22. Bezirk - Seestadt Aspern
Die Seestadt Aspern (amtlich auch Aspern Seestadt, Projektname: aspern – Die Seestadt Wiens) ist ein in Bau befindlicher Stadtteil im 22. Wiener Gemeindebezirk,
Donaustadt, und eines der größten Stadtentwicklungsprojekte Europas der 2010er Jahre. Über einen Zeitraum von rund 20 Jahren soll ein neuer Stadtteil entstehen, in dem über 20.000 Menschen wohnen und arbeiten sollen. Die erste von drei Entwicklungsetappen konzentriert sich auf den Süden des Stadtteils und soll 2020 abgeschlossen sein.
Lage: Die Seestadt liegt etwa sieben Kilometer östlich der
Innenstadt, am linken Donauufer, schon am Rand des Marchfelds.
Das Areal wird folgendermaßen umgrenzt:
Im Norden von der Marchegger Ostbahn, die seit 1870 die (derzeit stündlich bediente) Verbindung zwischen Wien und Bratislava bildet und lange Zeit vom legendären Orientexpress benützt wurde. Die hier angelegte Verkehrsstation Wien Aspern Nord bietet seit Oktober 2013 U-Bahn-Verkehr (Linie U2) ins Zentrum Wiens und seit Dezember 2018 S-Bahn-Verkehr der ÖBB (Linie S80) zum Wiener Hauptbahnhof sowie Regionalzüge.
Nördlich dieses Geländes entstand seit 2014 als weiteres städtisches Großprojekt ein Erholungsraum, der Norbert-Scheed-Wald.
Im Osten schließen jenseits des Josefine-Hawelka-Wegs bzw. der Cassinonestraße Siedlungen des seit 1938 zu Wien zählenden Stadtranddorfes
Essling an.
Im Süden schließt an das Areal das ausgedehnte Werksgelände von Opel Wien an, das an der
Aspern und
Essling verbindenden Groß-Enzersdorfer Straße (Buslinie 26A) liegt.
Im Westen schließt jenseits der Johann-Kutschera-Gasse die zu
Aspern zählende Stadtrandsiedlung an das Areal an.
Die 2009 offiziell genannte Fläche der Seestadt von rund 240 Hektar hält kritischer Überprüfung nur stand, wenn das Ende einer Jahrzehnte langen Entwicklung angepeilt wird. Derzeit gehen die konkreten Planungen von einer kleineren Fläche aus.
Geschichte: Das Areal nordöstlich des historischen Dorfes
Aspern im Marchfeld wurde nach einem künstlichen See in der Mitte des Entwicklungsgebiets benannt.
Auf dem ehemaligen
Flugfeld Aspern, Wiens Flugplatz der Zwischenkriegszeit, sollen bis zum Jahr 2028 etwa 10.500 Wohnungen für 20.000 Menschen errichtet werden. Weiters sollen Betriebsstätten für 15.000 Büroarbeitsplätze sowie 5.000 Arbeitsplätze in Gewerbe, Wissenschaft, Forschung und Bildung entstehen.
Für die Entwicklung und Verwertung ist die Wien 3420 Aspern Development AG zuständig, eine Immobilienentwicklungsgesellschaft, die im Dezember 2004 als Tochterfirma der Wirtschaftsagentur Wien, eines Fonds der Stadt Wien (73,6 %), und der Bundesimmobiliengesellschaft (26,4 %) gegründet wurde. Die Planung erfolgt im Einvernehmen mit den zuständigen Magistratsabteilungen der Stadtverwaltung und den Wiener Linien, der Verkehrsgesellschaft der Stadt Wien.
Der Begriff 3420 wurde aus den Winkelsekunden-Stellen der geografischen Lage des Zentrums des 240 Hektar großen Projektgebiets gebildet: 48° 13' 34? Nord und 16° 30' 20? Ost. Da benachbarte Meridiane auf 48° Breite nur mehr 2/3 ihrer ursprünglichen Entfernung am Äquator haben, liegen die Orte, für die diese GPS-Daten sekundengenau gelten, näherungsweise auf einem Rechteck von 31 m Seitenlänge in N-S-Richtung und 21 m in W-O-Richtung.
Stadtplanung: Das städtebauliche Konzept der Seestadt ist auf die Durchmischung von Funktionen ausgerichtet, es soll keine reine Wohnnutzung oder Gewerbenutzung geben. Dadurch soll eine Schlafstadt vermieden und im Tagesverlauf durchgehende Belebung erzielt werden. Der Masterplan für die Seestadt wurde vom schwedischen Architekten Johannes Tovatt erstellt und am 25. Mai 2007 vom Wiener Gemeinderat einstimmig beschlossen. Wesentliche Inhalte sind die funktionale Anordnung von Nutzungen und die räumliche Ausgestaltung kleiner wie auch großer städtebaulicher Gesten zu einem urbanen Gesamtkonzept.
Öffentlicher Raum: Die geografische Mitte der Seestadt bildet ein fünf Hektar großer See in einem zusammen neun Hektar großen Park. Der See wird aus Grundwasser gespeist. Der öffentliche Raum – also Straßen, Plätze und Parks – nimmt 50 % der Gesamtfläche dieses Stadtentwicklungsgebiets ein.
Um den öffentlichen Raum für die Menschen, die in der Seestadt wohnen und arbeiten sollen, attraktiv zu gestalten, wurden die dänischen Freiraumplaner Gehl Architects von der Wien 3420 AG und der Magistratsabteilung 19 (Architektur) mit der Erstellung eines Planungshandbuchs für den öffentlichen Raum (einer „Partitur des öffentlichen Raums“) beauftragt. Dem Planungshandbuch liegt der Gedanke zugrunde, dass öffentliches Leben ein kostbares Gut ist, das es zu konzentrieren gilt. Deshalb haben Gehl Architects besonders wichtige Achsen in der Seestadt herausgearbeitet: die Ringstraße als Hauptverkehrsachse, die den Namen Sonnenallee erhalten hat, die Rote Saite (Einkaufsstraße, Kultur), die Blaue Saite (Seepark und Promenade) und die Grüne Saite (Grünflächen, Naherholungsflächen).
Bis 2015 wurden drei Parks mit einer Fläche von zusammen acht Hektar errichtet, der zentrale Seepark, der Yella-Hertzka-Park und der Hannah-Arendt-Park (Spatenstich 26. Mai 2014). Die um den letzteren laufenden verkehrsberuhigten Straßen tragen den Namen Hannah-Arendt-Platz.
Bauphasen: Die Errichtung der Seestadt Aspern soll bis 2028 in drei Etappen erfolgen:
Etappe 1 (2009 bis 2017): Die Entwicklungsgesellschaft Wien 3420 Aspern Development AG errichtet die Grünräume sowie die technische Infrastruktur (Straßen, Kanal usw.) und leistet damit den Anschub für die Entwicklung der Seestadt. Im ersten großflächigen Ausbau im südwestlichen Teil der Seestadt entsteht ein gemischtes Quartier mit ca. 2.600 Wohneinheiten, Büros, Handels- und Dienstleistungsunternehmen sowie Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen. Das große Volumen soll die Nahversorgung und den angestrebten Nutzungsmix von Beginn an sicherstellen. Im Oktober 2013 sind die U-Bahn-Stationen Aspern Nord am Nordrand des Gebiets und Seestadt als Endstation der Linie U2 im Süden eröffnet worden. In diese Etappe fällt ebenso der Aufbau eines F&E-Parks (Forschung und Entwicklung). Als erstes Impulsprojekt entsteht dort ein Innovationsquartier (Technologiezentrum), für das ein Realisierungswettbewerb gestartet wurde. Mit dem aspern IQ wurde 2012 der erste Ansiedlungskern erstellt. Im September 2014 wurden die ersten Wohnungen den Eigentümern und Mietern übergeben. Am Hannah-Arendt-Platz wurden 18 Wohneinheiten an Mitglieder der Baugruppe „JAspern“, die unter Architekt Fritz Oettl den Wohnblock von Anfang an mitplanten, übergeben. 2015 wurden hier weitere Baugruppenhäuser bezogen, 2017 folgte mit Que[e]rbau das erste queere Baugruppenhaus Wiens.
Etappe 2 (2017 bis 2022): Der Bahnhof Aspern Nord sowie die Verbindung mit der Autobahn A 23 durch eine leistungsfähige Stadtstraße und die Spange S 1 werden fertiggestellt. Weitere Wohn- und Mischquartiere (darunter auch Baugruppenprojekte) und das Bahnhofs- und Büroviertel entstehen.
Etappe 3 (ab 2022): An den Bahnhof, die Einkaufsstraße und die U-Bahn-Trasse angrenzende Gebiete werden weiter verdichtet, der Nutzungsmix wird weiter verbessert.
Sonstiges: Im Februar 2015 wurde bekannt, dass die Kerbler-Gruppe in der Seestadt Aspern das bis dato höchste Holzhaus der Welt errichten möchte (HoHo Wien). Am 12. Oktober 2016 erfolgte der Spatenstich.
In der Seestadt findet seit 6. Juni 2019 ein Testbetrieb für autonom fahrende Elektrobusse statt.
Straßennamen: Da nach Frauen benannte Straßen in Wien stark unterrepräsentiert sind, benennt die Stadt Wien seit Beginn des 21. Jahrhunderts
vermehrt Verkehrsflächen nach Frauen. Dieser Trend macht sich in der Seestadt Aspern besonders bemerkbar, bis Mitte 2022 wurden hier 51 Straßen nach Frauen benannt:
Am-Ostrom-Park,
Ada-Lovelace-Straße,
Agnes-Primocic-Gasse,
Anna-Bastel-Gasse,
Anna-Müller-Straße,
Anna-Plischke-Platz,
Antonia-Bruha-Gasse,
Barbara-Prammer-Allee,
Beatrix-Kempf-Gasse,
Christine-Touaillon-Straße,
Doris-Lessing-Allee,
Edith-Piaf-Straße,
Eileen-Gray-Gasse,
Ella-Lingens-Straße,
Frenkel-Brunswik-Gasse,
Emmi-Pikler-Straße,
Eva-Maria-Mazzucco-Platz,
Franziska-Seidl-Straße,
Georgine-Steininger-Weg,
Gertrud-Bodenwieser-Gasse,
Gisela-Legath-Gasse,
Hannah-Arendt-Platz,
Hermine-Dasovsky-Platz,
Ilse-Aichinger-Gasse,
Ilse-Arlt-Straße,
Ilse-Buck-Straße,
Jane-Jacobs-Weg,
Janis-Joplin-Promenade,
Josefine-Hawelka-Weg,
Karoline-Perin-Gasse,
Käthe-Recheis-Gasse,
Lella-Lombardi-Gasse,
Lilly-Dillenz-Straße,
Lina-Bo-Bardi-Platz,
Schenk-Danzinger-Gasse,
Lydia-Sicher-Gasse,
Maria-Merian-Gasse,
Maria-Potesil-Gasse,
Maria-Trapp-Platz,
Maria-Tusch-Straße,
Maxie-Wander-Gasse,
Mela-Köhler-Straße,
Mela-Spira-Gasse,
Mimi-Grossberg-Gasse,
Sabine-Oberhauser-Straße,
Simone-de-Beauvoir-Platz,
Susanne-Schmida-Gasse,
Trude-Fleischmann-Gasse,
Trude-Mally-Weg,
Wangari-Maathai-Platz,
Zaha-Hadid-Platz.
Elinor-Ostrom-Park
Hannah-Arendt-Park
Madame-d’Ora-Park
Pippi-Langstrumpf-Park
Yella-Hertzka-Park
Siehe auch:
Amtshaus der Seestadt Aspern
Brunnen am Eva-Maria-Mazzucco-Platz
Brunnen am Simone-de-Beauvoir-Platz
Seepark Fußgängersteg 1
Jane-Jacobs-Steg
Flederhaus
Eine seltene Ausnahme eines männlichen Namensgebers für neue Verkehrsflächen in der Seestadt ist der Nelson-Mandela-Platz,
eine weitere Ausnahme ist der nach dem Ehepaar Mina und Otto Kuttelwascher benannte Kuttelwascherweg.
Außerdem sind mit dem
Yella-Hertzka-Park,
dem Madame-d'Ora-Park und dem Hannah-Arendt-Park (derzeit) drei Parks in der Seestadt nach Frauen benannt
(in Zukunft auch Elinor-Ostrom-Park und
Pippi-Langstrumpf-Park).
Kulturelles und Mediales: Am 15. Februar 2014 fand auf der Baustelle der Seestadt Aspern die Kunstaktion Kranensee – ein Ballett der Kräne statt. Es wurden einige der 42 damals aufgebauten Turmdrehkräne und eine Betonpumpe mit verschiedenfarbigen Scheinwerfern bestückt, die zu eigens komponierter orchestraler Musik leuchteten, 15 Kräne waren mit Kranführern besetzt, die die Ausleger zur Musik passend drehten.
Die Seestadt Aspern ist Schauplatz des 2016 erschienenen Kriminalromans Seestadt von Fritz Lehner.
Quelle: Text:
Wikipedia, Bilder: www.nikles.net