Kaum ein zweiter Regent trat unter misslicheren
Verhältnissen die Regierung an als Ferdinand II. In Böhmen
tobte ein grässlicher Krieg, und das dahin gesendete Heer
war bei Budweis und Krumau so gut wie eingeschlossen.
Eine Aufforderung des Kaisers, dass die Protestanten ihre
Beschwerden schriftlich beibringen mögen, blieb erfolglos.
Dazu kam noch, dass die Österreicher ihm die Huldigung
versagten; Bethlen, der Fürst von Siebenbürgen, unterstützte
die Protestanten, Graf Thurn aber fiel in Mähren ein und
erschien, von den protestantischen Ständen Österreichs mit
Ungeduld erwartet, plötzlich am 5. Juni 1619 vor Wien, wo er
sein Hauptquartier in der Vorstadt
Margareten aufschlug und
von den Batterien bei St. Ulrich die Burg beschoss.
Gleichzeitig streiften Bethlens Reiter von Petronell bis
über die Fischa herauf. In Wien selbst wütete bereits der
Aufruhr.
Trotz der ungeheuren Gefahr blieb Ferdinand allein
unerschüttert. Mit größter Standhaftigkeit sprach er zu
denen, die ihm rieten, entweder mit Thurn zu unterhandeln
oder nach dem immer treuen Tirol zu flüchten: "Nicht diese
Feinde, die Gottes Gewalt bald erreichen wird, nein, der
Wahltag zu Frankfurt ist mein Augenmerk; mitten durch die
Feinde will ich dahin ziehen und auf mein Haupt, das sie
schon verloren und preisgegeben achten, die Kaiserkrone
setzen."
Als am Morgen des 16. Juni 1619 der Lärm in der Umgebung der
Burg heftiger wurde und Kugeln über die Stadt hinschwirrten,
von welchen mehrere in der Burg einschlugen, da sank er vor
einem Kruzifix nieder, drückte seine brennende Stirne an den
silbernen Stamm des Kreuzes und flehte inbrünstig zu Gott um
Hilfe.
Da war es dem Betenden, als ergösse sich himmlisches Licht
um ihn her, als erwärme sich der Fuß des Heilands unter
seiner Stirne, als hörte er die Worte: "Ferdinand, ich werde
dich nicht verlassen!"
Neue Tatkraft, neuer Mut beseelte nun Ferdinand, und er trat
mit großer Geistesruhe den sechzehn protestantischen
Landherren entgegen, welche, geführt von Thonradl, aus dem
Vorsaal auf ihn einstürmten, um die Einwilligung zu einem
Bündnisse mit den Böhmen zu ertrotzen.
Ja, Thonradl fasste den König sogar an den Knöpfen seines
Wamses und rief höhnisch: "Ferdinandl, gib dich! Wirst du
nicht unterschreiben?"
Aber in demselben Augenblicke hörte man auf dem Burgplatze
Kriegstrompeten und Heerpauken erschallen. Die Meuterer
liefen an die Fenster und sahen zu ihrem Schrecken einen
Trupp königlicher Kürassiere dahersprengen.
Betäubt und angsterfüllt, mäßigten sie nun sogleich die
Sprache, gelobten, ihre Beschwerden ordnungsgemäß
vorzutragen und baten um sicheres Geleit zur Rückkehr in
ihre Wohnungen, welches ihnen auch gewährt wurde. Der
Hauptmann Gebhard Saint Hilaire, ein Lothringer, war mit
fünfhundert Reitern Dampierres von dem bei Krems stehenden
königlichen Heere plötzlich nach Wien aufgebrochen und, von
den Böhmen unbemerkt, mit Hilfe der Bürger und Studenten
durch den damaligen Donaukanal bei dem Schiffsarsenal in die
Stadt gedrungen; schnell hatte er den Burgplatz besetzt und
Ferdinand gerettet.
Dieses Regiment erhielt zur Auszeichnung die Freiheit, so
oft es auf dem Marsche Wien berühre, mit klingendem Spiele
durch die Burg zu ziehen und auf dem Platze desselben drei
Tage lang zu werben, was sonst keinem Regimente gestattet
war. Auch erhielt der jeweilige Obrist das besondere Recht,
beim Eintreffen des Regimentes in die Burg unangemeldet in
die kaiserlichen Gemächer einzutreten. Dieses Regiment
bestand lange noch als Dragoner-Regiment Nr. 8, welches seit
1888 auf immerwährende Zeiten den Namen "Raimund Graf von
Montecuccoli, Reichsfürst und Herzog von Melti" führt.
Quelle: Die schönsten Sagen aus Wien, o. A., o. J., Seite 283, Bilder: gemeinfrei und © Bwag/Wikimedia.
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Günter Nikles
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