiffschul selbst, also die von ihr übrig gebliebenen
Nebengebäude, wurde 1938 arisiert und während des Krieges
zur Uniformherstellung genutzt. Doch bereits 1945
versammelten sich die ersten, wenigen Rückkehrer rund um
Rabbi Alter Simche, der unmittelbar nach Kriegsende in der
Malzgasse 7 eine Betstube eingerichtet hatte, wieder in der
ehemaligen Schiffschul. Nachdem Wien als Transitort für
zahlreiche Displaced Persons diente, erhielt die Gemeinde,
Unterstützung von den Besatzungsmächten, vor allem von der
US-amerikanischen, um den Orthodoxen unter ihnen eine
vorübergehende Anlaufstelle bieten zu können. Nach einigen
Schwierigkeiten wurden schließlich auch Adass Jisroel (als
dessen Vereinspräsident Alter Simche gewählt wurde) und
Agudas Israel als Rechtsnachfolger anerkannt (womit man sich
gegen die IKG, die sich als alleiniger Nachfolger aller
jüdischen Einrichtungen betrachtete, durchsetzte). 1955
wurden schließlich auch die Liegenschaften restituiert – mit
Ausnahme der Liegenschaft in der Nestroygasse 11, die nach
eigenwilliger Auslegung der Arisierungsdokumente dem Ariseur
zugesprochen wurde.
Nach dem Tod von Rabbi Simche 1949, im Alter von 93 Jahren,
folgte Rabbi Josef Israel Segelbaum aus Makov nach. Sein
Sohn führte als Rabbiner auch die „Exil“-Schiffschul in New
York. Segelbaum folgte 1952 Rabbiner Jechiel Mechel Neumann
aus Serencz nach, der jedoch 1956 in die USA emigrierte. Ihm
folgte der Neupester Rabbiner Eliezer Weiser nach, der bis
zu seinem Tod im Amt blieb. Von 1960 bis 1970 war auch der
Wolozer Rabbiner Jehoschua Lerner an der Schiffschul tätig.
Gegenwärtiger Rabbiner von Adass Jisroel/Agudas Israel ist
David L. Grünfeld. Rabbiner vom ebenfalls im Haus
untergebrachten Betverein Agudas Jeschurun ist Michoel
Pressburger.
Seit 1955 ist auf Basis eines Abkommens mit Machsike Hadass
deren Talmud-Thora-Schule in der Schiffschul untergebracht,
die Beth Hamidrasch „Tora Ez Chaim“ wurde wiederhergestellt.
1979 kamen einige jüdisch-iranische Flüchtlinge zur Gemeinde
hinzu.
Seit dem Jahr 2000 ist auch der Betverein Khal Chassidim
unter Oberrabbiner Israel Avraham Schwartz in der
Schiffschul untergebracht. Auch eine Mikwe wurde bald darauf
eröffnet.
Auf dem nach wie vor leer stehenden Grundstück der einstigen
Synagoge, Große Schiffgasse 8-10, ist seit vielen Jahren ein
neues Gemeindezentrum geplant, konnte jedoch bislang nicht
verwirklicht werden.
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