Atzgersdorf war bis 1938 eine eigenständige Gemeinde am Südrand von Wien und ist heute ein Stadtteil im 23. Wiener Gemeindebezirk Liesing. Ein kleiner Teil der früheren Gemeinde kam zum 12. Wiener Bezirk Meidling. Der Ort ist eine der 89 Wiener Katastralgemeinden.
Geografie: Die heutige Katastralgemeinde
Atzgersdorf nimmt eine Fläche von 411,42 Hektar ein.
Der Ort liegt beiderseits der
Liesing. Flussaufwärts
befindet sich der gleichnamige Wiener Bezirksteil
Liesing,
flussabwärts die Wiener Bezirksteile
Erlaa und Inzersdorf.
Nördlich von Atzgersdorf liegen der Hietzinger Bezirksteil
Rosenberg und die Meidlinger Bezirksteile
Hetzendorf und
Altmannsdorf. Der 35
Hektar große in Meidling liegende
Teil von Atzgersdorf wird im Wesentlichen vom südlichen Teil
des Südwestfriedhofs eingenommen. Im Ort mündete der aus
Mauer kommende Knotzenbach
in die Liesing. Dieser
fließt heute großteils unterirdisch und ist daher nur mehr
in der Nähe seiner Quelle, beim Maurer Wald, sichtbar.
Der Westen von Atzgersdorf wird zur chronostratigrafischen
Stufe des Pannoniums gezählt, der Osten zum Holozän.
Geschichte: In Atzgersdorf wurden
jungsteinzeitliche Scherben gefunden, die auf eine
prähistorische Besiedlung hinweisen. Bei Bauarbeiten im
Bereich der Keltengasse wurden zudem keltische
Besiedlungsspuren entdeckt. Die Anfänge einer dauerhaften
Besiedlung Atzgersdorfs können um das Jahr 1000 datiert
werden. Der Ort entstand als Gassendorf an einem wichtigen
Verkehrsknotenpunkt. An seiner Stelle kreuzt die Verbindung
von Mauer zur
Triester Straße
mit der Straße von Meidling nach
Perchtoldsdorf.
Der Name Atzgersdorf ist eine Kombination aus dem
Personennamen „Atzichî“ und dem Wort Dorf. Die erste
urkundliche Nennung des Orts erfolgte um das Jahr 1120. Von
früher Bedeutung war die um 1300 gegründete Pfarre Atzgersdorf,
die als religiöses Zentrum für die umliegenden
Orte diente. Der erste namentlich bekannte Grundherr des
ursprünglich vermutlich hochfreien Besitzes Atzgersdorf war
Hans von Liechtenstein, dessen Güter um 1390 von Herzog
Albrecht III. von Österreich beschlagnahmt wurden.
Atzgersdorf war das Zentrum einer größeren Grundherrschaft,
zu der auch die Orte Lainz,
Speising und Unterliesing
gehörten. Diese Besitztümer blieben bis 1652
landesfürstliches Lehen, als Kaiser Ferdinand III. sie
seinem Hofkanzler Johann Matthias Prückelmayr verkaufte.
Prücklmayr vermachte die Herrschaft 1656 den Jesuiten, die
bis zu ihrer Ordensaufhebung 1773 die Grundherren von
Atzgersdorf blieben. Bei der zweiten Wiener Türkenbelagerung
1683 wurde Atzgersdorf schwer in Mitleidenschaft gezogen. Im
18. Jahrhundert wurde der Ort ein bedeutender Wallfahrtsort,
mit dem bis heute in der Pfarrkirche Atzgersdorf
aufbewahrten „Fieberkreuz“ als Hauptanziehungspunkt. 1775
erwarb Georg Adam von Starhemberg den Besitz. Er verkaufte
Unterliesing und verlagerte den Sitz der Grundherrschaft von
Atzgersdorf nach Schloss Alterlaa, wo er bis zum Ende der
grundherrschaftlichen Periode verblieb. Als prominente
Nachfolger Starhembergs als Grundherren von Atzgersdorf sind
Jérôme Bonaparte und Pierre-Louis de Blacas d’Aulps zu
nennen. Bis zum 19. Jahrhundert war der Ort vor allem durch
Ackerbau und Viehzucht geprägt. Auch bedingt durch die
Errichtung der Eisenbahnlinie der Südbahn nach Atzgersdorf
im Jahr 1841 begann nun die Industrialisierung im Ort.
Mehrere Mühlen am
Liesingbach wurden in Fabriken umgewandelt, die die
Wasserkraft als Energiequelle nutzten. 1844 wurden Johann
und Hedwig Langer die letzten Grundherren von Atzgersdorf
und Erlaa.
Nach der Aufhebung der Grundherrschaft wurde Atzgersdorf
am 25. Juni 1850 als selbstständige Gemeinde begründet. Zum
ersten Bürgermeister wurde Joseph Carlberger gewählt, der
seit 1831 Ortsrichter von Atzgersdorf gewesen war. Seit 1892
grenzte der Ort durch die Schaffung des 12. Gemeindebezirks
Meidling an Wien. Aus dieser Zeit
ist das Gebäude des k. k. Linienamts Atzgersdorf erhalten,
an dem bei Überschreiten der Stadtgrenze die
Verzehrungssteuer bezahlt werden musste. Vor allem zwischen
Breitenfurter und Brünner Straße wurden ehemalige Weide- und
Ackerflächen systematisch parzelliert. Von 1831 bis 1910
wuchs die Bevölkerung Atzgersdorfs von 1.899 auf 10.398
Einwohner.
Die Gemeinden des 1904 geschaffenen Gerichtsbezirks
Liesing
(neben Atzgersdorf waren dies Breitenfurt,
Erlaa,
Hadersdorf-Weidlingau,
Inzersdorf, Kalksburg,
Kaltenleutgeben, Laab im Walde,
Liesing,
Mauer, Perchtoldsdorf,
Purkersdorf, Rodaun,
Siebenhirten und
Vösendorf) wurden per Verfügung vom 1. Oktober 1938 zur
Schaffung eines „Groß-Wien“ als 25. Gemeindebezirk Liesing
in Wien eingemeindet. Dies bedeutete das vorläufige Ende der
selbstständigen Gemeinde Atzgersdorf. In der
Reichspogromnacht vom 10. November 1938 wurde die seit dem
Jahr 1900 bestehende Synagoge Atzgersdorf, die auch die
Nachbargemeinde
Liesing betreute, von Nationalsozialisten zerstört. Die
Überreste wurden 1958 abgetragen. Heute erinnert eine
Gedenktafel an diese Vorkommnisse. Im Zweiten Weltkrieg
waren vor allem die Flugzeugwerke der deutschen Luftwaffe in
Atzgersdorf ein Angriffsziel der Alliierten. Nach dem Krieg
wurde Wien wieder in den Grenzen von 1937 hergestellt und
Atzgersdorf wurde 1945 wieder eine selbstständige
niederösterreichische Gemeinde, die innerhalb der
sowjetischen Besatzungszone lag. Das Gebietsänderungsgesetz
vom 29. Juni 1946 sah eine erneute Eingemeindung
Atzgersdorfs in Wien vor, dieses wurde jedoch von den
Besatzungsmächten zunächst mittels Veto blockiert. Erst am
1. September 1954 kam Atzgersdorf als Teil des neu
geschaffenen 23. Gemeindebezirks Liesing zurück an Wien. In
den Nachkriegsjahren wurde Atzgersdorf zu einem Zentrum der
Schwerindustrie und erwarb sich den Ruf eines
Arbeiterviertels. In den letzten Jahrzehnten des 20.
Jahrhunderts wurden die charakteristischen eingeschossigen
Arbeiterhäuser kontinuierlich durch groß angelegte
Wohnhausanlagen verdrängt. Dieser Wandel ging auch mit einem
Bevölkerungswachstum einher. Im Jahr 1951, bei der letzten
in der selbstständigen Gemeinde durchgeführten Volkszählung,
hatte der Ort 7738 Einwohner, während heute rund 15500
Menschen in Atzgersdorf leben.
Bürgermeister von Atzgersdorf:
Joseph Carlberger (1850–1864)
Anton Bayer (1864–1867)
Johann Fichtner (Fabrikant) (1867–1868)
Ferdinand Bausback (1868–1873)
Anton Heger (1873–1875)
Carl Meisgeyer (1875–1894)
Josef Watzger (Kaufmann) (1894–1900)
Johann Höbinger (1900–1905)
Leonhard Bauer (1905–1909)
Emil von Derschatta (1909–1918)
Ludwig Kirschner (1918–1919)
Johann Werndl (1919–1934)
Josef Hilgarth (1934–1938)
Kultur und Sehenswürdigkeiten: Die
römisch-katholische Pfarrkirche Atzgersdorf ist eine
klassizistische Wandpfeilerkirche, die von 1781 bis 1782
nach Plänen des Architekten Andreas Fischer erbaut wurde.
Die vom Architekten Erwin Plevan entworfene Filialkirche hl. Christophorus wurde 1960 an der Breitenfurter Straße als
Notkirche der Pfarre Atzgersdorf errichtet.
Bei der evangelisch-lutherischen Johanneskirche handelt es sich um
ein Art-Déco-Gebäude aus den Jahren 1930 bis 1935. Ein
weiteres bemerkenswertes Gebäude ist das Haus Morpurgo am
Beginn der Endresstraße, das um 1800 erbaut wurde und
vermutlich einen barocken Vorgängerbau miteinbezog. Auf
Atzgersdorfer Gebiet befindet sich ferner das Bezirksmuseum Liesing,
das in einem ehemaligen Schulgebäude des
Architekten Gerhard Reitmayer aus dem Jahr 1884 unterbracht
ist. Der heutige Atzgersdorfer Friedhof wurde 1880 angelegt.
Als Motiv für die Gestaltung des für Atzgersdorf bestimmten
Teiles des Liesinger Bezirkswappens wurde das Motiv der
Heiligen Katharina mit Palmzweig und Schwert auf grüner
Wiese gewählt. Die Heilige Katharina ist die Patronin der
Pfarrkirche Atzgersdorf.
Wirtschaft und Infrastruktur: Das Industriegebiet
von Atzgersdorf befindet sich großteils zwischen der
Südbahnstrecke und dem Liesingbach. Zu den ältesten
erhaltenen Industriegebäuden zählen die 1880 errichtete
ehemalige Fahrradfabrik Petschau und die ehemalige
Klavierfabrik Parttart (später Luner), die 1892 von Josef
Schneider erbaut wurde. An der Breitenfurter Straße 176
befindet sich die von 1913 bis 1916 nach Plänen von Hubert
Gessner errichtete frühere Maschinen-, Kisten- und
Holzwarenfabrik Koffmann, die seit 1966 zur Sargerzeugung
der Städtischen Bestattung genutzt wird.
Der ursprüngliche Bahnhof Wien Atzgersdorf an der Südbahn
wurde 1840 durch den Architekten Wilhelm Flattich erbaut.
Ende der 1970er Jahre wurde er durch einen rund 200 Meter
entfernten Neubau ersetzt. Am Atzgersdorfer Kirchenplatz
steht das Gebäude einer Volksschule der Stadt Wien, das
zwischen 1826 und 1914 in mehreren Zeitabschnitten errichtet
wurde.
David Silvester Mayer von Rosenau, Lehrer und Lokalhistoriker von Atzgersdorf, verfasste 1898 die Geschichte Atzgersdorf's (Wienbibliothek, gemeinfrei) (Selbstverlag des Verfassers, 24 Seiten).
Quelle: Text: Wikipedia, Bilder: gemeinfrei, Dapeda unter der Lizenz CC BY-SA 3.0.
Einige Texte sind von der freien Wikipedia kopiert und angepasst worden. Die allermeisten Bild- und Mediendateien sind aus eigener Quelle und können auf Anfrage für eigene Webseiten verwendet werden. Sollten sich dennoch Bild- oder Mediendateien auf dieser Seite finden, welche einen Copyright unterliegen, so bitte ich um Verständigung per Email office@nikles.net, damit ich einen Copyright-Vermerk bzw. Weblink anbringen kann, bzw. auf Wunsch die Bild- oder Mediendateien löschen kann.
Günter Nikles
Josef Reichl-Str. 17a/7
7540 Güssing
Austria
Email:
office@nikles.net
Website:
www.nikles.net
(c) 2024 www.nikles.net