Person - Adele Sandrock
Adele Caroline Sandrock, auch Adèle Caroline Sandrock (* 19. August 1863 in Rotterdam; † 30. August 1937 in Berlin), war eine niederländisch-deutsche Schauspielerin.
Anfänge: Adele Sandrock war das dritte Kind des deutschen Kaufmanns Eduard Othello Sandrock (1834–1897) und der niederländischen Schauspielerin Johanna Simonetta ten Hagen (1833–1917). Die Eltern hatten am 20. Dezember 1860 in Amsterdam geheiratet, doch kam das erste Kind
Wilhelmine Sandrock bereits am 5. Februar 1861 in Rotterdam zur Welt. Adele wuchs mit
Wilhelmine und dem Bruder Christian Sandrock (1862–1924) in Rotterdam auf und, nachdem die Ehe der Eltern am 15. November 1869 in Rotterdam geschieden worden war, ab 1870 in Berlin, wo man eine Wohnung in der Kurfürstenstraße (Berlin-Tiergarten) Nr. 144 bezog.
Als junges Mädchen interessierte sich Adele kaum für die Schule. Sie liebte wie ihre Mutter das Theater und wurde wegen unentschuldigten Fehlens sogar der Schule verwiesen. Mit fünfzehn Jahren debütierte sie 1878 am Berliner Vorstadttheater Urania unter dem Namen Frl. d'Artoit in der Rolle der Selma im Lustspiel Mutter und Sohn von Charlotte Birch-Pfeiffer.
In einem Theater in Berlin lernte sie die Meininger kennen und war von deren Spielweise fasziniert. Sie fuhr mit geliehenem Geld nach Meiningen, sprach dort die Rolle der Luise in Schillers Kabale und Liebe vor und erhielt einen Dreijahresvertrag. Danach folgten weitere Engagements unter anderem in Moskau, Wiener Neustadt, Budapest. Auch Adolph L’Arronge, Theaterdirektor und Stückeschreiber, war von ihrem Talent angetan.
Wien und Berlin: Der Durchbruch gelang ihr 1889 mit der Hauptrolle der Isabella in Der Fall Clémenceau von Alexandre Dumas und Armand d’Artois im Theater an der Wien. Zu ihren Stärken zählten von Anfang an moderne Rollen (Henrik Ibsen, Arthur Schnitzler).
Von 1889 bis 1895 spielte sie am Deutschen Volkstheater in Wien. Sie lernte 1893 den Dichter Arthur Schnitzler kennen und unterhielt mit ihm eine enge Beziehung, zwei Jahre lang waren die beiden ein Liebespaar. Die Beziehung war von Launen und von einem beständigen Wechsel der Einstellungen geprägt. In seinen Werken Reigen, Halbzwei und Haus Delorme verwendete Schnitzler seine Erinnerungen an Adele Sandrock. Ihr intimer Briefwechsel erschien 1975 als Buch.
In Wien wurde Sandrock zum Bühnenstar, sorgte aber sorgte durch ihr turbulentes Privatleben und ihre Vertragsbrüche für einige Skandale. Mit dem Schriftsteller Alexander Roda Roda war sie vorübergehend verlobt. Von 1895 bis 1898 war sie wie ihre ältere Schwester
Wilhelmine Sandrock am
Burgtheater tätig. Über ihren Abgang schreibt Hugo Thimig am 16. Oktober 1898 in seinem Tagebuch: „Wir haben zur Abwechslung wieder eine Sandrock-Affäre. Adelchen, das wahrscheinlich günstige Anträge aus Berlin hat, will fort und macht auf lügenhafter Basis Scandal. Sie behauptete in Schnitzler's ‚Vermächtniß‘ die Mutter der Hohenfels zugetheilt erhalten zu haben. Sie bekam aber eine Dame von 36 Jahren, Mutter der Medelsky (die sie in ‚Wildente‘ ja auch schon war), und der noch ein Verhältniß zu einem jüngeren Manne zugetraut wird. Dann ist sie wüthend, daß sie die ‚Jungfrau‘ nicht spielt! Das braucht bei einem Blick auf Frl. Sandrock keines weitern Commentars.“ Und am 20. Oktober: „Frl. Adele Sandrock wurde auf ihr rüdes Ansuchen aus dem Verband des
Burgtheaters entlassen. Trotz ihres starken Talentes war sie kein Gewinn für uns.“ Nach einer Europatournee wirkte sie von 1902 bis 1905 erneut am Deutschen Volkstheater in Wien, konnte aber an ihre früheren großen Erfolge nicht mehr anknüpfen.
1905 zog sie nach Berlin, wo sie bis 1910 am Deutschen Theater von Max Reinhardt spielte. Seit dieser Zeit gab es einen Knick in ihrer Karriere.
Filmstar: Ab 1911 übernahm sie erste Rollen in Stummfilmen. 1920 feierte sie auf der Bühne erstmals wieder größere Erfolge und spielte vor allem in Komödien (z. B. von Oscar Wilde) mit starkem Pathos die komische Alte, prägte den Typus der starrköpfigen Schwieger- bzw. Großmutter oder der tyrannischen alten Dame. Im Tonfilm konnte sie ab 1930 ihr komisches Talent voll ausleben und wurde für die Nachwelt dadurch berühmter als durch ihre erfolgreichen Theaterrollen. Ihrer markanten blechern tiefen Stimme wegen wurde sie auch „der General“ genannt.
Lebensende und Beisetzung: Zu Adele Sandrock hielten besonders in ihren späteren Jahren sehr viele hochgestellte Persönlichkeiten Kontakt, so auch der große Theaterliebhaber Zar Ferdinand I. von Bulgarien. Zeitlebens unverheiratet, lebte sie bis zuletzt zusammen mit ihrer Schwester
Wilhelmine in einer Wohnung in Berlin-Charlottenburg, Leibnizstr. 60. Dort starb sie am 30. August 1937 an den Spätfolgen eines Oberschenkelhalsbruchs, den sie im April 1936 erlitten hatte (er wurde chirurgisch in der Charité von Ferdinand Sauerbruch versorgt, mit dem sie sich duzte) und von dem sie sich nie mehr erholte. Am 4. September 1937 fand im Berliner Theater in der Saarlandstraße eine offizielle Trauerfeier statt, nach der im Beisein von
Wilhelmine Sandrock die Überführung des Sarges nach Wien erfolgte. Der aus drei Wagen bestehende Überführungskondukt machte auf seinem Weg von Berlin nach Wien am 6. September 1937 auf dem Hauptplatz in Linz für eine Stunde Station, was die Aufmerksamkeit zahlreicher Passanten hervorrief.
Bei der öffentlichen Aufbahrung am 7. September in der Kirche des
Matzleinsdorfer Friedhofs in Wien stand auf dem Katafalk neben Adeles Sarg ein zweiter, der die Gebeine des Vaters, der Mutter sowie der Tante enthielt, die bis zu ihrer Exhumierung am Vortag in einem Familiengrab bestattet gewesen waren. Gemäß letztwilliger Verfügung von Adele Sandrock waren ihr Vater und ihre Mutter (40 bzw. 20 Jahre zuvor verstorben) neben ihr in einer von
Wilhelmine Sandrock angekauften Gruft beizusetzen.
Bei der geladenen Gästen vorbehaltenen Beerdigungsfeier am 8. September 1937 waren neben Vertretern des offiziellen Österreichs, des Deutschen Reichs und der Niederlande aus dem künstlerischen Leben u. a. Else Wohlgemuth, Otto Tressler, Paul Morgan und Jack Trevor zugegen. Exkaiser Wilhelm und Reichskanzler Hitler hatten Kränze geschickt. Auf Adeles Sarg lag ein großes Blumenkreuz mit der Inschrift: „Ich war Dir treu bis in den Tod, Deine Dich liebende Schwester Wilhelmine“. Am Grabe sprachen u. a. Burgtheaterdirektor Hermann Röbbeling, Ernst Nadherny, Josefine Kramer-Glöckner und Heinz Hanus Worte des Gedenkens.
Die Lage der Grabstelle auf dem Friedhof ist beschrieben mit Gruppe 18, Gruft 165 (
Evangelischen Friedhof Matzleinsdorf).
Nachruhm: Adele Sandrock ist bis heute vielen Kino- und Theaterfreunden ein Begriff und steht in einer Reihe mit anderen großen Volksschauspielern, wie Heinz Rühmann oder Hans Moser. Andere Schauspielerinnen ähnlichen Typs werden oft mit ihr verglichen. So nannte man die vergleichbar exzentrische britische Schauspielerin Margaret Rutherford in Deutschland oft die „englische Adele Sandrock“.
Nach Adele Sandrock sind u. a. Straßen (z. B. die Adele-Sandrock-Straße in Berlin-Hellersdorf) benannt worden. In den 1960er und 1970er Jahren produzierte das Adele-Sandrock-Studio Baden-Baden u. a. literarische Sprechplatten.
In einer Sonderausstellung vom Oktober 1997 bis Januar 1998 dokumentierten die Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim Leben und Wirken der Schauspielerin.
Veröffentlichungen:
Adele Sandrock und Robert Eysler: Vergeltung. Schauspiel in vier Aufzügen. Als Manuskript vervielfältigt, A. Entsch, Berlin 1900.
Adele Sandrock: Aus meinem Leben. In: An der schönen blauen Donau, 1890, H. 6, S. 137–138. Online
Liste der Bühnenrollen:
Alexandre Dumas der Jüngere
Die Kameliendame (Rolle der Marguerite Gautier)
Francillon (Rolle der Francillon)
Alexandre Dumas der Jüngere und Armand d’Artois, Der Fall Clémenceau (Rolle der Isabella)
Johann Wolfgang von Goethe, Egmont (Rolle der Margarete von Parma)
Franz Grillparzer
Sappho (Rolle der Sappho)
Medea (Rolle der Medea)
Henrik Ibsen, Rosmersholm (Rolle der Rebekka West)
Heinrich Laube, Graf Essex (Rolle der Lady Nottingham)
Gotthold Ephraim Lessing, Emilia Galotti (Rolle der Emilia und der Orsina)
Victorien Sardou
Zaza (Rolle der Zaza)
Feodora (Rolle der Feodora)
Friedrich Schiller
Kabale und Liebe (Rolle der Luise und der Lady Milford)
Maria Stuart (Rolle der Maria Stuart)
Arthur Schnitzler
Das Märchen (Rolle der Fanny Theren)
Liebelei (Rolle der Christine)
William Shakespeare, Richard III. (Rolle der Anna)
Hermann Sudermann, Heimat (Rolle der Magda)
Frank Wedekind, Die Büchse der Pandora (Rolle der Gräfin Geschwitz)
Oscar Wilde, Bunbury (Rolle der Lady Bracknell)
Filmografie (Auswahl):
1911: Marianne, ein Weib aus dem Volke
1915: Die Beichte einer Verurteilten
1916: Passionels Tagebuch
1917: Unsühnbar
1919: Malaria
1919: Der Galeerensträfling
1919: Gebannt und erlöst
1920: Die letzten Kolczaks
1920: Der verlorene Schatten
1920: Patience
1920: Der siebente Tag
1920: Herztrumpf
1920: Das Haupt des Juarez
1920: Exzellenz Unterrock
1920: Manolescus Memoiren
1921: Das Haus in der Dragonergasse
1921: Der verlorene Schatten
1921: Marizza, genannt die Schmugglermadonna
1921: Verlogene Moral
1921: Das goldene Netz
1921: Grausige Nächte
1921: Die schwarze Pantherin
1921: Der Roman der Christine von Herre
1921: Violet
1921: Die Schuld des Grafen Weronski
1921: Lady Hamilton
1921: Kinder der Finsternis
1922: Die siebente Nacht
1922: Herzog Ferrantes Ende
1922: Die Tänzerin Navarro
1922: Dr. Mabuse, der Spieler
1922: Lucrezia Borgia
1923: Der Absturz
1923: Die Magyarenfürstin
1923: Die Prinzessin Suwarin
1923: Die Liebe einer Königin
1923: Der Hof ohne Lachen
1923: Alt-Heidelberg
1924: Helena
1924: Die Radio-Heirat
1924: Die Fahrt ins Verderben
1924: Die Schmetterlingsschlacht
1925: Aschermittwoch
1925: Das Mädchen mit der Protektion
1926: Deutsche Herzen am deutschen Rhein
1926: Trude, die Sechzehnjährige
1926: Nixchen
1926: Die vom Schicksal Verfolgten
1926: Die Waise von Lowood
1927: Der Himmel auf Erden
1927: Die Geliebte
1927: Die leichte Isabell
1927: Der Meister von Nürnberg
1927: Die drei Niemandskinder
1927: Frühere Verhältnisse
1927: Ein rheinisches Mädchen beim rheinischen Wein
1927: Die rollende Kugel
1927: Arme kleine Siff
1927: Das Mädchen mit den fünf Nullen
1927: Im Luxuszug
1927: Die Stadt der tausend Freuden
1927: Königin Luise
1927: Feme
1927: Deutsche Frauen – Deutsche Treue
1928: Sechs Mädchen suchen Hauptquartier
1928: Die Durchgängerin
1928: Lotte
1928: Der Ladenprinz
1928: Leontines Ehemänner
1928: Mary Lou
1928: Kaczmarek
1928: Serenissimus und die letzte Jungfrau
1928: Die Zirkusprinzessin
1929: Verirrte Jugend
1929: Aufruhr im Junggesellenheim
1929: Der Erzieher meiner Tochter
1929: Die Drei um Edith
1929: Fräulein Else
1929: Katharina Knie
1930: Donauwalzer
1930: Der Nächste, bitte
1930: Skandal um Eva
1930: Die große Sehnsucht
1930: Die zärtlichen Verwandten
1930: Ein Walzer im Schlafcoupé
1930: 1000 Worte Deutsch
1930: Eine Freundin so goldig wie Du
1930: Seitensprünge
1930: Die Königin einer Nacht
1930: Ihre Majestät die Liebe
1931: Walzerparadies
1931: Die Försterchristel
1931: Der Schrecken der Garnison
1931: Die Schlacht von Bademünde
1931: Die schwebende Jungfrau
1931: Der verjüngte Adolar
1931: Jeder fragt nach Erika
1931: Keine Feier ohne Meyer
1931: Strohwitwer
1931: Der Kongreß tanzt
1932: Goldblondes Mädchen, ich schenk' Dir mein Herz – Ich bin ja so verliebt...
1932: Ein steinreicher Mann
1932: Der Sieger
1932: Einmal möcht' ich keine Sorgen haben
1932: Ein toller Einfall
1932: Ballhaus goldenen Engel
1932: Das schöne Abenteuer
1932: Ich will nicht wissen, wer Du bist
1932: Liebe, Scherz und Ernst
1932: Friederike
1932: Der tolle Bomberg
1932: Die Liebe auf den ersten Ton
1932: Der große Bluff
1932: Der verliebte Blasekopp
1932: Kaiserwalzer/Audienz in Ischl
1933: Eine Frau wie Du
1933: Die Tochter des Regiments
1933: Morgenrot
1933: Kleines Mädel – grosses Glück
1933: Glückliche Reise
1933: Es knallt
1934: Der Flüchtling aus Chicago
1934: Zigeunerblut
1934: Die Töchter ihrer Exzellenz
1934: Die englische Heirat
1934: Ein Walzer für dich
1934: Gern hab' ich die Frau'n geküsst
1934: Ich sing' mich in Dein Herz hinein
1934: Der Fall Brenken
1934: Da stimmt was nicht
1934: Der Herr Senator
1934: Ich sehne mich nach Dir
1934: Der letzte Walzer
1934: Alles hört auf mein Kommando
1934: Der Herr ohne Wohnung
1934: Frühjahrsparade
1935: Petersburger Nächte. Walzer an der Newa
1935: Amphitryon – Aus den Wolken kommt das Glück
1935: Alle Tage ist kein Sonntag
1935: Ein falscher Fuffziger
1935: Der Himmel auf Erden
1935: Der blaue Diamant
1935: Der Taler der Tante Sidonie
1935: Eva
1935: Mach' mich glücklich
1935: Der Kampf mit dem Drachen
1935: Der Gefangene des Königs
1935: Ich liebe alle Frauen
1935: Ein Teufelskerl
1935: Knox und die lustigen Vagabunden
1935: Es waren zwei Junggesellen
1935: Die Gesangsstunde
1935: Kirschen in Nachbars Garten
1936: Der schüchterne Casanova
1936: Rendezvous in Wien
1936: Die große und die kleine Welt
1936: Engel mit kleinen Fehlern
1936: Flitterwochen
1936: Skandal um die Fledermaus
1936: Die Puppenfee
1936: Der Favorit der Kaiserin
Tondokumente:
Odeon O-11 859 a und b (mxx. Be 10 304 und 10 305-2) Tante Adele auf dem Witwenball, 1. und 2. Teil. Adele Sandrock mit Alexa von Porembsky und Hubert von Meyerinck. Aufgen. in Berlin, April 1933.
“Tante Adele auf dem Witwenball” ist die einzige Schallplattenaufnahme der Komödiantin bei Odeon, die regulär in den Handel kam.
Hörspiele über ihre Beziehung zu Arthur Schnitzler:
1985: Arthur Schnitzler, Adele Sandrock: Dir mit Leib und Seele – Du Hund! – Bearbeitung und Regie: Friedhelm Ortmann (Hörspielbearbeitung – ORF/WDR) – Erstsendung: 22. September 1985 | 89'36 Minuten | Sprecher: Elisabeth Trissenaar, Helmuth Lohner
1995: Arthur Schnitzler, Adele Sandrock: ?Ich Dich ewig! – Adele Sandrock und Arthur Schnitzler. Ein Hörspiel aus Briefen, Telegrammen und Tagebüchern – Regie: Renate Heitzmann (Hörspielbearbeitung – Deutschlandradio) – Erstsendung: 27. Dezember 1995 | 54'20 Minuten | Sprecher: Imogen Kogge (Sandrock), Gerd Wameling (Schnitzler), Ulrich Matthes (Erzähler)
Quelle: Text:
Wikipedia, Bilder: gemeinfrei und www.nikles.net.