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Die Bundeshauptstadt

Person - Franz Siegel

Franz Siegel (* 15. Juni 1876 in Perchtoldsdorf; † 30. Oktober 1927 in Wien, Bestattungsdatum: 25. Oktober 1928) war ein österreichischer Politiker (SDAP) und amtsführender Stadtrat in Wien.

Leben: Siegel wurde als Sohn eines Hausmeisterehepaars in Wien geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Nach der Pflichtschule erlernte Siegel den Beruf des Maurers. In der Folge engagierte sich Siegel in der Gewerkschaft und stieg zum Obmann der Bauarbeitergewerkschaft auf. 1908 wurde er zum ersten Bauinspektor Österreichs ernannt, zudem arbeitete er als Bauinspizient der Gewerbeinspektion.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde Siegel im Dezember 1918 zunächst in den provisorischen Gemeinderat berufen, den Christlichsoziale und Sozialdemokraten als Provisorium bis zur ersten demokratischen Kommunalwahl vereinbart hatten. Nach der Gemeinderatswahl in Wien 1919, die am 4. Mai 1919 einen Wahlerfolg der Wiener Sozialdemokraten mit dem Spitzenkandidaten Jakob Reumann erbrachte, wurde Siegel am 22. Mai 1919 im gewählten Gemeinderat angelobt.

Stadtrat: Er gehörte zudem 1919 / 1920 dem Stadtrat an, der zu diesem Zeitpunkt noch als Kollegialorgan agierte und noch keine Amtsführenden Stadträte kannte. Mit der Einführung der Amtsführenden Stadträte unter Bürgermeister Reumann wurde Franz Siegel am 1. Juni 1920 zum Amtsführenden Stadtrat bestimmt. Er übernahm die damalige Verwaltungsgruppe V (Technische Angelegenheiten); vom 10. November 1920 an war Siegel auch Mitglied der Wiener Landesregierung, da die an diesem Tag in Kraft tretende Bundesverfassung Wien zum eigenständigen Bundesland erklärt hatte.

Wirken: Durch über die Stadtbaudirektion Wien vergebene Aufträge an moderne Architekten zur Ausführung der im "Roten Wien" ab 1923 verstärkt umgesetzten Gemeindebauten trugen Siegel und sein Team zur architektonischen Vielfalt Wiens bei. Zudem reformierte Siegel die Müllabfuhr, ließ Straßen und Gärten renovieren und beaufsichtigte über das Bauamt die Errichtung von öffentlichen Bädern. In seine Amtszeit fielen zudem die Forcierung der Ausstattung der Wiener Wohnungen mit Gasherden und Elektrizität, die Übernahme der Stadtbahn und deren Elektrifizierung sowie der Bau von Kindergärten.

Siegel übte sein Amt als Stadtrat auch unter Jakob Reumanns 1923 angetretenem Nachfolger Karl Seitz und sein Mandat als Gemeinderat und Landtagsabgeordneter bis zu seinem Tod aus. Er starb im Lainzer Krankenhaus und wurde nach der Einäscherung in der Feuerhalle Simmering im Urnenhain des Ottakringer Friedhofs (Gruppe: 3, Nummer: 12) beigesetzt. Die Wohnhausanlage in der Wilhelminenstraße 37 im 16. Bezirk, Ottakring, wurde 1949 Siegelhof benannt.

Freiheit! vom 31.10.1927, Seite 3: Stadtrat Franz Siegel gestorben. Gestern nachmittags ist im Lainzer Jubiläumsspital Stadtrat Franz Siegel einem schweren Krebsleiden erlegen. Er erreichte ein Alter von 81 Jahren. Mit Stadtrat Franz Siegel ist sicherlich ein begabter Mann aus den Reihen der Lebenden geschieden, aber auch ein Mann, der in den letzten Monaten in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion gestellt war. Be­sonders die „Freiheit!" mußte sich öfters mit der Person des Verstorbenen beschäftigen. Es ist selbstverständlich, daß wir jetzt, da sich das Grab über diesen Repräsen­tanten der Wiener Sozialdemokratie schließen wird, nicht darüber sprechen wollen, warum Siegel von uns in den Mittelpunkt der öffentlichen Erörterungen gerückt werden mußte. Jetzt, da er tot ist, soll über ihn nicht gerechtet werden. Aber denen, die ihm politisch nahe­ gestanden sind, sei gesagt, daß das Geschäft, das sie mit dem Sterbenden machen wollten, indem sie uns mit dem Hinweis aus seine schwere Erkrankung zum Schwei­gen zu bringen versuchten, vielleicht die größte poli­tische Gemeinheit waren, die sich in den letzten Jahren in Wien ereignete. Von der in seinem Namen eingebrachten Klage hat Siegel nichts mehr gewußt. Auch die Bonzen waren überzeugt, daß die Klage zwecklos war. Franz Siegel ist nur 51 Jahle alt geworden. Er stammt aus den untersten proletarischen Schichten und hat eine harte, arbeitsreiche Jugend und ein ebenso hartes Leben hinter sich. Als junger Maurerpolier schlug er sich durchs Leben und fand dann den Weg zur Arbeiterbewegung. Bald bekleidete er die verschiedensten wichtigen Funktionen in der Baugewerkschaft, die bis zu dem verünglückten Maurerstreik im Jahre 1907 eine rasche Entwicklung genommen hatte. Der unglückliche Streik dieses Jahres, von dem die alten Maurer heute noch erzählen, hat auch Siegel der Bauarbeitergewerkschast etwas ent­fremdet. Insbesondere der Nationalrat Meißner war ein Gegner von ihm und es ist in Parteikreisen ein offenes Geheimnis, daß Siegel im Jahre 1919 Gemeinde- und Stadtrat nur gegen den Willen sämtlicher Funk­tionäre der Baugewerkschast geworden ist. Sie haben Siegel niemals gewollt, aber nicht deswegen, weil sie der Meinung gewesen sind, Siegel sei unfähig, sondern nur deswegen, weil sie sich selbst an seine Stelle setzen wollten. Siegel war eine zeitlang Krankenkassenbeamter, und kam dann ins Gewerbeinspektorat, und zwar in die Abteilung für das Baugewerbe. Als Angestellter dieses Amtes verblieb er bis zu seinem Tode. Eine schwere Zeit war für Siegel die Zeit des Krie­ges, in der er mit seiner Familie große Not litt. Aber durch den Umsturz kam auch für ihn der Umschwung. Er wurde Gemeinderat und Stadtrat, und es unterliegt keinem Zweifel, daß die Wohnbaupolitik, die die Ge­meinde Wien seit ungefähr dem 1922 macht, von ihm sehr stark beeinflußt wurde. Siegel war sicherlich eine große Begabung, dem in der Beziehung auch der Gegner seine Achtung nicht versagen wird. Freilich, schöpferischen Gedanken war dieser Bautechniker kaum zugänglich. Es wäre großzügig gewesen, den Versuch zu machen, gerade Wien in eine Gartenstadt umzuwandeln, gerade hier dem Arbeiter und seinen Kindern mit den ungeheuren Mit­teln, die der Gemeinde Wien zur Verfügung stehen, wirklich allen Ansprüchen moderner Denkweise ent­sprechende Wohnstätten zu schaffen. Wir kennen sehr wohl die Schwierigkeiten, die einer Umwandlung Wiens in eine Gartenstadt entgegenstehen, aber eine wirklich sozialdemokratische Gemeindeverwal­tung hätte es verstehen müssen, sie zu überwinden. Diesem Gedanken war Siegel unzugänglich, und auch alle Appelle, die aus reichsdeutschen Parteikreisen, ins­besondere von dem bekannten sozialdemokratischen Wohn­baupolitiker Peus, an ihn gelangten, ließ er unbeachtet. Es wird für die sozialdemokratische Partei trotzdem nicht leicht sein, für ihn den entsprechenden Nachfolger, zu finden, zumal er ja das Stadtbauamt in ziemlicher Verwirrung zurückläßt. Von diesen Dingen soll aller­dings hier jetzt nicht gesprochen werden, denn der Tod tilgt auch größere Schuld.

Arbeiter Zeitung vom 2.11.1927, Seite 6: Stadtrat Franz Siegel bei der Arbeit. Von Stadtbaudirektor Dr. Franz Musil. Nicht alle Menschen haben das Glück, ihren Berufspflichten mit solcher Freude nachgehen zu können, wie es bei Stadtrat Franz Siegel der Fall war. Mit einer spielend leichten Auffassung und einem glänzenden Gedächtnis ausgestattet, ging Stadtrat Siegel keinem Problem aus dem Wege, sondern erblickte darin nur die Möglichkeit zu neuen, willkommenenen Leistungen. So fand der städtische Wohnhausbau in ihm einen überzeugten und ehrlichen Freund. Wer einen der zahllosen Vorträge Siegels hierüber gehört hat, der fühlte, daß hier ein Freund der arbeitenden Menschen sprach, der das Wohnungselend und die Not der breiten Massen aus eigener Anschauung kannte und mit tiefer Genugtuung die schönen Leistungen der Gemeindeverwaltung auf dem Gebiet des Wohnhausbaues aufzeigte. Diese Freude und Genugtuung sprachen auch aus den von Stadtrat Siegel bei der Eröffnung von Wohnhausbauten gehaltenen Reden. Wer ihn aber als Redner im Gemeinderat hörte und in den Ausschüssen, der mußte staunen über die weitgehende Beherrschung all der schwierigen und mannigfaltigen Referate seines fast übergroßen Wirkungsbereiches. Siegel schien ein völlig unverbrauchter Mensch zu sein, dessen Gehirn alle Ein­drücke wie eine Photographische Platte aufbewahrte, um ihm zu ermöglichen, im gegebenen Moment davon Ge­brauch zu machen und Anfragen zu beantworten oder gegnerische Argumente zu entkräften. Zahllose Fragen der Stadtregulierung, des Straßen- und Kanalbaues, der Wasserversorgung, des Wohnungs- und des Bäderwesens, der Gebäudeerhaltung, der Wärmewirtschaft, der öffentlichen Beleuchtung, der Kehrichteinsammlung und -abfuhr, der Baustoffbeschaffung und des Baues der zugehörigen Werke, des Brücken- und Wasserbaues, des Utilitätsbaues usw. traten an Stadtrat Siegel während seiner neunjährigen Amtstätigkeit heran und er hat sich mit all diesen Problemen als Referent vor den beschließenden Körperschaften eingehend zu befassen gehabt. Gewiß vermag nur ein elastischer Geist und hervorragend begabter Mensch diese Fülle von Ge­schäftsstücken zu erfassen. Manche dieser Arbeitsgebiete haben gewaltigen Umfang, wie zum Beispiel der Bau von Volkswohnungen, das Bäder- und Gartenwesen, der Straßenbau und die Straßenpflege usw., und waren in völliger Umwandlung und Reformierung begriffen. Der Bau der Volkswohnungen mag mit Recht als Siegels ureigenstes Arbeitsfeld bezeichnet werden. Seine praktische Bauerfahrung befähigte ihn, bei den vielen Besuchen auf den Baustellen unmittelbar einzugreifen und einen engen Kontakt mit den Organen der städtischen Bauleitungen aufrecht­zuerhalten. Nicht zu unterschätzen ist auch die Fülle der Arbeit, die dem amtssührenden Stadtrat bei der Vergebung der zahllosen Arbeiten erwächst und wofür die zahlreichen Besucher seiner Sprechstunde den untrüglichen Beweis gaben. In Anbetracht der großen Arbeitslosigkeit war es ihm wohl sehr schwierig, ja unmöglich, hier allen Wünschen gerecht zu werden. Seine genaue Branchenkenntnis hat ihm auch diese Arbeit wesentlich erleichtert. Siegel besaß des weiteren eine genaue Kenntnis des Baugewerbes und der Architektenschaft. Er war immer bereit, auch die freischaffenden Architekten zur Mitwirkung beim Entwurf der Gemeindewohnhäuser heranzuziehen. Hierdurch ist unserer Stadt ein wichtiger Stand leistungsfähig er­halten geblieben und die städtischen Wohnbauten er­scheinen frei von Eintönigkeit. Der österreichische Ingenieur- und Architektenverein hat diese befruchtende Tätigkeit der Gemeindeverwaltung durch Ernennung des Bürgermeisters Seitz und des Stadtrates Siegel zu Förderern anerkannt. Stadtrat Siegel hat über die große Fülle der Arbeiten seiner Gruppe immer nur Freude empfunden. Es war sein Stolz, daß in dieser Gruppe beinahe die Hälfte aller Gemeindeausgaben zur Verarbeitung ge­langt. Die technische Verwaltungsgruppe bezeichnete er als die dienende Magd der anderen Gruppen und er hat damit eine gute Kennzeichnung des technischen Verwaltungszweiges gegeben. Wer dient, muß sich jedoch Einengungen gefallen lassen; bei Stadtrat Siegel über­wog aber immer die Genugtuung über die vielen großen technischen Aufgaben, die dank der glänzenden Führung der Gemeindefinanzen selbst in der schweren Nachkriegs­zeit gestellt wurden. Das Zusamrnenarbeiten zwischen dem Stadtrat Siegel und dem Ensemble der städtischen Tech­niker war ausgezeichnet. Stadtrat Siegel hat für das ihn: unterstellte Personal wiederholt in öffentlicher Sitznng des Gemeinderates überzeugende und warme Worte der Anerkennung gefunden. Er war auch immer bereit, die Beamten zu fördern und ihnen die Fühlung mit den Leistungen des Auslandes auf den verschie­densten Arbeitsgebieten zu ermöglichen.

Das Beileid des Bundespräsidenten. Der Bundespräsidcnt hat an den Bürger­meister folgende Zuschrift gerichtet: Die Nachricht von dem Hinscheiden des Herrn amtsführenden Stadtrates Franz Siegel, der seiner Familie und seinem Wirkungskreis im Dienste der Oeffentlichkeit nur allzu früh und jäh entrissen wurde, erfüllt mich mit auf­richtigem Bedauern. Ich spreche Ihnen als dem Oberhaupt der Verwaltung der Bundeshauptstadt Wien sowie dem Stadtsenat und dem Gemeinderat, denen der Verstorbene ein er­fahrener, eifriger und hingebungsvoller Mitarbeiter war, mein herzlichstes Beileid aus. Stadtrat Siegel hat als Chef eines der bedeutendsten und schwierigsten Verwaltungszweige der Gemeinde in den vergangenen Jahren eine ungeheure Arbeit geleistet und seine gesamten Kräfte nicht nur in den Dienst seiner Partei gestellt, sondern ist auch infolge seiner aufopferungsvoller, zielbewußten Geschäftsführung bei der gesamten Einwohnerschaft Wiens in hohem Ansehen gestanden. Ich werde diesem hochverdienten Manne stets ein ehrendes Andenken bewahren.

Die Leichenfeier. Der Leichnam Siegels wird, wie schon mitgeteilt wurde, heute Mittwoch im großen Saale des Ottakringer Arbeiterheims aufgebahrt. Von 9 Uhr vormittags bis 1 Uhr mittags ist der Zutritt in den Trauersaal allgemein gestattet. Um 3 Uhr ist die Leichenfeier, bei der auch der Bürger­meister sprechen wird. Der Sarg wird dann durch die Hasnerstraße getragen. Die Arbeiterschaft des Bezirkes wird Spalier bilden. Die elektrischen Lampen werden brennen; sie werden schwarz umflort sein. Am Gürtel löst sich der Trauerzug auf. Um 5 Uhr ist die Trauerfeier im Krematorium, wo als Vertreter der Partei und des Bezirkes Abgeordneter Sever den letzten Nachruf sprechen wird. Die dienstfreien Mitglieder, der frei gewerkschaftlichen Verbände der städtischen Ange­stellten und Arbeiter, die sich an dem Leichenbegängnis beteiligen, versammeln sich um 2 Uhr nachmittags in Ottakring auf dem Richard Wagnerplatz. Die Deputationen der städtischen Werke und Betriebe finden sich zur selben Stunde auf dem gleichen Platze ein. Musikkapellen der städtischen Be­triebe übernehmen beim Leichenbegängnis die Trauermusik.

Weiters im Grab bestattet:
Friederike Christa Markytan, * 24.12.1945, † 07.06.2004, Bestattungsdatum: 21.06.2004
Franz Trummer, Bestattungsdatum: 19.02.1935
Franz Fuhry, * 28.09.1873, † 28.05.1953, Bestattungsdatum: 09.06.1953
Georg Paulinyi, * 19.03.1912, † 14.12.1953, Bestattungsdatum: 23.12.1953
Adelheid Fuhry, * 29.07.1879, † 15.12.1966, Bestattungsdatum: 27.12.1966
Olga Siegel (Witwe), * 12.07.1883, † 13.07.1970, Bestattungsdatum: 27.07.1970
Elfriede Siegel, † 16.09.1924, Bestattungsdatum: 27.07.1970
Ella Siegel, * 05.08.1912, † 22.10.1981, Bestattungsdatum: 06.11.1981
Olga Galusek, * 02.06.1908, Bestattungsdatum: 27.03.1996

Quelle: Dieser Text basiert auf dem Artikel Franz_Siegel aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons CC-BY-SA 4.0 (Text erweitert). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. Bilder: www.nikles.net, Freiheit! vom 31.10.1927, Seite 3, Arbeiter Zeitung vom 2.11.1927, Seite 6.



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