Das Alter des Namens reicht in das zwölfte Jahrhundert
zurück. Es schenkte im Jahre 1194 Herzog Friedrich I. von
Österreich, aus dem Stamme Babenberg - beigenannt der
Katholische -, einige Wiesen dieser Au einem adligen
Geschlechte, de Prato, und diese Familie stritt noch im
Jahre 1329 mit anderen um den Besitz der nach ihr genannten
Au. Sie schrieb sich später Prater und nahm von den Wiesen
ihres Besitztums noch den zweiten Beinamen "von Wiesen" an,
unter welchem sich dieses Geschlecht ferner in Österreich
fortpflanzte.
Zu vorerwähnter Zeit war diese Gegend Eigentum des
jeweiligen Landesfürsten, im dreizehnten Jahrhundert erhielt
das Stift Klosterneuburg einen Teil davon. Die Stadt Wien,
einige geistliche Institute besaßen ebenfalls Gründe
daselbst. Während der Anwesenheit der Ungarn unter Matthias
Corvinus (1484) wurde der Name dieser Gegend in "Bardea"
verwandelt, doch Kaiser Maximilian I. gab ihr 1505 die
ursprüngliche Benennung zurück.
Im Jahre 1564 gelangte Kaiser Maximilian II., der gewaltige
Jäger und Jagdfreund, derselbe, der auch das Jagdschlösschen
Schönbrunn erbaut hat, zur Regierung und wollte in nächster
Nähe der Residenz sich den Vergnügungen der Jagd hingeben.
Er löste nun einige Teile des Praters ein, nahm andere in
Pacht und verschloss endlich den ganzen Bezirk mit Zäunen
und Planken, und so entstand der kaiserliche Forst.
Bereits in den Jahren 1537 und 1538 waren vom Kaiser
Ferdinand I. die Kastanienalleen angelegt worden, wobei die
jetzige Hauptallee eine Länge von 4734 Meter erhielt und bis
zum Jägerhause (heute "Lusthaus" genannt) führte. Der Grund
zur Jägerzeile (heute Praterstraße) wurde 1569 gelegt, da
Kaiser Maximilian II. auf dem Boden dieser Vorstadt für
seine Jäger kleine Häuser in einer "Zeil" (Reihe) bauen
ließ.
Im Jahre 1592 erging unter Kaiser Rudolf II. in betreff des
Praters das Verbot: "Niemand soll in unserer Au, dem Prater,
zur Sommer- oder Winterzeit gehen, fahren, reiten, hetzen,
jagen oder fischen, ohne Willen des kaiserlichen
Forstknechtes (Hofjägers) Hanns Bengel." - Dieser Förster
entsprach seinem Namen in der Tat, denn er entwickelte gegen
harmlose Naturfreunde, die ihn um die Erlaubnis ersuchten,
sich in den Auen ergehen zu dürfen, eine urwüchsige
Grobheit; gegen solche aber, die ohne Erlaubnis den Prater
betraten, ging er auf die roheste Weise vor.
Der Zwang des Einlasses wurde wohl unter Kaiser Karl VI.
gemildert, aber nur der hohe Adel hatte das Glück, des
Praters Grün, nota bene aus dem Wagen heraus, zu genießen,
am Gesange der Vögel sich zu ergötzen; denn er wurde nur im
Monat Mai für elegante Equipagen geöffnet, wobei es streng
verboten war, aus dem Wagen zu steigen. Der damalige
Forstmeister, Herr Johann Franz Bernrieder, war mit der
Aufsicht betraut, und er bot gerade das Gegenteil vom rohen
"Bengel", denn er zeichnete sich durch so übergroße
Höflichkeit aus, dass, als einst der Erzherzogin Maria
Theresia (der späteren großen Kaiserin) ein prachtvolles
Schoßhündchen aus der Equipage fiel, er dasselbe mit der an
das quietschende Tierchen gerichteten respektvollen
Ermahnung: "Euer Gnaden sollten halt künftig vorsichtiger
sein!" der hohen Herrin in den Wagen reichte. Auf Maria
Theresia machte diese Szene einen so unvertilgbar komischen
Eindruck, dass sie noch in den spätesten Tagen gern diese
Begebenheit erwähnte und sich im vertraulichen Scherze
dieses Ausdruckes als Sprichwort bediente.
Im Jahre 1766 bestimmte aber der unvergessliche
Menschenfreund Kaiser Joseph II. diese Au zu einem
allgemeinen Belustigungsorte und gestattete während der
Sommermonate den Spaziergang in derselben jedermann bis zum
Untergange der Sonne. Erst mit einbrechender Nacht wurde das
Einlassgitter geschlossen, welche Sperre drei Böllerschüsse
dem Publikum verkündeten. Bei der Eröffnung machte ein
Kavalier den Kaiser darauf aufmerksam, dass Seine Majestät
sich jetzt unter das gemeine Volk werde mengen müssen,
worauf der erhabene Schätzer der Menschheit trocken
erwiderte: "Wenn ich stets unter meinesgleichen herumwandeln
wollte, dürfte ich nur in der kaiserlichen Gruft
spazierengehen."
Im Jahre 1775 ließ Joseph II. auch das Gitter niederreißen,
und der Prater war somit zu jeder Jahres- und Tageszeit
zugänglich. Gleich nach dieser allgemeinen Eröffnung war die
schöne Kastanienallee im Hauptteile der Sammelplatz der
besseren Gesellschaft geworden, 1786 wurden dort
Kaffeehäuser angelegt, später ein Panorama errichtet und im
Jahre 1808 der weltberühmte Zirkus de Bach eröffnet.
Die sogenannte Praterfahrt entfaltete schon zur Zeit Kaiser
Josephs ihren üppigsten Flor, aber auch schon damals
erlaubte man sich Unzukömmlichkeiten, insbesondere mit dem
Schnell- und Vorfahren. Ein Bürger, der von einem reichen
Kavalier überfahren worden war, kam zu Kaiser Joseph in den
Kontrollorgang der Burg und zeigte seinen verwundeten Arm.
Der Kaiser fragte, was er für eine Entschädigung begehre.
"Ich bin selbst vermöglich", antwortete der Bürger, "und
verlange bloß, dass der Übermütige einen derben Denkzettel
in öffentlicher Beschämung erhalte, damit andere
seinesgleichen den Bürger besser schonen." - Der Kaiser
erfüllte die Bitte, und von da an fuhr man langsamer.
In dem verhängnisvollen Jahre 1809 war der Prater der
Schauplatz kriegerischer Vorgänge. Am 10. Mai wurden von den
österreichischen Truppen vom Augarten an, über den
sogenannten Schüttel, bis an die Donau Schanzen aufgeworfen,
hohe Bäume umgehauen und zu Verhauen verwendet, die ganze
Linie bis zum Lusthause im Prater mit Kanonen, einem
Bataillon Grenadiere und mit der Landwehrmannschaft besetzt.
Am 11. Mai beorderte Napoleon I., Kaiser von Frankreich, am
Donauarme bei Simmering zwei Kompagnien Voltigeurs, um das
Lusthaus einzunehmen. Vom jenseitigen Ufer wurden Schiffe
geholt, eine Brücke geschlagen, die Kapitäne setzten mit den
Kompagnien über, und es begann nun der Kampf um das Gebäude,
der so hartnäckig geführt wurde, dass es den Franzosen nicht
gelang, den aus Wien abrückenden österreichischen Truppen
den Übergang auf das jenseitige Donauufer abzuschneiden. Im
Jahre 1814 war der Prater der Schauplatz der glänzendsten
Festlichkeiten des Wiener Kongresses.
Ja, wo ist denn der Wurstelprater geblieben? So höre ich
euch, liebe Leser, fragen. Die Geschichte des Wurstelpraters
will ich euch gesondert im nachfolgenden erzählen. Den
Wurstelprater gründete der - Taffern-Micherl.
Was dessen Familie und Herkommen betrifft, hat er einen sehr
interessanten Stammvater. Es lebte derselbe am Hofe des
ersten deutschen Kaisers, Karl des Großen, bei dem er
bedienstet war. Er hieß Änother, auch Einheer, und war
deshalb so genannt, weil er - ein furchtbarer Riese - bloß
durch seinen Anblick ein ganzes Heer in die Flucht trieb,
sich im Kriege gegen die Böhmen, Wenden und Hunnen
auszeichnete und den Feinden seines Monarchen stets den
größten Schrecken verursachte. Er war ein geborener
Schweizer, und von ihm erzählt ein Zeitgenosse Rudolfs von
Habsburg: "Änother konnte die großen Ströme, so nicht
bebrücket waren, durchwaten, wann sie auch noch so tief
waren. Als er unter seine Feinde, die Wenden, kam, da
zuckete er sein Schwert und meyete [mähte] nicht anders
darunter, als ein Großmeyer auf der Wiesen zu tun pflegt.
Die erschlagenen Menschen steckte er, als wären es kleine
Vöglein, an seinen baumlangen Spieß und hing sie über seine
Schulter. Wann er, nachdem er wieder nach Hause zu den
Seinigen gelanget, wegen des Ausgangs des Krieges befragt
wurde und wie stark der Feind gewesen, hatte er im Zorne
geantwortet: 'Was soll ich von den kleinen Fröschlein viel
erzählen? Ich habe manchmal ihrer sieben bis acht an meinen
Spieß gesteckt und sie hin und wider getragen, wiewohl sie,
ich weiß nicht was, dagegen gequaket haben. Der Kaiser und
wir haben ganz vergeblich wider solche kleine Würmlein so
große Unkosten zum Kriege angewendet.'"
Als Kaiser Karl im Jahre 791 gegen die Awaren zog, war
Änother in seinem Gefolge. Damals wurde auch die Gegend, in
der einst die Römerstadt Vindobona gestanden, von der
Barbarenherrschaft befreit, und Änother machte sich nach
beendigtem Kriegszuge in diesem Landstriche ansässig. Wohl
mag bei der Aufzählung seiner Taten nach damaliger Sitte
viel Fabelhaftes mit unterlaufen sein, aber dieser Riese an
Gestalt und Körperkraft hat unstreitig wirklich existiert,
auch sind solche Leute bis in die neueste Zeit auffindbar
gewesen, wenngleich von ihnen keine Wunderdinge berichtet
werden.
Das Geschlecht des Riesen Änother pflanzte sich in
Österreich fort und war durch altgewohnte Umgestaltung aller
Namen endlich als Familie Ainöder oder Eineder eingebürgert.
Die Nachkommen wurden sämtlich Gewerbsleute, die sich
ehrlich ernährten; und wie es mit dem Menschenstamme
überhaupt ging, so geschah es auch mit diesen oder jenen
Familien, sie unterschieden sich immer mehr von ihren Ahnen,
die ihnen an Geistes- und Körperkräften oft weit überlegen
waren. Eines der hervorragendsten Beispiele ersehen wir aus
folgendem:
Zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts befand sich am
Stubentore die sogenannte "Stadt Tafferne" (Weinschenke,
Weinstube), und zwar in dem Hause der Wollzeile, welches
heute die Nummer 17 (früher 778) trägt. Von dieser alten
Weinstube erhielt auch das Stubentor- und Viertel seinen
Namen. In derselben war ein absonderlich klein und verkrümmt
gewachsenes, etwa zwanzigjähriges Bürschchen namens Michael
Ainöther als Schankjunge (Kellner) bedienstet. Er war ein
gerader Abkömmling des vorerwähnten Riesen, aber wie
verkümmert sah er aus. Michael war kaum 1 Œ Meter hoch,
rückwärts mit einem hochgewölbten Höcker versehen, er hielt
sich aber wacker auf seinen Krummbeinen aufrecht und
bediente seine Gäste mit einer Sorgfalt, Aufmerksamkeit und
Gewandtheit, daß - statt über die Missgeburt zu spotten, was
leider gar viele unvernünftige Leute tun - die
Schenkebesucher große Achtung vor dem tätigen Zwerglein hat-
ten, welches das Geschäft besser verstand als sein
wohlgebauter Chef, der sich auf seine männliche Schönheit
und seinen Vermögensbesitz nicht wenig einbildete, ja sich
beinahe entwürdigt hielt, wenn er an etwas selbst Hand
anlegen sollte. Das blasse, aber geistvolle Gesicht des
Jünglings spähte jedoch schon vorher nach den Bedürfnissen
eines Gastes, bevor dieser darum sich meldete, und so kam
es, dass der "Taffern-Micherl", wie er allgemein hieß, mehr
Gönner unter den Bürgern der Reichshauptstadt Wien zählte,
als sich der geckenhafte Wirt, sein Herr, träumen ließ.
Michael mochte über ein Jahr Kellnerdienste in der Tafferne
versehen und an ersparten Geschenken bei seiner einfachen
Lebensweise ein paar Groschen sich zurückgelegt haben, als
der Geist seines Ahnherrn, des Riesen, über ihn kam und eine
treffliche Idee in dem Gehirne des kleinen Köpfchens
auftauchte.
Zu jener Zeit gab es in Wien keine öffentlichen
Vergnügungsorte, aber die Wiener gingen gern in der Richtung
der Praterauen spazieren, da die herrlichen Wiesen doch gar
zu einladend waren. Besonders tummelte man sich dort auf
einem Platze herum, der am Ende der Jägerzeile, von der
Gegend des jetzigen Nordbahngebäudes an bis zum heutigen
sogenannten Praterstern oder Eingang in den Prater, lag, mit
schönen Bäumen besetzt war, der Gemeinde Wien gehörte und
deshalb das Stadtgut hieß.
Michael teilte nun einst seinen Gästen die köstliche Idee
mit, auf dem Stadtgute ein Wirtshaus zu errichten, was die
ehrenfesten Wiener Bürger für so herrlich erklärten, dass
sie sich erboten, dem durch seinen Fleiß sowie durch
Kenntnisse im Geschäft und seine so oft bewährte
Rechtschaffenheit beliebten Jungen die nötigen Summen
vorzustrecken. So erbat denn Michael Ainöther vom Magistrate
die Bewilligung und erhielt sie durch rege Fürsprache. Das
neuerbaute, bescheiden eingerichtete Lokal wurde am 1. Mai
1603 eröffnet und trug über dem Eingangstore die
ergötzlichen Verse:
"Gott behuet dies Haus so lang,
Bis ein Schneck die Welt umgang,
Und ein Ameis dürst so sehr,
Dass 's austrinkt 's ganze Meer."
Das Glück, welches das Unternehmen hatte, war fabelhaft.
Schon im Sommer desselben Jahres musste das Lokal vergrößert
werden. Es wurde eine Kegelbahn angelegt, und bereits im
Jahre 1608 verwandelte sich die hölzerne Hütte in ein
hübsches steinernes Haus, auf welches die vorerwähnte
Inschrift ebenfalls übertragen wurde. Anfangs bekam man
daselbst nur Bier und Wein geringer Sorte, dazu
Zervelatwürste und Käse; da aber bald die ansehnlichsten
Bürgerfamilien Wiens dort abends und an Feiertagen Erholung
suchten, wurden feinere Getränke und Speisen ebenfalls
verabreicht.
Michael wurde reich, heiratete ein braves hübsches Mädchen,
das seinerzeit schon mit ihm in der Stadt-Tafferne gedient
und seine guten Eigenschaften schätzen gelernt hatte, kaufte
sich 1625 eine kleine Besitzung in Haugsdorf, trieb aber
seine einträgliche Wirtschaft bis zu seinem am 25. April
1651 im 71. Lebensjahre erfolgten Tode mit stets gleichem
Eifer weiter.
Nach seinem Tode ging das Praterwirtshaus durch Kauf in
andere Hände über, und es fanden sich andere Unternehmer,
die in der Nähe Gebäude aufführten und zu den Kegelbahnen
und Marionetten, die Michael schon eingeführt hatte, noch
Schaukeln und andere Belustigungen fügten. Namentlich wurden
zur Ergötzung der Kinder in einfachen Holzbuden etliche
Puppentheater errichtet, an denen der lustige Hanswurst eine
Hauptrolle spielte. Danach wurde die Örtlichkeit "Wurstelprater"
genannt.
Im Jahre 1723 geriet dieser Vergnügungsort durch abermaligen
Fortschritt aus dem Gemütlichen heraus in das Elegante; man
aß dort Spargel, Krebse, Schinken, Hühner, Wildbret, feines
Backwerk usw. Als Kaiser Joseph II. im Jahre 1766 den Prater
freigab, zog sich der noch übriggebliebene gemütliche Teil
des Wurstelpraters in den noch heute also bezeichneten Teil
der Auen, während der elegante sich in der Hauptallee und
den dort erbauten Kaffeehäusern ausbreitete. Der Schöpfer
aber aller heutigen Praterbelustigungen ist der "Taffern-Micherl",
und sein Verdienst um das populärste Vergnügen der Wiener
Bevölkerung ist sicher eines Andenkens wert.
Quelle: Die schönsten Sagen aus Wien, o. A., o. J., Seite 390, Bilder: www.nikles.net und gemeinfrei.
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