Die Bundeshauptstadt
Es soll ein gar böse Brut sein, diese Kröten und
Schlangen. Sobald man einer von beiden ansichtig wird, muss
man sofort die Lippen fest aneinander pressen, damit es der
Zauberin (die Seele der bösesten Zauberin lebt in der Kröte
fort, daher nennt man die Kröte auch schlechtweg "coradonica",
Zauberin, Hexe) nicht gelänge, die Zähne im Munde
zusammenzuzählen. Gelingt es ihr, so muss der Mensch im
Laufe des Jahres sterben, mindestens wird er aber schwer
krank. Dieses Gerede mag Ursache sein, dass manche Kinder
wirklich beim Anblick der Kröte ernstlich erkranken - aus
Schreck.
Wird die Kröte im Stall ertappt, da ist erst ein noch
größeres Unglück im Zuge, als wenn ein Kind stürbe. Sie
saugt den Kühen die Milch aus dem Euter aus, behext die
Rinder derart, dass sie nicht mehr melken lassen und keine
Kälber kriegen, und besitzt so viel Gift, dass der ganze
Stall vergiftet und auf Jahre lang todbringend wird.
Gegen diese Verzauberung und Vergiftung der Kuhställe gibt
es ein einziges Mittel. Man muss den Backofen durch lauter
einjährige Heckenrosentriebe glühend machen, dann nimmt man
einen ganz neuen Topf samt Deckel, tut ein wenig Mischung
von Milch und Urin der behexten Kühe hinein, steckt die
Mischung in den Backofen, und bis die Flüssigkeit
ausdünstet, platzt der Topf unter großem Gekrache - und in
demselben Moment platzt auch die Hexe, die das Unglück
verschuldet hatte.
Ein anderes, aber wie es scheint minder bewährtes Mittel
besteht darin, dass man die Kröte beim Hexen im Stall
ertappen muss; hernach schlägt man sie so lange mit
Rosenstöcken, bis sie ganz zerfasert, das heißt zu Staub
geschlagen wird, sonst würden ihre Zaubereien nicht
wirkungslos bleiben.
Quelle: Matthias Bena, Wien: Zeitschrift für
österreichische Volkskunde 17, 1911, 175;
Aus: Will-Erich Peuckert, Ostalpensagen, Berlin 1963, Nr. 17, Seite 18f, Bilder: Pixabay.
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Günter Nikles
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