Um die Mitte des 16. Jahrhunderts stand auf der Freyung
gegen den Tiefen Graben zu ein kleines Häuschen, in dem eine
Kellerschenke untergebracht war. Hier verzapfte ein
fröhlicher Wirt manch guten Tropfen an seine Gäste, die sich
vor allem aus Künstlern und fahrenden Schülern
zusammensetzten. Oft mag es wohl nicht bei einem Gläschen
geblieben sein, und dann verkündeten lauter Lärm und
fröhliches Gelächter, das aus der Schenke auf die Gasse
schallte, dass der gute Trunk seine Wirkung nicht verfehlt
und die Laune der übermütigen Zecher aufs höchste gestiegen
war.
Wieder einmal war eine lustige Gesellschaft in der Schenke
versammelt. Fahrende Schüler, leichtlebige Studenten,
humorvolle Künstler und wandernde Komödianten saßen
einträchtig am Tisch in einer Ecke des düsteren Raumes und
sprachen fleißig dem immervollen Humpen zu. Da trat ein Mann
in den gemütlichen Kreis, dessen Name im ganzen Land berühmt
und allen Anwesenden wohlbekannt war. Es war der hochweise,
gelehrte Doktor Johann Faust, dessen seltsame
Zauberkunststücke und tolle Streiche dem Doktor der Magie,
wie er sich hochtrabend nannte, einen einzigartigen Ruf
verschafft hatten. Gewaltiger Jubel erhob sich, als die
fröhlichen Zecher den berühmten Mann an ihren Tisch treten
sahen. Man rückte zusammen und tat dem neuen Gast alle Ehre
an. Es dauerte auch gar nicht lange, da bat man ihn
stürmisch, er möge doch einige Zaubereien zum besten geben.
Lächelnd wehrte der Doktor die ungestüm drängenden
Tischgenossen ab und griff nach seinem Becher, den der
Schankbursche vor ihnen hingestellt hatte, bis zum Rand
gefüllt, so dass einige Tropfen überflossen. "Halt, halt,
guter Freund", rief Faust, "nicht so voll; es ist schade um
jeden Tropfen, der daneben geht. Wenn der Becher noch einmal
überfließt, werde ich dich zur Strafe mit Haut und Haar
verschlingen."
Über diesen tadelnden Zuruf ärgerte sich der Bursche und
schenkte den nächsten Becher so voll, dass sich der Wein
über den Tisch ergoss. Da schaute ihn der Doktor groß an,
sperrte den Mund weit auf - und der Schankbursche war
verschwunden.
"Auf einen festen Bissen gehört ein fester Schluck", meinte
Doktor Faust dann seelenruhig, ergriff den daneben stehenden
Wasserkübel und leerte ihn auf einen Zug.
Verblüfft hatten die Anwesenden zugesehen, der Wirt aber bat
flehentlich, der Doktor möge ihm doch seinen Knecht
zurückgeben, er könne nicht ohne ihn sein.
"Was jammert Ihr denn?" erwiderte ruhig der Zauberer.
"Schaut einmal zur Tür hinaus, draußen auf der Stiege hockt
er doch!"
Wirklich saß der arme Teufel auf den Stufen, pudelnass und
zitternd vor Kälte. Als er dann zähneklappernd wieder in die
Schankstube hereinkam, flüsterte er ängstlich: "Ach, Herr
Doktor, ich möchte das nicht nochmals erleben. Ihr seid
gewiss mit dem Teufel im Bund!"
"Teufel hin, Teufel her", rief Faust, "lass dir's zur
Warnung dienen und schenke nicht mehr so voll, dass der Wein
überfließt!"
Inzwischen hatten sich auch die wackeren Zecher von ihrem
Schrecken erholt, und die fröhliche Unterhaltung nahm ihren
Fortgang. Das Gespräch drehte sich um den Satan, und wie man
sich ihn vorstellen solle. Schließlich erbot sich der Maler
Hirschvogel, den Teufel an die Wand zu malen. Übermütig
stimmten die anderen zu; der Maler nahm ein Stück Kohle vom
Herd und begann, das Bild eines Junkers zu zeichnen in
Kleidern von üblichem edelmännischem Zuschnitt; ein kurzes
Mäntelchen, zackig wie ein Drachenflügel, flatterte um die
Schultern der Gestalt; auf dem Kopf saß ein spitzer Hut mit
einer Hahnenfeder, darunter aber grinste eine höhnische
Fratze hervor. So wohlgelungen war das Bild und so
unheimlich der Anblick, dass die Gäste verstummten und sich
ängstlich hinter ihre Becher duckten.
Da erhob sich Doktor Faust und sprach wohlgelaunt: "Hier
seht ihr den Teufel an der Wand; ich will ihn euch nun
einmal lebendig zeigen." Plötzlich wurde es im Raum finster,
und das Bild an der Wand begann sich zu regen. Die Kleider
nahmen eine feuerrote Farbe an, die Puffen am Wams färbten
sich kohlschwarz, Hut und Mäntelchen leuchteten grün, die
Feder auf dem Hut schien brennend rot, die Augen aber in dem
mauerblassen Gesicht lohten wie feurige Blitze. Und mit
einemmal sprang eine grausige Gestalt mit donnerähnlichem
Krachen durch die Wand mitten unter die entsetzten Gäste,
die laut schreiend die Flucht ergriffen und Hals über Kopf
die Stiege hinauf und aus dem Keller drängten.
"Man soll den Teufel nicht an die Wand malen!" schmetterte
Doktor Faust mit donnernder Stimme den Flüchtenden nach und
ging sodann seiner Wege.
Nach diesem merkwürdigen Ereignis erhielt die Schenke auf
der Freyung den Namen "Zum roten Mandl" der später auf das
Haus überging.
Quelle: Die schönsten Sagen aus Österreich, o. A., o.
J., Seite 56.
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Günter Nikles
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