Person - Carl Wolfgang Adler
Carl Wolfgang Adler, Hauptkassier der k.k. priv. Allg. Verkehrsbank, Redakteur der Zeitschrift "Der junge Kaufmann"
(Monats-Zeitschrift für Handlungslehrlinge und junge Gehilfen), Schriftsteller, * 15.02.1833, † 10.04.1917, Bestattungsdatum: 12.04.1917,
zuletzt wohnhaft: 12., Schönbrunner-Allee 34.
Neue Freie Presse vom 7.7.1871, Seite 19:
Aus dem Gerichtssaale.
Wien, 7. Juli. [Orig.- Ber.] (Börsenrath F. A. Engel gegen den „Jungen Kaufmann".)
Vorsitzender: Landesgerichtsrath Heidenthaler: Privatkläger Herr F. A. Engel.
Großhändler und k. k. Börsenrath, vertreten durch Dr. Neuda; Vertheidiger: Dr. Markbreiter.
Auf der Anklagebank wegen Vergehens der Ehrenbeleidigung
Herr
Karl W. Adler, aus Wien gebürtig, 38 Jahre alt, verheiratet,
Cassier der Verkehrsbank, bisher gerichtlich unbescholten.
Das hier erscheinende Blatt „Der junge Kaufmann" brachte
aus Anlaß einer Scene, die sich im Comptoir des Großhändlers und
k. k. Börsenrathes Herrn F. A. Engel zwischen ihm und seinem ehemaligen
Buchhalter, Herrn Davids, abspielte, und die in sämmtlichen Wiener
Journalen besprochen wurde, in Nr. 4 vom 3. April d. J. unter der
Ueberschrift: „Geharnischtes" einen Artikel, in welchem das Benehmen
des Herrn Engel abfällig besprochen wurde. Herr Engel, der sich
hiedurch an seiner Ehre verletzt erachtete, strengte durch seinen Vertreter
gegen den verantwortlichen Redacteur des „Jungen Kaufmann",
Herrn Karl W. Adler, Cassier der Verkehrsbank, eine Ehrenbeleidigungs-Klage
an, und hierüber wurde heute vor den Geschwornen die
Schlußverhandlung abgeführt.
Die Geschwornenbank wurde gebildet aus den Herren: Anton
Utzl, Schneider; Anton Habermann, Taschner; Johann Friedrich
Bohmann. Vergolder; Ferdinand Gatterer, Gärtner; Mathias
Hübel, Holzhändler; Anton Adamek, Seifensieder; Wilhelm Ignaz
Hauk, Mechaniker; Anton Schröffl, Bildhauer; Rudolph Lechner,
Buchhändler; Joseph Burger, Fleischselcher; Anton Resch, Kaffeesieder;
Karl Weber, Commissions-Waarenhändler.
Nachdem die Geschwornenbank gebildet und die Geschwornen in
Eid genommen worden waren, verlas der Schriftführer folgende
Anklageschrift:
Das hier erscheinende Monatsblatt: „Der junge Kaufmann"
brachte am 3. April d. J. unter der Ausschrift: „Geharnischtes" einen
gegen mich, mit Nennung meines Namens gerichteten Artikel. Es
wird darin erzählt, es sei einem Sensal. welcher den Chef eines
Bankhauses an der hiesigen k. k. Börse gröblich beleidigte, in Folge
dieser „Gemeinheit" von der Börsekammer der Besuch der Börse
für längere Zeit untersagt worden. Gleich darauf wird gesagt, daß
auch ich über jenen Sensal in der Börsekammer zu Gerichte gesessen,
daß ich mich aber in jüngster Zeit noch „viel brutaler" benommen
hätte, ohne daß mir deßhalb das Recht des Börsebesuches für
längere Zeit entzogen oder ich zum mindesten meines Ehrenamtes
enthoben worden wäre. Darin liegt eine allgemeine Schmähung nach
§. 491 Strafgesetz.
Der Sachverhalt selbst wird fälschlich so dargestellt, als ob mein
Buchhalter, Herr Heinrich Davids, einen ihm von meiner Seite gewordenen
Tadel als ungerechtfertigt zurückgewiesen hätte, und ich,
dieserhalben aufgebracht, ihn sofort in Gegenwart des Comptoir-Personales
beschimpfte, an dem Halse und an der Brust packte, zur Thür
hinausdrängte, und als mir diese „Hausknechtarbeit" nicht gelingen
wollte, dem Buchhalter einen Schlag ins Gesicht versetzte.
Die Verhandlung, welche über diese Angelegenheit beim Bezirksgerichte
der inneren Stadt Wien am 5. Juni gepflogen wurde, ergab
jedoch, daß Herr Heinrich Davids nicht etwa in anständiger Weise
einen ihm von mir gemachten Tadel zurückwies, sondern daß er über
mein Ersuchen, mich nur früher die Korrespondenz zur Post befördern
zu lassen und mir dann erst seine Sache vorzutragen, mich sofort mit
den Worten: „Sie sind grob wie ein Nassauer Bauer" beschimpfte,
daß ich also erst in Folge der mir in meinem eigenen Comptoir gewordenen
Beschimpfungen den Herrn Davids hinauswies; daß ich
ihn hiebei beim Halse, nicht bei der Brust gepackt hatte, um ihn hinauszudrängen;
daß ich ihm auch keinen Schlag ins Gesicht versetzt
hatte, sondern ihn einfach zur Thür hinausdrängte und sohin
höchst aufgeregt über die von meinem eigenen Bediensteten
mir zugefügte Beleidigung dem Hausknechte sagte, er
möge, wenn Herr Davids nicht ruhig gehe, ihn hinauswerfen,
wobei mir allerdings zu meinem jetzigen Leidwesen
in meiner Aufregung die Worte: „Verfluchter Kerl" entschlüpften.
Es ging aus der Verhandlung weiter hervor, daß Herr Davids selbst
die Berechtigung meiner Entrüstung dadurch anerkannte, daß er in
Gegenwart zweier, bei mir angestellter Herren ausdrücklich die Worte
sprach: Ich könne nur darum so aufgebracht worden sein, weil er mir gesagt
hatte, ich sei grob wie ein Nassauer. Das löbliche Bezirksgericht der
inneren Stadt Wien erkannte auch wirklich mit Urtheil vom selben
Tage, daß ich zu einer Geldstrafe von 15 fl., der Buchhalter Herr
Heinrich Davids aber gleichzeitig auch zu einer Geldstrafe von
5 fl. Oe. W. verurtheilt werde. Es wurde diesfalls in den Entscheidungsgründen
ausgesprochen, daß in dem Hinausdrängen des Herrn
Davids aus meinem Comptoir eine Mißhandlung oder überhaupt
eine strafbare Handlung nicht liege, sondern daß nur allein in den
in meiner Aufregung gesprochenen Worten: „Verfluchter Kerl" und
„Werfen Sie ihn hinaus" die Beleidigung gesucht werden könne.
Aus allem dem ergibt sich, daß ich der Herausgeforderte, der
Gekränkte und hiedurch in eine ungewöhnliche Aufregung versetzt gewesen
war, während gerade jene Momente, welche nach dem von
Seite des incriminirten Blattes erzählten Sachverhalte mich am meisten
belasten sollten, nämlich ein Packen am Halse oder an der Brust,
und die Versetzung eines Schlages in daS Gesicht des Herrn Heinrich
Davids niemals vorhanden waren.
Gleichwol scheute das incriminirte Blatt nicht, eben an jene auf
Unwahrheit beruhenden Zumuthungen, welche ich hiemit als nach
Z. 487 und eventuell nach §. 488 des Strafgesetzes verpönt bezeichne
und mit zum Gegenstande dieser Klage mache, die nachstehenden Betrachtungen
anzuknüpfen, die nur um so mehr geeignet sind, mich in
meiner Ehre zu verletzen.
So heißt es gleich im fünften Absätze, daß derartige „Derbheiten"
nur ausschließlich bei jenen Principalen vorkommen, die ihre
Bildung entweder auf Seeplätzen unter den Matrosen, oder in Städten
in der Gesellschaft von Hausknechten sich angeeignet haben, daß es
jeden anständigen Menschen mit gerechtem Unwillen erfüllen müsse,
wenn er diese Art Thätigkeit geistig verkommener Krämerseelen noch
jetzt in einem Geschäftshause vorfindet, dessen Chef seiner Stellung
nach als ein Mann von Ehre und Bildung gilt.
Nachdem die Anklage noch die weiteren in dem Artikel enthaltenen
Ausfälle angeführt hat, schließt sie mit Folgendem: Das hohe
Gericht geruhe über diese meine Klage in Anwendung der §§. 11 und
12 des Gesetzes vom 9. März 1869 die Hauptverhandlung gegen
Herrn Karl W. Adler (verantwortlichen Redacteur und geständigerweise
auch Verfasser) anzuordnen und bei derselben die Beilagen A und B
zur Vorlesung zu bringen.
Für den Fall, als von der Gegenseite ein Antrag auf Vorladung
von Zeugen oder sonstige Anträge gestellt werden sollten, behalte
ich mir die Aeußerung hierüber und die Stellung von Gegenanträgen
vor. (Fortsetzung im Morgenblatte.)
Deutsches Volksblatt vom 21.4.1917, Seite 10:
Adler Karl Wolfgang, Bankhauptkassier, 84 J., 12., Schönbrunner-Allee 34, Altersschwäche.
Weiters im Grab bestattet:
Rosina Adler, geb. Nikel, * 29.04.1865, † 10.09.1945
Karoline (Caroline) Nikel, * 26.11.1869, † 06.02.1957, Bestattungsdatum: 08.02.1957
Die Grabstelle (auf Friedhofsdauer) befindet sich am
Hetzendorfer Friedhof (Gruppe: 17, Nummer: 45).
Der Grabstein wurde von Erwin Siegel
(Simmeringer Hauptstraße 345,
Brüder Siegel. Handel mit Grabsteinen
und Grabausschmückungsgegenständen. Offene
Handelsgesellschaft seit 1.1.1904. G. Eduard
Siegel in Wien und Erwin Siegel in Wien)
aus
St. Marx gestaltet.
Quelle: Text: www.nikles.net, Bilder: www.nikles.net, Neue Freie Presse vom 7.7.1871, Seite 19.