Der Nestroyhof ist ein 1898 nach Entwürfen von Oskar Marmorek errichtetes Jugendstil-Gebäude am Nestroyplatz (innerhalb des Czerninviertels) im 2. Wiener Gemeindebezirk Leopoldstadt.
Geschichte: Nachdem Oskar Marmorek 1897 die Malerin Nelly Schwarz geheiratet hatte, erbaute er 1898 den Nestroyhof für seinen Schwiegervater Julius Schwarz. Der Nestroyhof diente anfangs als Zentrum für jüdische Kultur (Marmorek war ein Wegbegleiter Theodor Herzls) und wurde multifunktional für Theater, Filmvorführungen, Büros, Geschäfte und Wohnungen benutzt.
Nestroy-Säle: Im Etablissement Nestroy-Säle, das sich im unteren Teil des Hauses befand, 1899 eröffnet wurde und ein bekanntes Wiener Vergnügungsetablissements war, gab es ein Wirtshaus, eine Bierhalle, ein Restaurant in Form eines Wintergartens und im Keller die Tanzbar Sphinx sowie einen Theatersaal, das Intime Theater, wo unter anderem die Theatergruppe Trianon von Karl Kraus auftrat, die am 29. Mai 1905 in einer Privatvorführung Frank Wedekinds Die Büchse der Pandora mit Tilly Newes, Adele Sandrock, Albert Heine, Anton Edthofer, Egon Friedell und Wedekind selbst in der Rolle des Jack the Ripper zur österreichischen Erstaufführung brachte. Von 1904 bis 1918 leiteten Emil Richter-Roland und Oscar Friedmann das Intime Theater als literarische Kleinbühne, die österreichische Erstaufführungen von Maxim Gorki, August Strindberg oder Maurice Maeterlinck, und später auch französische Lustspiele unter Emils Gattin Josefine zur Aufführung brachte. Nach dem Bankrott des Etablissement Nestroy-Säle wurde das moderne Variététheater Folies Comiques eröffnet. Zum später gegründeten Theater Reklame wurden in Nebentrakt des Gebäudes ein Lichtspieltheater und im Keller die Tanzbar eingerichtet, die beide bis 1942 existierten.
Jüdische Künstlerspiele: Von 1927 bis 1938 war des
Nestroyhof die Heimat der Jüdischen Künstlerspiele. Unter
der Leitung von Jakob Goldfließ präsentierten die Jüdischen
Künstlerspiele Abende, die Zionismus, jüdische Identität und
Antisemitismus thematisieren. Der Spielplan war breit
gefächert, sowohl jiddische Revuen mit zionistischer Tendenz
von Abisch Meisels als auch anspruchsvolle Dramen wie Arnold
Zweigs Drama über eine antisemitische Ritualmordlegende "Die
Sendung Semaels" mit Leo Reuss in einer deutsch-jiddischen
Inszenierung gelangten zur Aufführung. Außer ansässigen
Schauspielern wie Mina Deutsch, Paula Dreiblatt, Dolly
Nachbar und Benzion Sigall traten in den Künstlerspielen
Gäste aus „Ost und West“ auf, besonders beliebt waren die
Gastspiele der Siegler-Pastor Truppe aus Rumänien mit ihrem
Star Sevilla Pastor. Ernste Theaterkunst boten Paul Baratoff
in August Strindbergs „Der Vater“, auch Schauspieler wie
Hans Moser traten dort auf.
Es gab Gastspiele berühmter jiddischer Theatertruppen aus
Budapest, Warschau, Wilna und Galizien sowie das
Moskauer Jüdische Kammertheater unter der Leitung von Alexis
Granowski (1928), Maurice Schwartz und sein Jüdisches
Kunsttheater aus den USA (1924 und 1936) und Aufführungen
des berühmten Ensembles der Habima mit Regisseur Jewgeni
Bagrationowitsch Wachtangow aus der UdSSR, das anlässlich
einer Europatournee im Februar 1938 in Wien auftreten
wollte. Wie schon zuvor 1926 und 1928 wollte das hebräische
Ensemble an einem großen Wiener Theater spielen, wurde
jedoch überall abgewiesen und musste mit den kleinen
Jüdischen Künstlerspielen im Nestroyhof vorlieb nehmen. Nach
einigen Vorstellungen brach Habima ihr Gastspiel verfrüht ab
und verließ Ende Februar 1938 Wien.
1938 wurde der Nestroyhof von der damaligen Besitzerin, Anna
Stein, von den Nationalsozialisten übernommen, 1940 arisiert
und an die Industriellenfamilie Polsterer vergeben.
Nachkriegszeit: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde
im Gebäude zwischenzeitlich wieder das Nestroy Kino
betrieben, das später zu einem Kaffeehaus umgebaut wurde.
Ein Restitutionsverfahren im Jahr 1952 führte zu einem
umstrittenen Ausgleich. Die Erben verzichteten auf
Rückstellung, die Familie Polsterer zahlte einen
Kostenbeitrag von 3500 Schilling. Eine Wiederherstellung des
im Krieg beschädigten Hauses fand unter Einbeziehung
staatlicher Förderungen 1956/57 statt. Die ursprünglich im
ägyptischem Stil gebaute "Sphinx"-Bar im Keller ist bis
heute nicht revitalisiert worden.
In den ebenerdigen Festsälen war bis in die sechziger Jahre
die Tischlerei Bartosch untergebracht. Danach wurden die
Räumlichkeiten von einem Supermarkt verwendet. Ab 1997 waren
die Räumlichkeiten verlassen und für Besucher nicht
zugänglich.
Theater Nestroyhof Hamakom: 2003 wurde eine
Zwischendecke entfernt und dabei ein unversehrtes, zentrales
Auditorium und eine Theaterbalkon-Ebene für mehr als 250
Personen entdeckt. Zwischen 2004 und 2007 fanden in
unregelmäßigen Abständen kulturelle Veranstaltungen statt.
Diese kulturelle Nutzung konnte mit einem Präkariatsrecht,
das einer der Miteigentümer gegen die Interessen der
Mehrheitseigentümer erwirkt hatte, ermöglicht werden. 2007
wurde das Stück "Die verlassene Dido" von Markus Kupferblum
hier uraufgeführt und erhielt den Nestroy-Theaterpreis als
Beste Off-Produktion des Jahres. 2007 wurde das
Präkariatsrecht aufgrund größer werdender finanzieller
Schwierigkeiten aufgegeben, eine kommerzielle Nutzung als
Geschäftsfläche stand wieder im Raum.
Im Mai 2008 startete eine neue Initiative unter Einbeziehung
des Minderheitseigentümers, die eine unbefristete kulturelle
Nutzung der Theaterräume zum Ziel hatte. Die Gruppe Theater
Nestroyhof Hamakom (ha Makom = hebräisch für „Der Ort“)
unter der Leitung von Frederic Lion und Amira Bibawy
erstellte ein Konzept zur Bespielung des Hauses und
erreichte eine städtische Kultur-Förderung von 2009 bis
2013. Auch die Restaurierung des Theaters zählte zum Ziel
der Gruppe, wofür die Stadt Wien einen Baukostenzuschuss
gewährte.
Nach Beendigung der Sanierungsarbeiten am Gebäude im Herbst
2009 ging das Theater Nestroyhof Hamakom vom provisorischen
in den regulären Theaterbetrieb über. Außerdem sind unter
anderem Ausstellungen und Lesungen geplant.
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Günter Nikles
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