Die Wiener Krystall-Eis-Fabrik war ein bedeutendes österreichisches Unternehmen während der Doppelmonarchie und vor dem Ersten Weltkrieg. Die Eisfabrik lag an der Klosterneuburger Straße.
Geschichte: In dem milden Winter des Jahres 1873,
der sich so ziemlich über ganz Zentraleuropa erstreckt, war
die Eisernte derart ungenügend, dass in großen Städten der
Eismangel geradezu zum Problem wurde. Nur der rasch ins Werk
gesetzte Eisimport aus dem hohen Norden konnte unter großen
Umständen einigermaßen Aushilfe schaffen. Dieser Umstand gab
der künstlichen Erzeugung von Eis in den folgenden Jahren
einen kräftigen Schub. Mit der Erfindung und Entwicklung der
Kühltechnik von Carl von Linde, Piktet und anderen konnten
Maschinen zur künstlichen Erzeugung der Kälte und des Eises
im industriellen Umfang eingesetzt werden. Alle Industrien,
welche niedrige Temperaturen als Fabrikationsbedingung
hatten, verwendeten schnell diese neuen Erfindungen und auch
die Eisversorgung großer Städte sicherte sich durch
Errichtung von Eisfabriken vor den Folgen unsicherer
Eisernten.
In Wien waren schon früher mit Maschinen älteren Systems
Versuche gemacht worden, Handelseis zu erzeugen, doch
scheiterten Versuche vorzugsweise an der Unvollkommenheit
der verwendeten Maschinen. Stattdessen verließ man sich nach
wie vor an der bequemen und billigen Natureisversorgung
Wiens in normalen Wintern durch die großen Eisflächen,
welche die Altwässer der regulierten Donau bildeten.
Der Großindustrielle Moritz Faber erkannte die
bedeutenden Vorzüge der neueren Eismaschinen gegenüber den
älteren Systeme aufzuweisen hatten und entschloss sich,
trotz der früheren Misserfolge, im Jahre 1883 zur Errichtung
einer Eisfabrik modernsten Systems. Die Fabrik wurde an der
Klosterneuburger Straße errichtet.
Er beauftragte dafür den Gesellschaft für Linde's
Eismaschinen Ingenieur Karl Heimpel (*18. August 1852) mit
der Ausarbeitung eines Projekts und der baulichen
Durchführung der gesamten Anlage. Karl Heimpel war ein
Mitarbeiter von Carl Linde und ließ sich 1881 als
selbstständiger Vertreter in Wien nieder. Die vorläufige
Tagesproduktion sollte circa 50.000 Kilogramm Eis betragen,
beabsichtigt war die Erzeugung von sogenanntem Kristalleis
in Blöcken von circa 25 Kilogramm. Die Lieferung der
Dampfmaschinen und Eismaschinen wurden der Linde AG
übertragen. Die Anlage umfasste einen mit dem Linde'schen
Klareisapparat ausgestalteten Eisgenerator mit mechanischer
Einrichtung für Füllung, Entleerung und Verschiebung der
Zellenreihen, enthaltend circa 2000 Zellen. Über dem
Eisgenerator wurde ein sehr vollkommen gebauter
Transmissionskran angeordnet, der das Ausziehen und
Einsetzen der Zellenreihen in einfachster Weise ermöglichte.
Die Kältererzeugung besorgten zwei Linde'schen Kühlmaschinen
mit zusammen circa 250.000 Kalorien stündlicher Leistung.
Die mit den Kompressoren der Kühlmaschinen direkt gekuppelte
Dampfmaschine von circa 150 Pferdekräften war mit
Sulzer'scher Ventilsteuerung und Kondensation versehen. Drei
Tenbrink-Dampfkessel von je 60 Quadratmeter Heizfläche
lieferten den nötigen Betriebsdampf. Ein Wasserpumpwerk von
circa 500 Hektoliter stündlicher Leistung vervollständigte
die Einrichtung.
Außer den zur Aufnahme obiger Werksvorrichtungen notwendigen
Baulichkeiten wurde die Ausführung eines Stalles für 18
Pferde projektiert und an dieses Stallgebäude die
Büroräumlichkeiten und darüber die Wohnung des
Fabriksleiters angeschlossen.
Ein passender Grund in der
Brigittenau, wo reines und gutes Wasser in großen Mengen
zur Verfügung stand, war bald gewonnen. Der Bau der Anlage
konnte erst nach vielen Regentagen am 8. März 1884 begonnen
werden.
Die ungünstige Eisernte des Winters 1884 und die hierdurch
rasch steigenden Eispreise ließen schon für dieses Jahr
einen Erfolg erhoffen, wenn die Inbetriebsetzung noch
innerhalb der Saison ermöglicht werden konnte. Deshalb
wurden Bau und Montage so beschleunigt, dass Ende Juli des
gleichen Jahres das erste Eis der Maschine entnommen und in
den ersten Tagen des August der regelmäßige Verkauf in der
Stadt aufgenommen werden konnte. Die Leitung des
Etablissements wurde Karl Heimpel übertragen.
Schon die ersten Betriebsmonate ließen erkennen, dass Wien
auch in normalen Jahren das gesamte Produktionsquantum der
Fabrik gerne aufnahm.
Dies führte dazu, eine zweite Anlage von halber Größe zu
bauen, um bei vorkommenden Betriebsstörungen an der ersten
Anlage als Reserveanlage den Eisverkauf aufrecht zu halten.
Diese zweite Anlage erhielt eine selbständige 80 PS-starke
Sulzer'sche Ventildampfmaschine, eine Linde'sche
Kühlmaschine für circa 150.000 Kalorien stündlicher Leistung
und einen Generator für eine Tagesleistung von 35.000
Kilogramm Kristalleis. Die zweite Anlage wurde nach der
bewährten ersten Anlage gebaut. Noch im Jahre 1885 konnte
diese Reserveanlage in Betrieb gesetzt werden.
Bedeutende Vergrößerung des Fahrparks mit Errichtung
dazugehöriger Stallungen und Schuppen waren die
wesentlichsten Investitionen der folgenden Jahre, ferner die
Installation einer kleinen Kühlmaschine zum Vorkühlen des
Gefrierwassers, um dadurch in ökonomischer Weise die
Produktionsziffer zu erhöhen.
Trotz aller Proteste der Natureishändler, sicherte das
Kunsteis sich durch seine Reinheit und bequeme Form einen
stets wachsenden Kundenkreis. So wurde 1891 eine weitere
Vergrößerung des Etablissement geplant. Es wurde eine in Bau
und Einrichtung vollkommen isolierte Anlage für eine
Tagesleistung von 50.000 Kilogramm im Jahre 1892 dem Betrieb
übergeben. Gleichzeitig ging auch das Unternehmen in den
Besitz von Carl Faber, dem Sohnes des Begründers, über.
Die gesamten Maschinen und Einrichtungen waren, mit Ausnahme
untergeordneter Verbesserungen, der ersten bewährten Anlage
gleich. Eine vollkommene Selbständigkeit dieser neuen Anlage
wurde im Interesse einer absoluten Betriebssicherheit für
angebracht erachtet.
Die Choleragefahr des Jahres 1893 machte in ärztlichen
Kreisen den Wunsch breit, Eis aus destilliertem Wasser zur
Verfügung zu haben, dem durch die Errichtung einer großen
Destillationsanlage für eine Produktion von circa 800
Hektoliter destilliertem Wasser in 24 Stunden entsprochen
wurde. Da jedoch mit dem Ende der Cholera auch der Bedarf
nach solchem vollkommen sterilisierten Eis verschwand, wurde
von der Inbetriebsetzung dieser Anlage abgesehen.
Die vierte, wieder vollkommen selbständige Vergrößerung mit
gleichen Maschinen und Apparaten und einer Produktionsziffer
von reichlich 50.000 Kilogramm pro Tag wurde im Jahre 1897
projektiert und ausgeführt, so dass ab 1898 an die Fabrik in
der Lage war, 190.000 Kilogramm, bei forciertem Betrieb
200.000 Kilogramm Eis täglich zu erzeugen. Die
Produktionsziffer erreichte damit eine Höhe, welche bis
dahin von keiner Fabrik für Handelseis in Europa
nachgewiesen wurde.
Mit der Vergrößerung der Werkseinrichtung wurde der
Fahrpark erhöht, die Stallungen, Wohn- und Verwaltungsräume
erweitert.
Um 1900 hatte das Etablissement in drei Kesselhäuser mit
zwei Schornsteinen acht Dampfkessel untergebracht, welche
vier Dampfmaschinen von zusammen circa 500 Pferdekräften den
Dampf zu liefern haben. Die Dampfmaschinen trieben sieben
Linde'sche Kühlmaschinen und eine Vorkühlmaschine, die in
vier getrennten Generatoren das Kristalleis erzeugten.
Stallungen für circa 70 bis 80 Pferde, sowie entsprechende
Schuppen, usw. nahmen den Fahrpark auf, eine eigene Schmiede
besorgte den Hufbeschlag. Geräumige Wohnungen für Beamte,
den Stallmeister, den Obermaschinisten, usw. sowie ein
separates Wohnhaus für den Direktor komplettierten die
bauliche Einrichtung.
Je nach der Intensität des Betriebes waren 80 bis 100
Vorarbeiter, Eisverschleisser, Kutscher und Hilfsarbeiter
beschäftigt, denen neben dem Direktor drei Beamte, ein
Stallmeister, ein Obermaschinist und ein Kurschmied
vorstanden. Eine Stadtniederlage, gleichzeitig als
Auskunftsbüro dienend, war durch einen eigenen Beamten
verwaltet.
Wie sehr dieses Etablissement einem dringenden öffentlichen
Bedürfnisse entsprach, bewies am besten die rasch erworbene
Popularität des Kunsteises und die dadurch ermöglichte
rapide Vergrößerung der Fabrik. Es wurde dem Etablissement
auch keineswegs die öffentliche Anerkennung versagt. Das
Unternehmen erhielt bei der Internationalen Ausstellung für
Nahrungsmittel und Hausbedarf 1891 das Ehrendiplom I.
Grades, sowie 1893 den Anerkennungsdiplom der k.k.
Gartenbaugesellschaft, und bei der Internationalen
Ausstellung für Volksernährung, Armeeverpflegung usw. 1894
den Ehrendiplom.
Auf Grund der Verdienste und der hohen Qualität der Produkte
erhielt der Inhaber als besondere Auszeichnung im Jahre 1898
den Hoftitel verliehen, die Fabrik durfte sich k.u.k.
Hof-Eisfabrik nennen.
Das Unternehmen wuchs so stark an, dass es am Ende eine
Monopolstellung zur Eisproduktion innehatte. Dies empfanden
jedoch die Kunden zunehmen als Belastung, da die Preise vor
allem nach dem eisarmen Winter 1897/1898 in die Höhe
schossen. In Reaktion darauf gründeten 1898 sieben
Genossenschaften des Approvisionierungsgewerbes (also der
Versorgung der Gemeindebürger mit Lebensmitteln) ihr eigenes
Eiswerk in Brigittenau, die heutigen Vereinigte Eisfabriken
und Kühlhallen in Wien. Die Wiener Krystall-Eis-Fabrik sah
sich durch diese neue Fabrik zunehmender Konkurrenz
ausgesetzt.
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges erschwerte die Lage
wohl, 1917 wurde die Wiener Krystall-Eis-Fabrik schließlich
von der Genossenschaftseisfabrik gekauft. Auf dem ehemaligen
Fabriksgelände an der Klosterneuburger Straße befindet sich
heute das Hallenbad Brigittenau.
Quelle: Text: Wikipedia, Bilder: gemeinfrei und Gryffindor, gemeinfrei.
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Günter Nikles
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