Die Bundeshauptstadt
In Inzersdorf am Wienerberge ging einmal ein Bauer gegen
Abend in seinen Garten hinaus. Da hörte er von weitem einen
Fuhrmann schelten und lärmen, und als der Wagen in seine
Nähe kam und der Fuhrmann eben auf die Pferde stark
losschlug, da meinte der Bauer: "Es hilft Euch nichts, auf
die Pferde so einzuhauen; der Weg ist sehr schlecht, und Ihr
prügelt ja die armen Tiere zu Tode. Ich will Euch ein wenig
helfen."
Da der Wagen gerade wieder in einer Grube stecken geblieben
war, so fasste der Bauer tüchtig an und hob ihn aus dem Loch
heraus.
Nach einer kleinen Weile fragte der Fuhrmann, wie weit es
noch bis in den nächsten Ort sei, und als es der Bauer
angegeben hatte, sagte der Fuhrmann zu ihm: "Setzt Euch doch
hinauf auf den Wagen und fahrt noch eine Zeitlang mit mir,
vielleicht kommt wieder so ein schlechtes Stück Weg."
Der Bauer war damit einverstanden und stieg sogleich auf den
Wagen. Nach einiger Zeit sagte der Bauer zu dem Fuhrmann:
"Setzt Euch zu mir!" Der Fuhrmann erwiderte aber: "Ich gehe
lieber neben dem Wagen, da sehe ich den Weg besser."
Bald danach setzte er sich aber gleichfalls auf den Wagen.
Kaum war er droben, so fasste die Pferde ein wildes Feuer,
und im Hallo ging es über Stock und Stein.
Erst am vierten Tag danach kam der Bauer heim, ganz
zerschunden und mit arg zerrissenen Kleidern. Als ihn die
Leute fragten, wo er denn die ganze Zeit hindurch gewesen
sei, meinte er, der böse Feind habe ihn durch dick und dünn,
bald auf der Erde, bald in der Luft bis zum Hetscherlberg am
Wege links nach Mariazell gefahren.
Quelle: Die schönsten Sagen aus Wien, o. A., o. J.,
Seite 95.
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Günter Nikles
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