Der Heimhof stellt eine Besonderheit innerhalb der
Wohnanlagen des "Roten Wien" dar, weil er in seiner
ursprünglichen Form nicht auf einer sozialdemokratischen
Initiative, sondern auf bürgerlich-liberalen Ideen beruht.
Am 14. Oktober 1911 wurde von der "Gemeinnützigen Bau- und
Wohnungsgenossenschaft Heimhof" auf Initiative von Auguste Fickert in der Peter-Jordan-Straße 32-34 im
19. Bezirk ein erster "Heimhof"
für alleinstehende, berufstätige Frauen errichtet.
Der große "Heimhof" für Ehepaare und Familien im 15. Bezirk
war die logische Fortsetzung dieser Initiative. In seiner
heutigen Form ist der Heimhof das Ergebnis mehrerer
Erweiterungen.
Kern der Anlage ist der dreigeschossige Trakt in der
Pilgerimgasse, in dessen Mitte sich auch der Haupteingang
befindet. Dieser ursprüngliche Heimhof wurde in den Jahren
1921 bis 1923 nach Plänen von Otto Polak-Hellwig von der
Genossenschaft "Heimhof" errichtet und 1923 eröffnet.
Er umfasste 24 Kleinstwohnungen, eine Zentralküche, einen
gemeinsamen Speiseraum und Wäschereien im Souterrain, die
alle bereits für das Vielfache an Ein- oder
Zweizimmerwohnungen ausgelegt waren.
Um die Hausfrauen von der Hausarbeit zu entlasten, wurden
die häuslichen Arbeiten wie Aufräumen, Kochen und
Wäschewaschen von Angestellten verrichtet, die von den
MieterInnen bezahlt werden mussten. Außerdem waren auch
moderne Einrichtungen wie Zentralheizung, eine mit allen
verfügbaren technischen Hilfsmitteln der Zeit eingerichtete
Zentralküche, ein Speiseaufzug aufs Zimmer, eine
Zentralwäscherei, eine Badeanlage und ein Müllschacht
vorhanden. Im gemeinsamen Speisesaal fanden auch
wissenschaftliche und politische Vorträge oder unterhaltsame
Veranstaltungen statt. Eine große Dachterrasse bot
Gelegenheit zur Entspannung und zu geselligem Zusammensein.
Familien und Paare wurden im Heimhof nur dann aufgenommen,
wenn beide Partner berufstätig waren. Die Miete war etwas
höher als in anderen Sozialbauten und beinhaltete auch die
Reinigungs- und Energiekosten. Insgesamt war der Heimhof
eher für Angehörige des Mittelstandes gedacht; der gesamte
(frühe) Bau wirkt deshalb auch eher
konservativ-klassizistisch.
Da eine Entwicklung eigener, unkontrollierbarer
Sozialisationsformen (kinderloser) Intellektueller im
Gegensatz zur gewünschten Reproduktion der Arbeiterklasse in
Kleinfamilien und unter Aufsicht der Parteiorganisationen
stand, weigerte sich die Parteispitze ursprünglich, die
Ideen des Einküchenhauses zu fördern – und das, obwohl die
Vergenossenschaftlichung der Hausarbeit von
fortschrittlichen Vordenkerinnen wie Therese Schlesinger und
Auguste Fickert wiederholt eingefordert worden war.
Im Sitzungsprotokoll der Gemeinderatssitzung vom 9. März
1923 heißt es: Es ist ein Unsinn, wenn eine Familie in einem
solchen Einküchenhaus wohnt. Es ist auch aus sittlichen
Gründen nicht anzuraten, der Hausfrau alle Sorgen für den
Haushalt abzunehmen. Die junge Hausfrau soll sich nur
sorgen, sie soll wirtschaften und sparen lernen, das wird
ihr für die Zukunft nur von Nutzen sein.
Die Kommentare in der bürgerlichen Presse waren ebenfalls
negativ. So schrieb die "Reichspost" am 5. September 1925:
Gemeinsame Küchen in Mietshäusern sind abzulehnen, alles ist
abzulehnen, was die seelischen Kräfte der Familie zerstört.
Nach finanziellen Schwierigkeiten der Genossenschaft
übernahm die Gemeinde Wien 1924 das Einküchenhaus und ließ
den Heimhof in den Jahren 1925/26 nach Plänen von Carl
Witzmann auf 352 Wohnungen erweitern. Das ursprünglich
freistehende Einzelgebäude in der Pilgerimgasse wurde durch
umfangreiche Zubauten zu einem geschlossenen Block
erweitert, in dessen Mitte auch ein städtischer Kindergarten
integriert wurde. Durch die Erweiterung entstand eine etwas
verwirrende und architektonisch uneinheitliche Anlage, die
dem Bau den Spitznamen "Labyrinth" eintrug (Podbrecky,
2003). Die zentrale Küchenbewirtschaftung wurde vorerst
beibehalten und durch die Erhöhung der Wohnungsanzahl auch
rentabler. Die neu errichteten Wohnungen waren größer,
wurden nun doch auch Familien mit Kindern angesprochen. Die
Verwaltung blieb bei der "Heimhofgenossenschaft".
Das Einküchenhaus blieb jedoch ein isoliertes Experiment.
Bereits zu Beginn des Austrofaschismus, spätestens aber nach
der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Jahr
1938 fand die fortschrittliche Idee ein Ende. Speisesaal und
Zentralküche wurden bereits 1934 gesperrt. 1939 wurde die
Genossenschaft liquidiert und die Zentralwirtschaft
endgültig aufgelöst; nach und nach wurden die Wohnungen nun
mit kleinen Küchen und Bädern ausgestattet. Jede Frau sollte
nun wieder in ihrem eigenen "kleinen Reich" für die Familie
sorgen können.
Aufgrund der hohen Anzahl engagierter Sozialdemokraten und
Angehöriger der jüdischen Minderheit war nach der
Machtübernahme durch die Nationalsozialisten ein Großteil
der BewohnerInnen des Heimhofs delogiert und verschleppt
worden. Die kleinen Wohnungen ohne die Infrastruktur der
Gemeinschaftseinrichtungen verloren nun jegliche
Attraktivität, wurden zu Notunterkünften und verwahrlosten
zusehends. In den neunziger Jahren wurde der Heimhof
renoviert: Wohnungen wurden zusammengelegt, die Fassade, das
Dach und die Fenster in Ordnung gebracht, Aufzüge eingebaut
und der bestehende Kindergarten erweitert. Von der einstigen
Idee ist heute nur noch der Name geblieben.
Nicht zum Heimhof gehört der ganz in der Nähe gelegene
"Heimathof", Johnstraße 56-58, der bereits 1914 von Robert
Kalesa (später: Metzleinstaler Hof) errichtet wurde und eine
interessante Mischung aus Elementen der Villenarchitektur,
des Klassizismus und des Biedermeier aufweist.
Literatur: Hans und Rudolf Hautmann, Die
Gemeindebauten des Roten Wien 1919–1934, 1980; Helmut
Kendler, Die Sozialisierung des Haushalts. Von Fouriers
Plänen bis zum Wiener "Heimhof", 1990; Gottfried Pirhofer
und Reinhard Sieder, Zur Konstitution der Arbeiterfamilie im
Roten Wien. Familienpolitik, Kulturreform, Alltag und
Asthetik, in: Reinhard Sieder (Hrsg.), Sozialgeschichte der
Familie, 1991; Inge Podbrecky, Rotes Wien, 2003; Helmut
Weihsmann, Das Rote Wien: Sozialdemokratische Architektur
und Sozialpolitik, 1985.
Im Türkenschanzpark im 18. Wiener Gemeindebezirk Währing
befindet sich das Auguste-Fickert-Denkmal.
Quelle: Text: www.dasrotewien.at, Bilder: Wolfgang Glock unter der Lizenz CC BY-SA 3.0, Thomas Ledl unter der Lizenz CC BY-SA 4.0 und 1 Bild gemeinfrei (otto polak-hellwig).
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Günter Nikles
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