Person - Helene Littmann
Helene Littmann, Pseudonyme E. Schütz und O. Lamare (* 02.01.1866 in Paris; † 13.06.1945 in Baden bei Wien) war eine österreichische Malerin, Schriftstellerin und Zeitungsbegründerin.
Leben und Wirken: Helene Littmann wuchs in Halle auf und zog 1888 mit ihren Eltern nach Wien, wo sie bei dem Maler und Nordpolfahrer Julius von Payer Unterricht in Malerei nahm. Seit 1892 gab sie die Zeitschrift „Frauenleben“ heraus. 1896 gründete sie den „Österreichischen Hilfsverein für Beamtinnen“, dessen Präsidentin sie auch wurde.
In ihren Aufsätzen, die in verschiedenen Zeitschriften erschienen, behandelt sie die damals „Frauenfrage“ genannte Emanzipation.
Veröffentlichungen:
Die Kunst der Frau (Ausstellung der Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs in der
Secession). In: Mitteilungen der Vereinigung der arbeitenden Frauen 8. Jg., Nr. 80, Dezember 1910.
Ein Beamtinnenheim in Paris. In: Mitteilungen der Vereinigung der arbeitenden Frauen 5. Jg., Nr. 50, Februar 1908 * Großstadtsaison – eine Rückschau. In: Mitteilungen der Vereinigung der arbeitenden Frauen 8. Jg., Nr. 76, August 1910.
Häusliche Frauenberufe. Allgemeines. – Die einzelnen Berufe. – Nachfrage, Angebot, Gehalt (etc.). Vetter, Wien 1914 (Signatur der ÖNB: 503.794-A).
Kalender (Calender). Hrsg. von dem Bund österreichischer Frauenvereine. Red. von Helene Littmann. Moritz Perles, Wien 1913.
Bestand: Jg. 1.1913, 2.1914, Jg 2 u.d.T.: Jahrbuch des Bundes österreichischer Frauenvereine mit Kalender (Signatur der ÖNB: 492.414-A).
Österreichische Frauenrundschau/Mitteilungen der Vereinigung der arbeitenden Frauen: Heft Dez 1910, Seite 2, 3 und 4:
Die Kunst der Frau.
Von Helene Littmann, Wien.
Die Vereinigung bildender Künstlerinnen Oesterreichs, die erst vor kurzem unter der Aegide der Frau
Olga Brand-Krieghammer begründet wurde, hat Anfang November ihre erste Ausstellung eröffnet, die
uns über das künstlerische Schaffen der Frau Rechenschaft geben soll.
Da die
Sezession dem Verein ihre Ausstellungsräume
überließ, die Wiener Gesellschaft die Bestrebungen der Künstlerinnen nach jeder Richtung förderte
— wir lesen unter den Stiftern und Gründern die glänzendsten Namen — so kann es nicht Wunder nehmen,
daß die Bemühungen des Komitees mit Erfolg gekrönt wurden. Oeffentlicbe Sammlungen und Privatgalerien
stellten der Vereinigung ältere Werke, die sie von Frauenhand besaßen, zur Verfügung, gleichwie die
Künstlerinnen des In- und Auslandes bereitwillig ihre besten Werke sandten. So entstand eine Ausstellung,
die in ihrer retrospektiven sowie in ihrer modernen Abteilung ein sehr hohes Niveau künstlerischen
Könnens zeigt.
Es wäre nun ein müßiges Beginnen, an dieser Stelle die Frage aufzuwerfen, ob die Frau Neues, Persönliches
zu schaffen befähigt ist oder ob sie im Grunde nur als Nachempfinderin des Mannes anzusehen sei;
freuen wir uns lieber ohne jede Polemik der vielen künstlerisch wertvollen Bilder, die Beantwortung
dieser Streitfrage kampfesfreudigeren Männern und Frauen überlassend.
Um mit der retrospektiven Abteilung zu beginnen, so fällt uns bei den Bildern der Sanders, Anguisciola,
Leyster, Beale, Sirani, Carriera, Kaufmann, Lebrun u. a. die große Sicherheit der Zeichnung
und das ernste Studium der Farbenvaleurs auf. Da ist jede Linie, jeder Ton genau studiert und kein
Pinselstrich auf gut Glück hingesetzt; so wenig man das Streben bemerkt, die Bilder auf äußeren Effekt
herzurichten. Die Entstehung dieser Werke fällt allerdings in eine Zeit der künstlerischen Auslese, in
welcher der Andrang zur Kunstbetätigung kein solch allgemeiner war, wie in unseren Tagen. Nur wirklichen
Talenten war es möglich, sich den Weg zu ihren künstlerischen Zielen zu ebnen. Halbtalente,
d. h. geschickte Dilettanten, denen wir heute scharenweise begegnen und welchen in unseren ungezählten
Schulen und Ateliers eine gewisse äußere Mache andressiert wird, zeichneten und pinselten in jenen Tagen
Albumblätter für liebe Freunde und Verwandte, traten aber nicht, wie heute, mit ihren Kunsterzeugnissen in
die Oeffentlichkeit.
Dem Komitee der Ausstellung muß übrigens zugestanden werden, daß es sein Möglichstes getan
hat, derartigen dilettantisch wirkenden Arbeiten den Eintritt zu verwehren, sodaß auch die moderne Abteilung
zumeist Werke aufweist, die für das ernste Streben und die reiche Begabung der Einsenderinnen
den vollgültigen Beweis liefern.
Doch kehren wir zu den Werken der retrospektiven Abteilung zurück. Wir werden hier vor allem
mit Bewunderung vor dem Bild der im Alter von 26 Jahren verstorbenen Italienerin Sirani verweilen.
Dieses, der kaiserlichen Gemäldegalerie zu Wien gehörende Werk zeigt in Komposition, Zeichnung,
Malerei die vollste Beherrschung der Technik, Form und Farbe. Hier ist ein großes Können leider zu
früh abberufen worden!
Unendlich fein in Kolorit und Ausdruck ist das «Damenbildnis» von Sofonisa Anguisciola. Frisch
und lebensvoll, der Zeit und Persönlichkeit entsprechend, Mary Beales «Porträt der Lady Castle
maine». Das Pastell der Rosalba Carriera wirkt trotz der manirierten bläulichen Farbengebung äußerst
reizvoll. Frei von Manier und sehr gut in der Zeichnung und Charakteristik ist das Porträt Friedrich
August III. von derselben Künstlerin. Von der zu Zeiten überschätzten, dann wieder unterschätzten
Angelika Kaufmann sind sehr tüchtige Handzeichnungen ausgestellt, ferner ein sehr liebenswürdiges,
in der Wiedergabe des Kolorits und der weißen Töne des Gewandes außerordentlich fein erfaßtes Porträt
der Fürstin Esterházy. Die Vigée-Lebrun ist mit einem Selbstporträt und mit einem Porträt der Gräfin
Czernin vertreten. Das große Können dieser Frau ist wohl unbestritten. Ihre Persönlichkeit und ihre
Arbeiten geben zugleich den Beweis, daß sich künstlerisches Schaffen mit echt weiblichen Eigenschaften
und echt weiblicher Grazie vereinen lassen. Madame Vigée-Lebrun war nicht nur die liebevollste Töchter,
die aufopferndste Gattin und sorgsamste Mutter, sie war auch persönlich voll Charme, ohne den geringsten
Zug gesuchter Männlichkeit.
Keck und lebensvoll ist das «Kinderbildnis» von Judith Leyster heruntergemalt, dieser begabten
Schülerin des Franz Hals. Die intime Auffassung der jeweiligen Zeitrichtung bemerkt man in den Arbeiten
der Französin Marguerite Gérard und der Holländerin Katharina Sanders. In dieser Abteilung wäre
noch auf die im Besitz des kunsthistorischen Hofmuseums in Wien befindlichen Blumenstücke der
holländischen Malerinnen Rachel Ruijsch und Maria von Oosterwyck besonders aufmerksam zu machen.
An diese Arbeiten aus einer längst vergangenen Zeit schließen sich würdig die Bilder der Frauen an,
deren Wirken in die Mitte und das Ende des vorigen Jahrhunderts fallen. Da sind vor allem die Bilder
der Französin Eva Gonzalés zu nennen. Ihr sicheres Herausgreifen des Charakteristischen in Zeichnung
und Farbe, ihre souveräne Beherrschung der Technik geben diesen Bildern einen hohen künstlerischen Wert.
In den Arbeiten der Gonzalés zeigt sich einmal wieder neben hervorragender Begabung der große Ernst und
die Gediegenheit der französischen Schule.
Von Maria Bashkirtseff, dieser psychologisch so interessanten Persönlichkeit, sehen wir einen sehr
guten Frauenkopf und eine kleine Landschaft «Im Nebel». Berthe Morisots Bilder, die augenblicklich
im französischen Kunsthandel sehr geschätzt werden, erscheinen in ihrem etwas gesuchten Impressionismus
zu unkörperlich und farblos, um bei dem Beschauer, der nicht kritiklos auf den Impressionismus eingeschworen
ist, Interesse zu erwecken. Die berühmte Katzenmalerin Henriette Ronner ist durch eine Reihe
ihrer so außerordentlich charakteristischen Katzenstudien vertreten. Von der jüngst verstorbenen Wiener
Malerin Hermine Heller-Ostersetzer befindet sich eines ihrer besten Werke, das Temperabild «Goldfische»
in der Ausstellung. Das durch die graugrünen Töne des Hintergrundes, die farbige Behandlung des
Fleisches außerordentlich harmonisch wirkende Selbstporträt von Mimi Munsch zeigt viel Verwandtes mit
den Werken der modernen Engländerinnen, die eine Anzahl sehr guter Bilder sandten. Da ist
in erster Linie «Dame in Schwarz» von Edith-Starkie Rakham anzuführen. Auch hier bemerken wir das
feine Abstimmen von Hintergrund, Gewandung und Kolorit des Kopfes. Weiters die Landschaft
«Heranziehender Regen» von Gabell Smith, Dod Withers «Festung von Carcasonne» und Clare Atwood
«Fischmarkt in London». Großzügig komponiert ist der «Karton zu einem Fresco» von Mary Sargant-Horence.
Von den französischen Bildern möchte ich das klare, luftige, dabei außerordentlich gut charakterisierte
Pastell «Das Kindermädchen» von Marie Cazin besonders hervorheben. Die Bilder der Cariére und
Besnard erinnern in Auffassung und Technik zu stark an die Arbeitsweise ihrer Männer, wodurch die
Beurteilung der persönlichen Qualitäten dieser Künstlerinnen beeinträchtigt wird.
Eine der besten Arbeiten der gesamten Ausstellung ist das Porträt des «General Joubert» von
Therese Schwartze. Da ist nichts Kleinliches, nichts Imitiertes, alles zeigt von einem großen Wollen
und einem großen Können.
Von den zwei Porträts der Berlinerin Dora Hitz entspricht nur das Damenbildnis dem Ruf, den die
Künstlerin als Bildnismalerin genießt; ihr Kinderporträt ist eine konventionelle, uninteressante Arbeit.
Bei Pauline Eigner-Püttners «Damenbildnis» muß die gute Zeichnung hervorgehoben werden, das Werk
erinnert aber im übrigen zu stark an Trübner und zwar nicht im guten Sinne. Das Kinderbild von
Ernestine Lohwag wirkt durch die Buntheit des Wandbehänges des Teppichs viel zu unruhig. Das
Nebensächliche tritt in diesem Bild unangenehm in den Vordergrund. Die feine Charakteristik der Olga
Beznanska ist zur Genüge bekannt, ebenso ihre stark manirierte Malweise. Vornehm in Auffassung
und Farbengebung, dabei korrekt in der Zeichnung ist das von Karoline Ruhm ausgestellte «Porträt».
Bei den Wiener Malerinnen angelangt, möchten wir vor allen Tina Blau, Olga Wisinger-Florian
und Marie Egner nennen. Das große Können dieser drei Künstlerinnen erfreut den Beschauer immer von
neuem. Die Ruhe, die Sicherheit, mit der sie, ohne auf Richtung und Mode Rücksicht zu nehmen, ihren
Weg gehen, kennzeichnet zur Genüge die Echtheit ihrer Künstlerschaft.
Reizvoll in der Farbe sind die Arbeiten von Olga Brand-Krieghammer, in erster Linie das
Bild «Verwilderter Garten». Eugenie Breithut-Munk enttäuscht in dieser Ausstellung mit ihrem
Bild «Oesterreichische Bauern». Wir haben in den Räumen der
Sezession schon bessere Arbeiten von
ihr gesehen. Irma von Duczinska sandte zwei Arbeiten, die von ihrer Kollektiv-Ausstellung bei
Miethke bekannt sind. Ganz prächtig ist auf dem einen Bild «Mädchen in Blau» das Stoffliche behandelt.
Störend wirkt die Staffage des Bildes «Interieur» von Hilde Kotany. Die Gestalt fügt sich in Farbe
und Haltung dem dargestellten Raum schlecht ein. Von den übrigen Bildern wäre, um nur noch
einige herauszugreifen, auf Marthe Stettlers «Nach dem Bade» hinzuweisen. Keck heruntergestrichen,
der Zeichnung nicht immer die nötige Sorgfalt zuwendend, gibt das Bild doch das Sonnige überzeugend wieder.
Viel Stimmung haben die Landschaften von L. von Littrow »Abend auf Lussingrande», Florence Este
«Die Küste von St. Briac», Marguerite Gautier «Die Düne von Roskoff». In dem oberen Saal sind
die Radierungen der Käte Kollwitz untergebracht. Die technisch vollständig einwandfreien Arbeiten
dieser Künstlerin wirken mit der Zeit durch die Gleichmäßigkeit der Vorwürfe etwas ermüdend.
Unter den Bildhauerinnen nehmen die Feodorowna Ries mit ihrem «Bildnis» und Elsa Kövesházi-Kalmar
mit «Mädchenakt», letzteres Werk im Besitze des königlich ungarischen Landesmuseums in Pest, die
erste Stelle ein. Beide besitzen echtes, kraftvolles, künstlerisches Temperament. E. Kövesházis
ebenfalls ausgestellte Kainzbüste ist ungünstig aufgestellt, das brutal einfallende Licht zerstört leider
die Feinheit der Formen und des Ausdruckes, wodurch sich dieses Werk auszeichnet. Mit großer
Noblesse ist Ilse von Twardowska-Conrats Büste der Kaiserin gearbeitet. Sehr graziös wirken
die Masken der Besnard.
Dieser gedrängte Ueberblick kann unseren Leserinnen nur ein skizzenhaftes Bild der Ausstellung
geben, doch würde ein stärkeres Eingehen auf Einzelheiten zu weit führen. Mit besonderer Genugtuung
sei nur noch gesagt, daß die Ausstellung ein sehr erfreuliches Bild weiblichen Kunstschaffens bietet.
Der verdienstvollen Künstlerinnen-Vereinigung, der wir diese wertvolle Kunstschau danken, wünschen
wir mit ihren eigenen, im Katalog angeführten Worten, daß sie auch weiterhin den Weg verfolgen
möge, der auf die Höhen der Kunst führt.
Badener Zeitung vom 23.6.1945, Seite 2:
Helene Littmann gestorben.
Eine der geistig hochstehendsten Frauen
unserer Stadt wurde vor einigen Tagen
im Alter von 80 Jahren abberufen. Helene
Littmann war zwar keine gebürtige Badnerin,
aber durch ihren jahrzehntelangen
Aufenthalt in unserer Stadt, in der sie
auch einen Hausanteil besaß, fühlte sie
sich Baden innig verbunden. Sie nahm an
dessen kulturellen Leben regen Anteil und
interessierte sich im besonderen für alles,
was mit Jugendfürsorge, Jugenderziehung,
Schulwesen und der Frauenfrage im idealsten
Sinne zusammenhängt. Ein Stündchen
mit ihr zu verplaudern war ein Genuß
und immer wieder staunte man über die
große universelle Bildung dieser Frau und
ihre große Belesenheit. Sie war in der
englischen und französischen Literatur
genau so zuhause wie in unserer eigenen.
Ihr überragendes Wissen und eine geschickte
Feder verschafften ihr auch in
den Reihen der Schriftstellerinnen Oesterreichs
Eingang und Erfolge. Auch die
„Badener Zeitung" zählte seit 1919 die
Heimgegangene zu ihren gerne gelesenen
Mitarbeiterinnen.
Weiters im Grab:
Elisabeth Littmann, * 22.07.1834 in Wiesbaden, † 04.11.1899, Bestattungsdatum: 06.11.1899
Franz Littmann, Maschinenfabrikant, * 07.09.1836 in Budapest, † 22.11.1916 in Wien, Bestattungsdatum: 24.11.1916
Heinrich Edler von Brilli, Feldmarschalleutnant, * 16.01.1853 in Treviso, † 04.05.1922 in Wien, Bestattungsdatum: 06.05.1921 ?
Betti (Barbara) von Brilli, * 24.08.1869 in Halle an der Saale, † 09.07.1946 in Wien, Bestattungsdatum: 19.07.1947 ?
Enrico von Brilli, * 17.07.1891 in Baden bei Wien, † 13.06.1945 in Baden bei Wien
Die Grabstelle befindet sich am
Evangelischen Friedhof Matzleinsdorf.
Quelle: Dieser Text basiert auf dem Artikel
Helene_Littmann aus der freien Enzyklopädie
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Bilder: www.nikles.net, Österreichische Frauenrundschau/Mitteilungen der Vereinigung der arbeitenden Frauen: Heft Dez 1910, Seite 2, 3 und 4, Badener Zeitung vom 23.6.1945, Seite 2.