Die Bundeshauptstadt
Eine Frau war in großer Not, und deswegen ging sie einmal
am Abend mit ihrem Kinde auf die Jägerwiese bei Sievering.
Sie legten sich bei der Jägersäule nieder, denn die Frau
hoffte im stillen, es werde ihnen die Agnes erscheinen und
ihnen helfen.
Das Kind schlief bald ein, die Mutter aber wartete, bis die
Mitternachtsstunde herankam. Plötzlich sah sie auf der
Anhöhe der Jägerwiese einen großen Reiter aus dem Walde
herauskommen, der saß auf einem gewaltigen Schimmel, und das
Tier leuchtete wie die Sonne, so dass es im selben Augenblick im Walde taghell war.
Ohne dass man einen Laut hörte, sprengte der Reiter in drei
Absätzen über die Jägerwiese herab. Als er die Frau
erblickte, fragte er, was sie da suche. "Holz", antwortet
sie erschrocken.
"So nimm dieses da mit nach Hause", sagte der Reiter, "es
ist viel besser als das andre!" Die Frau folgte dem
Ratschlage, sie nahm aber nur wenig von dem Holze mit, weil
es halb verfault war.
Während sie sich bückte, war der unheimliche Schimmelreiter
verschwunden. Jetzt nahm die Frau das Kind schnell auf den
Arm und lief voll Schrecken nach Hause.
Am nächsten Tage wollte sie das Stück Holz aus der Tasche
nehmen, aber als sie es ansah, war es schweres Gold. Sie
lief schnell noch einmal zur Jägerwiese hin, aber von dem
Holze war nichts mehr zu erblicken.
Quelle: Die schönsten Sagen aus Wien, o. A., o. J., Seite 97, Bilder: Pixabay
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Günter Nikles
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