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Die Bundeshauptstadt

Person - Vuk Stefanović Karadžić

Vuk Stefanović Karadžić, Wuk Stephanowitsch Karadschitsch (* 26. Oktober jul./ 6. November 1787 greg. in Tršic nahe der Drina, Osmanisches Reich; † 7. Februar 1864 in Wien) war ein serbischer Philologe, wichtigster Sprachreformer der serbischen Schriftsprache, Ethnologe, Dichter, Übersetzer und Diplomat.

Leben: Vuk Stefanović Karadžić entstammt einer Familie aus der Herzegowina vom Stamm der Drobnjak. Um 1739 zogen diese nach Jadar und von dort am 26. Oktober 1787 nach Serbien, ins Dorf Tršic, im Kreis Loznica. Seine Eltern waren Stefan und Jegde, geborene Zrnic. Den Namen Vuk (auf Deutsch Wolf) bekam er von seinen Eltern, da bis dahin alle männlichen Kinder seiner Eltern gestorben waren. Dies sollte gegen die Hexen helfen (nach einem alten Aberglauben). Da es damals in seiner Heimat nicht üblich war, einen Familiennamen zu führen, hieß er mit seinem Vor- und Vatersnamen zunächst nur Vuk Stefanović (= Wolf, des Stefans Sohn). Deshalb findet man in der älteren Literatur hin und wieder den Namen Wolf Stefansohn. Erst "später nahm er nach dem Ort, wo seine Eltern ein Anwesen besaßen, den Namen Karadžić (in den verschiedensten Schreibweisen: Karadzic, Karadschitsch, Karacic, Karadzitsch, Karagich, Karajich) an und machte sich unter demselben in der wissenschaftlichen Welt bald in ausgezeichneter Weise bekannt".

Obschon es in seinem Geburtsort an allen Bildungsmitteln fehlte, überwand sein starker Bildungswille alle Hindernisse: aus einer kirchenslawischen Bibel lernte er beim Tierehüten lesen, aus Schilf schnitzte er sich Federn und aus Schießpulver bereitete er sich Tinte (eine andere Quelle nennt aufgelösten Ölruß). Dabei sammelte er die Lieder, Sprichwörter und Erzählungen, die zu seiner Zeit mündlich tradiert wurden.

Nachdem Karadžić sich am Ersten Serbischen Aufstand gegen das Osmanische Reich 1804 beteiligt hatte, begab er sich nach dessen Niederschlagung nach Sremski Karlovci (Karlowitz) in Österreich und besuchte die dortige Schule, wo er Latein und Deutsch lernte. Hierauf nahm er auch am zweiten Aufstand gegen die Osmanen als Sekretär des serbischen Führers Nenadovic teil, wurde Geheimsekretär des Senats in Belgrad und mit wichtigen politischen Missionen betraut. Als die Osmanen 1813 wieder die Herrschaft erlangten und der Anführer des Aufstandes Karadorde nach Österreich fliehen musste, ging Karadžić gegen Ende des Jahres nach Wien.

Hier wurde er vom Slawisten Jernej Kopitar, der seine ausgezeichnete Begabung für das Auffassen von Volksart und Volkssprache erkannte, bewogen, sich ausschließlich literarischen Arbeiten zu widmen. Die damals vorhandenen serbischen Bücher waren in der slawenoserbischen Sprache geschrieben und dem einfachen Volk sehr schwer verständlich. Karadžićs Bestreben war es daher, die reine Volkssprache der Serben mit einfacher und verständlicher Orthographie an die Stelle der kirchenslawischen zu setzen und zur Schriftsprache zu erheben. Zu diesem Zweck unermüdlich tätig, veröffentlichte er zahlreiche sprachwissenschaftliche Arbeiten u. a. über Volkslieder sowie serbische Grammatik und verfasste ein umfangreiches Wörterbuch (gemäß seinem Leitspruch: Schreibe wie Du sprichst!). Außerdem gab er für serbische Geschichte und Philologie den Almanach Danica (Morgenstern), Wien 1826–34, und die Srpske narodne poslovice (Serbische Volkssprüche) heraus. Er sammelte serbische Volksmärchen und -lieder und machte das zur damaligen Zeit in Westeuropa weitgehend unbekannte serbische Volk in Deutschland und der Welt bekannt. Sein wichtigstes Werk ist seine Übersetzung des Neuen Testaments in die serbische Volkssprache gemäß seinen Sprach- und Schriftreformen, diese Übersetzung ist bis heute in der serbisch-orthodoxen Kirche in Verwendung. Er war mit vielen deutschen Geistesgrößen befreundet und bekannt – so etwa mit Johann Wolfgang von Goethe, von dem es ein Brieffragment vom 20. Dezember 1823 an Karadžić gibt mit dem Text ... haben mir durch die Übersendung einer wörtlichen Übersetzung vorzüglich schöner serbischer Lieder sehr viel Freude gegeben ... mit Jacob Grimm, Leopold Ranke oder Johann Gottfried Herder.

Im Jahr 1828 wurde Karadžić vom Fürsten Miloš Obrenovic, dem Herrscher des inzwischen autonomen Serbien, mit der Ausarbeitung eines Gesetzbuches beauftragt, weshalb er nach Belgrad übersiedelte. Doch konnte er das despotische Wesen des Fürsten auf Dauer nicht ertragen und kehrte nach zwei Jahren nach Wien zurück. 1834/35 bereiste er Dalmatien und Montenegro, worüber er im Buch Montenegro und die Montenegriner berichtete. 1837/1838 bereiste er Ungarn und Kroatien, später wiederholt Serbien. Von den Akademien der Wissenschaften zu Wien, Berlin, Sankt Petersburg, Moskau und anderen wurde er zum Ehrenmitglied ernannt.

1850 schlossen sich auch einige kroatische Linguisten mit dem sogenannten Wiener Abkommen der Meinung an, dass der štokavisch-ijekavische Dialekt die Grundlage der gemeinsamen Schriftsprache der Serben und Kroaten sein solle und dass die Orthographien des Serbischen und Kroatischen in lateinischer und kyrillischer Schrift so aneinander angepasst werden sollten, dass man direkt aus der einen in die andere transliterieren könne. Das „Abkommen“ als solches hatte allerdings keine bindende Wirkung, da es lediglich von Privatpersonen unterzeichnet war und eine Ratifizierung durch staatliche Institutionen nicht stattfand.

Vuk Karadžić war mit der Österreicherin Anna, geb. Kraus, verheiratet, mit ihr hatte er 13 Kinder. Seine Tochter Wilhelmina (bekannt als Mina Karadžić (1828–1894)) war eine enge Mitarbeiterin ihres Vaters und gab 1854 u. a. die deutsche Übersetzung der Sammlung serbischer Volksmärchen heraus, sie wurde später eine gefragte Malerin.

Vuk Karadžić verstarb 1864 in Wien und wurde auf dem St. Marxer Friedhof beigesetzt. 1897 wurden seine sterblichen Überreste nach Belgrad überführt und dort in der historischen Kathedrale in der Innenstadt gegenüber der Grabstätte des serbischen Aufklärers Dositej Obradovic beigesetzt.

Sprachnationalismus und großserbische Idee: Karadžić vertrat in der Phase der Nationenbildung auf dem Westbalkan in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Ansicht, dass alle Slawen, die einen štokavischen Dialekt sprechen, die serbische Sprache sprechen und damit Serben sind. Gemäß dieser Definition erklärte er den größten Teil der römisch-katholischen Kroaten sowie alle muslimischen Bosniaken zu Serben, die sich dessen nur nicht bewusst wären. Später jedoch schrieb er, dass er diese Definition aufgebe, weil er sehe, dass die Kroaten seiner Zeit nicht mit dieser Definition einverstanden sind, und er wechselte zur Definition der serbischen Nation auf Basis der Orthodoxie und der kroatischen Nation auf Basis des Katholizismus.

Vorher, schrieb er im Kapitel Srbi svi i svuda (Serben alle und überall) seines 1836 verfassten und 1849 veröffentlichten Werkes Kovcežic za istoriju, jezik i obicaje Srba sva tri zakona (Ein Köfferchen voll Geschichte, Sprachkunde und Volkssitten der Serben aller drei Konfessionen):

„Verlässlich ist es bekannt, dass die Serben gegenwärtig im heutigen Serbien […], in Metochien, in Bosnien, in der Herzegowina, in der Zeta, in Montenegro, im Banat, in der Batschka, in Syrmien, in der rechten Donaugegend von Osijek bis Szentendre, in Slawonien, in Kroatien […], in Dalmatien sowie im ganzen adriatischen Küstenland fast von Triest bis zur Buna wohnen. […] es ist noch nicht verlässlich bekannt, wie weit die Serben in Albanien und Makedonien reichen […] In genannten Ländern wird es mindestens fünf Millionen Einwohner geben, welche alle dieselbe Sprache sprechen, aber sich nach der Religion in drei Kategorien teilen, hiervon sind drei Millionen griechischen Glaubens […] von den übrigen zwei Millionen sind beiläufig zwei Drittel türkischen Glaubens (in Bosnien, der Herzegowina und der Zeta) und etwa ein Drittel römischen Glaubens. […] Es ist zu verwundern, dass die Serben katholischen Glaubens sich nicht Serben nennen wollen. […] Nur ist es jenen Serben römischen Glaubens schwer, sich Serben zu nennen, aber sie werden sich allmählich auch daran gewöhnen, denn wenn sie nicht Serben sein wollen, so haben sie dann überhaupt keinen nationalen Namen. […] Keinesfalls kann ich aber verstehen, wie mit diesem Namen (dem kroatischen) jene unserer Brüder römischen Glaubens sich benennen könnten, welche zum Beispiel im Banat, in der Batschka, in Syrmien, in Slawonien, in Bosnien und der Herzegowina und in Dubrovnik wohnen und dieselbe Sprache sprechen wie die Serben. Von denjenigen türkischen Glaubens kann man noch nicht verlangen, dass sie über diese Volkszugehörigkeit nachdenken, aber sobald unter ihnen Schulen errichtet werden, […] so werden sie sofort erfahren und anerkennen, dass sie nicht Türken, sondern Serben seien.“

Entsprechend sammelte er seine Serbischen Volkslieder auch bei den Kroaten und Bosniaken. Serbische Nationalisten berufen sich auch auf Karadžićs Thesen, um ihre großserbischen Ziele zu rechtfertigen. Zuletzt im Kroatien- und Bosnienkrieg, allen voran Radovan Karadžić, der sich propagandagerecht zu einem Nachfahren Vuk Karadžićs erklärte und sich vor dessen Bild filmen ließ.

Werke: Vuk Stefanović Karadžić war der wichtigste Vertreter der serbischen Sprachreform des 19. Jahrhunderts. In diesem Zusammenhang stehen auch die meisten seiner Werke in serbischer Sprache. Schon Ende des 18. Jahrhunderts gab es erste Bestrebungen, eine Schriftsprache auf Basis einer dem Volk verständlichen Volkssprache zu schaffen. Der Mönch, Prediger und Literat Gavrilo Stefanović Venclovic übersetzte um 1740 erstmals die Heilige Schrift in eine serbische Volkssprache. Diese Bibel wurde jedoch von der serbisch-orthodoxen Kirchenhierarchie verboten, diente aber später in vielem als Vorbild für die Übersetzung des Neuen Testaments von Karadžić. Während der serbischen Aufstände gegen das Osmanische Reich wurde der Ruf nach einer eigenen serbischen Schriftsprache immer lauter. Dem widersetzte sich der so genannte Slawische Kreis um die orthodoxe Kirchenhierarchie, welcher das Kirchenslawische als gemeinsame Schriftsprache aller orthodoxen slawischen Völker vehement verteidigte. Im Slawischen Kreis fand auch Karadžić seine erbittertsten Gegner. Er wurde heftig angegriffen und angefeindet, trotzdem konnten sich seine Ansichten durchsetzen. Karadžićs Reformen wurden 1860 endgültig als richtungsweisend für die serbische Schriftsprache anerkannt.

Werke in serbischer Sprache:
Mala prostonarodna slavenoserbska pjesnarica. Wien 1814. Eine Sammlung serbischer Volkslieder.
Pismenica srpskoga jezika. Wien 1814. Die erste serbische Grammatik, die Jacob Grimm ins Deutsche übersetzte.
Srpski rjecnik. Wien 1818 und 2. vermehrte Auflage. Wien 1852. Serbisches Wörterbuch mit lateinischer und deutscher Übersetzung der Wörter und vielen ethnologisch-historischen Erklärungen.
Narodne srpske pjesme. Vier Bände. Leipzig und Wien 1823–33 und 2. erweiterte Ausgabe, Wien 1841. Diese musterhafte Sammlung serbischer Volkslieder erregte am meisten von allen seinen Werke Aufmerksamkeit, auch im Ausland.
Kovcežic za istoriju, jezik i obicaje Srba sva tri zakona. Druckerei des armenischen Klosters, Wien 1849.
Srpske pjesme iz Hercegovine. Wien 1866. Eine Sammlung serbischer Volkslieder aus der Herzegowina, in viele Sprachen übersetzt.
Crven ban : narodna erotska poezija. Eine Sammlung erotischer serbischer Volkspoesie, die wegen ihres anzüglichen Inhalts lange geheim gehalten wurde.

Noch wichtig zu erwähnen ist seine Übersetzung des Neuen Testaments (Novi zavjet) in die serbische Volkssprache (Wien 1847).

Werke in deutscher Übersetzung:
Kleine serbische Grammatik. Übersetzt und mit einer Vorrede von Jacob Grimm. Nachdruck der Ausgabe Leipzig u. Berlin, Reimer, 1824. Neu hrsg. u. eingeleitet von Miljan Mojasevic und Peter Rehder. Sagner, München 1974, ISBN 3-87690-086-7.
Volkslieder der Serben. Metrisch übersetzt und historisch eingeleitet von Talvj. Lief. 1. Halle 1825.
Volkslieder der Serben. Metrisch übersetzt und historisch eingeleitet von Talvj. 2. unv. Aufl. Lief. 2. Halle 1835.
Volkslieder der Serben. Metrisch übersetzt und historisch eingeleitet von Talvj. Neue umgearbeitete und vermehrte Auflage. T. 1. Leipzig 1853.
Serbische Volkslieder. Aus dem Serbischen. Teile einer historischen Sammlung. Gesammelt und hrsg. von Vuk Stefanović Karadžić. Übersetzt von Talvj. Ausgewählt und mit einem Nachwort versehen von Friedhilde Krause. Reclam, Leipzig 1980.
Volksmärchen der Serben. Gesammelt und hrsg. von Wuk Stephanowitsch Karadschitsch. Ins Deutsche übersetzt von dessen Tochter Wilhelmine. Mit einer Vorrede von Jacob Grimm. Nebst einem Anhang von mehr als 1.000 serbischen Sprichwörtern. G. Reimer, Berlin 1854 (Digitalisat bei Google Books).
Montenegro und die Montenegriner: Ein Beitrag zur Kenntniss der europäischen Türkei und des serbischen Volkes. Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1837 (Digitalisat bei Google Books)

Werke im Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz:
Zivomir Mladenovic: Neobjavljene pesme Vuka Karadžica. Cigoja Stampa, Beograd 2004.
Vuk Stefanović Karadžić: Izbor iz dela. Izdavacka Kuca "Draganic", Beograd 1998.
Miloslav Samardžic: Tajne "Vukove reforme". 2. Auflage. Pogledi, Kragujevac 1997.
P. A. Dmitriev: Serbija i Rossija : stranicy istorii kul'turnych i naucnych vzaimosvjazej. Petropolis, Sankt-Peterburg 1997.
Claudia Hopf: Sprachnationalismus in Serbien und Griechenland : Theoretische Grundlagen sowie ein Vergleich von Vuk Stefanović Karadzic und Adamantios Korais. Harrassowitz, Wiesbaden 1997.
Miljan Mojasevic: Jacob Grimm und die serbische Literatur und Kultur. Hitzeroth, Marburg 1990.
Wilfried Potthoff: Vuk Karadzic im europäischen Kontext. Beiträge des internationalen wissenschaftlichen Symposiums der Vuk Karadzic-Jacob Grimm-Gesellschaft am 19. und 20. November 1987 in Frankfurt am Main. Winter, Heidelberg 1990.
Vladimir Stojancevic: Vuk Karadzic i njegovo doba : rasprave i clanci. - Zavod za Udzbenike i Nastavna Sredstva u. a., Beograd 1988.
Zivomir Mladenovic: Vuk Karadzic i Matica srpska. Izd. Ustanova Nauc. Delo, Beograd 1965.
Vuk Stefanović Karadžić: Vukovi zapisi. Kultura, Beograd 1964

In der Rasumofskygasse 22 im 3. Wiener Gemeindebezirk Landstraße befindet sich das Vuk-Stefanovic-Karadzic-Denkmal.

Quelle: Text: Wikipedia, Bilder: gemeinfrei; www.nikles.net und Wiener Zeitung vom 11.2.1864, Seite 10.



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