Vor mehr als 500 Jahren hauste in der Umgebung Wiens ein
Räuber mit Namen Hans Ausschring. Die Leute nannten ihn den
"Waldteufel", weil er so böse war wie ein Teufel und weil er
in den Wäldern um Wien lebte. Schon einige Male hatte der
Stadtrichter ein paar handfeste Knechte ausgeschickt, aber
keiner war zurückgekommen. Alle hatte der Waldteufel
umgebracht. Da ließ der Stadtrichter durch Boten verkünden:
"Wer den Waldteufel fangen will, der soll sich melden, er
bekommt eine hohe Belohnung." Aber es meldete sich niemand.
So blieb alles beim alten. Der Waldteufel lachte, als er das
erfuhr. Aber er hatte nichts zu lachen, sein letztes
Stündlein sollte bald schlagen.
Zu dieser Zeit wohnte auf der "Viehweide" *) ein Fassbinder.
Er hatte eine 18jährige Tochter namens Elsbeth; sie war das
bravste und schönste Mädchen des Ortes. Eines Tages war
Elsbeth verschwunden. Ihr Vater fuhr in großer Aufregung in
ganz Wien herum und fragte alle Bekannten, ob sie seine
Tochter nicht gesehen hätten. Niemand wusste etwas von ihr.
Als der Vater zu seinem Freunde Sebastian Guntl - das war
ein Gastwirt - in der Kärntner Straße kam, da sagte dieser:
"Deine Elsbeth war gestern bei mir und hat sich einen Wagen
und zwei Pferde ausgeliehen. Dann hat sie gesagt, sie will
noch zwei starke Knechte und einen starken Kutscher. Ich hab
mir gedacht, ihr wollt halt Fässer führen und deshalb hab
ich den Wagen hergeliehen. Sie ist gestern noch fortgefahren,
ich weiß nicht wohin."
Der Vater war ganz verzweifelt. Er ging nach Hause und
trauerte um seine Tochter.
Zur selben Zeit hieß es, dass der Waldteufel in der
Teufelsmühle am Wiener Berg wohne. Die Mühle gehörte damals
einem Wirt, der auch Räuber war.
Da fuhr eines Abends im Herbst des Jahres 1370 ein Wagen vor
die Teufelsmühle. Er kam aus Wiener-Neustadt. Auf dem Bocke
saß ein starker Kutscher, im Wagen saßen zwei starke Knechte
und ein junges Mädchen. Hinten auf dem Wagen lag eine große
Kiste, die in Decken und Tüchern eingewickelt war. Die
Knechte hoben die Kiste vom Wagen und trugen sie in die
Teufelsmühle. Dann kamen sie wieder heraus und setzten sich
neben das Mädchen. So erwarteten sie die Nacht.
Der Waldteufel hatte gesehen, dass eine Kiste ins Haus
getragen worden war. Er schlich sich unbemerkt in den
Mühlraum, weil er wissen wollte, was in der Kiste drinnen
war. Die Kiste war leer, aber daneben stand ein schöner
Lehnstuhl. Der Waldteufel sah ihn von allen Seiten an, dann
sprach er zu sich selbst:
"Sonderbare Geschichte! Wollen die mir einen Sessel
schenken, damit ich mich von meinen Taten ausruhen kann ?
Ich will's einmal versuchen, wie sich's drauf sitzt!"
Und mit diesen Worten setzte er sich darauf. Da begann es zu
rasseln, blitzschnell kamen blanke Eisenstangen aus dem
Lehnstuhl hervor und schlossen sich zu einem festen
Gitterwerk zusammen, sodass der Waldteufel nicht mehr
aufstehen konnte. Als er merkte, dass er gefangen sei, fing
er an zu schreien:
"Hilfe! Hilfe! Herr Wirt, helft mir!"
Das Mädchen und die Knechte sprangen vom Wagen und liefen in
die Mühle. Da saß der Waldteufel im Gittersessel und
rüttelte an den Eisenstäben.
Das Mädchen klatschte vor Freude in die Hände und sagte:
"Nun haben wir ihn erwischt! Knechte, tragt den Sessel
schnell hinaus auf den Wagen!"
Die Knechte ergriffen den Lehnstuhl und schleppten ihn samt
dem Waldteufel aus der Mühle hinaus. Sie achteten nicht auf
das Schreien und Spucken des Gefangenen. Dann holten sie den
Wirt aus dem Bette, fesselten ihn und setzten ihn auf den
Bock. Gleich darauf fuhr der Wagen in der Richtung nach Wien
ab und blieb erst vor dem Gasthaus Guntl in der Kärntner
Straße stehen. Das Mädchen sprang herab und sagte zum Wirt:
"So, lieber Herr Guntl, da habt ihr Euren Wagen wieder! Ich
danke Euch schön für Eure Freundlichkeit!"
Der Wirt schaute sie groß an, dann sah er den Waldteufel im
Gitterwerk sitzen.
"Ja, was hast du denn da für ein Vogerl gefangen ?" fragte
Herr Guntl erstaunt.
"Ein sauberes Vogerl, es heißt Waldteufel!" lachte Elsbeth.
Dann lief sie rasch davon, um ihrem Vater zu erzählen, wo
sie gewesen war.
Der Vater war glücklich, als er seine Tochter wieder gesund
vor sich sah. Sie erzählte ihm alles:
"Denke dir, ich war in der Neustadt beim Waffenschmied
Klingsporner. Ich hab mir von ihm einen kunstvollen
Fangsessel machen lassen. Schau ihn nur an, beim Guntlwirt
im Hofe steht er. Der Waldteufel sitzt drinnen."
Der Vater kannte sich nicht recht aus. Er ging sogleich mit
der Tochter zum Guntlwirt. Nun begriff er erst, welche
Heldentat seine Elsbeth vollbracht hatte.
"Du bist ein tapferes Mädchen," sagte er. "Aber du hättest
mir doch vorher ein Wort davon sagen können, ich habe große
Angst um dich ausgestanden."
"Aber Vaterl, du hättest mich ja nicht fortgelassen, wenn
ich dir gesagt hätte, dass ich den Waldteufel fangen will!"
Dann wurde beim Guntlwirt ein großes Fest gefeiert, das bis
zum Morgen dauerte.
Am nächsten Tage wurden die Gefangenen dem Stadtrichter
vorgeführt. Die Wiener kamen in großen Scharen, um die
gefürchteten Räuber anzuschauen. Sie wurden dann ins
Stadtgefängnis gesetzt und gut angekettet. Es wurde Gericht
gehalten über sie und beide wurden für schuldig befunden. Am
24. Januar des Jahres 1371 wurde ihnen der Kopf
abgeschlagen.
An dem heutigen Engelbrunnen auf der Wieden **) ist diese
Begebenheit dargestellt. Auf einem Sockel steht ein Mädchen,
das sich Zöpfe flicht; das ist Elsbeth. Zu beiden Seiten
sitzen zwei gefesselte hässliche Männer; aus ihrem offenen
Munde speien sie das Wasser des Brunnens. Das sind die
beiden Räuber, der Waldteufel und der Wirt der Teufelsmühle.
*) Ein Teil der heutigen Wieden
**) Auf der Wiedner Hauptstraße, Ecke der Starhemberggasse.
Er wurde im Jahre 1893 aus einer Stiftung des Herrn Engel
vom Bildhauer Anton Wagner errichtet.
Quelle: Wiener Sagen, herausgegeben von der Wiener Pädagogischen Gesellschaft, Wien 1922, Seite 44, Bilder: Karl Gruber unter der Lizenz CC BY-SA 4.0.
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