Geschichte: Seit 1812 ist der Getreidehandel in
Österreich ein freies Geschäft, Getreide also Handelsware.
Mit der Entwicklung des Handels entstand 1853 die Wiener
Frucht- und Mehlbörse. Diese unterstand vorerst noch dem
Wiener Magistrat und wurde erst am 24. Juni 1869 unabhängig.
Dies war das Geburtsjahr der Wiener Produktenbörse. Dessen
Handel fand vorerst im Café Produktenbörse in der Wiener
Leopoldstadt statt. Mit Anstieg des Handelsumfangs und der
Handelsteilnehmer wurde der Bau eines eigenen Börsegebäudes
beschlossen. Den Auftrag hierzu erhielt 1887 der Architekt
Carl König, der in der Taborstraße unweit des Cafés im Stil
der Neorenaissance das Börsengebäude errichtete. Die
Fertigstellung und der Handelsbeginn erfolgte am 23. August
1890. In lateinischen Lettern wurde der Leitspruch der Börse
in die Fassade gemauert: in usum negotiatorum cuiuscumque
nationis ac linguae („den Kaufleuten aller Völker und jeder
Sprache gewidmet“).
Bis zum Ersten Weltkrieg war die Börse die wichtigste Börse
für landwirtschaftliche Produkte der
österreichisch-ungarischen Monarchie. Nach deren Untergang
und den Jahren der Inflation erlebte der Börsenhandel einen
großen Rückgang, von dem sich die Börse erst Mitte der
20er-Jahre wieder erholte.
1938, nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland, wurde
die Börse geschlossen. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Börse
bei Luftangriffen auf Wien getroffen, wobei der Handelssaal
ausbrannte. Nach Kriegsende wurde mit dem Wiederaufbau
begonnen. Am 10. November 1948 erfolgte die
Neukonstituierung der Börsekammer und am Mittwoch, dem 29.
Juli 1949 wurde die erste Börseversammlung nach Kriegsende
im wiederinstandgesetzten Börsegebäude in der
Taborstraße
abgehalten. Die Börse war nun allerdings aufgrund des
Marktordnungsgesetzes, das die Preisfestsetzung durch die
Sozialpartnerschaft bestimmte, weitgehend bedeutungslos. Sie
diente lediglich als wöchentlicher Treffpunkt der
wichtigsten Marktteilnehmer. Ab den 1980er-Jahren wurde der
große Saal vom Odeon Theater genutzt.
Mit dem Beitritt Österreichs zur EU 1995 musste das
Marktordnungsgesetz aufgehoben werden. Die Produktenbörse
setzte sich wieder zusammen und nahm ihre Funktion als Ort
der Richtpreisfindung durch die wichtigsten Marktteilnehmer
wieder auf.
Die Wiener Produktenbörse war maßgeblich an der Anfertigung
eines einheitlichen italienisch-österreichisch-deutschen
Musterkontraktes für den Getreidehandel beteiligt.
Handelswaren: Tatsächlicher Handel findet an der Produktenbörse nicht statt. Es werden jedoch zum Zwecke der Richtpreisfindung der gehandelten Waren Geschäftsabschlüsse ab einem gewissen – je nach Ware unterschiedlich hohen, in der Regel mindestens 100 Tonnen – Mindestumfang aufgezeichnet. Der Börsenverkehr umfasst im Wesentlichen alle in der Region angebauten landwirtschaftlichen Rohstoffe und Halbfertigprodukte, die zur menschlichen und tierischen Ernährung dienen. Vom Börsenverkehr ausgeschlossen sind forstwirtschaftliche Erzeugnisse, Gewürze, Kräuter sowie zur Herstellung von Geweben und Gespinsten dienende Rohstoffe wie Jute. Ebenfalls ausgeschlossen sind fast alle „Kolonialwaren“, also Zucker, Kaffee, Tee, Schokolade, Kakao und dergleichen.
Quelle: Wikipedia, Bilder: Peter Gugerell, gemeinfrei.
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