Stadtbahnbögen
Die Stadtbahnbögen in Wien sind historische Verkehrsbauwerke,
die von der ehemaligen Wiener Dampfstadtbahn beziehungsweise der aus dieser hervorgegangenen Wiener Elektrischen Stadtbahn
stammen und heute Teil der S-Bahn Wien beziehungsweise der U-Bahn Wien sind.
2019 existieren noch insgesamt 458 dieser Viaduktbögen, davon 54 aus dem Jahr 1859, 342 aus dem Jahr 1898,
54 aus dem Jahr 1901 und acht Nachbauten aus dem Jahr 1989.
Die meisten Gewölbe beziehungsweise Arkaden wurden – zusammen mit den Stationsgebäuden – vom Jugendstil-Architekten Otto Wagner
als Nebenprodukt der Stadtbahn entworfen und sind denkmalgeschützt.
Vereinzelt werden sie deshalb auch Otto-Wagner-Bögen genannt.
Da die meisten Wiener Stadtbahnbögen im Zuge der ehemaligen Stadtbahn-Gürtellinie anzutreffen sind,
das heißt entlang des westlichen Gürtels, lauten weitere Alternativbezeichnungen Gürtelbögen respektive Gürtelviadukt.
Die älteren Bögen an der Verbindungsbahn gehen hingegen auf deren Architekten Carl Ritter von Ghega zurück.
Die Gürtellinie wird gegenwärtig von der U-Bahn-Linie 6 befahren, während die Obere Wientallinie von der U-Bahn-Linie 4,
die Vorortelinie von der S-Bahn-Linie 45 und die Verbindungsbahn, die heutige Stammstrecke, von diversen S-Bahn-Linien bedient wird.
Somit dient ein Großteil der Bögen noch ihrem ursprünglichen Zweck als Verkehrsbauwerk.
Im Gegensatz dazu sind der Abschnitt Nußdorfer Straße–Heiligenstadt der Gürtellinie seit 1996
sowie ein Großteil des Verbindungsbogens zwischen Gürtellinie und Donaukanallinie seit 1991 stillgelegt.
Auf diesen beiden Abschnitten sind daher zusammen 121 Bögen mittlerweile ohne Schienenverkehr.
Beschreibung: Der Unterbau der Viaduktbögen ist, ähnlich den 1882 fertiggestellten Berliner Stadtbahnbögen,
in Backstein ausgeführt, während für die Grundmauern Sandbruchstein aus dem
Wienerwald Verwendung fand.
Die mit Verblendern verkleideten sichtbaren Flächen wurden durch einzelne Verzierungen in Haustein belebt.
Darunter befindet sich teilweise mittelharter Kalksandstein aus dem Leithagebirge und teilweise Zogelsdorfer Stein.
Die durchschnittlich mit Viertelpfeilern gewölbten Viaduktbögen sind mit einer acht Zentimeter dicken Betonschicht
und einer darauf liegenden Schicht aus zwei Zentimetern Naturasphalt wasserdicht abgedeckt.
Das Gefälle richtet sich nach den Gewölbepfeilern, in denen ausziehbare Rohre für die Ableitung des Wassers sorgen.
Das Mauerwerk trägt oben ein Steingesims, in welchem die eisernen, oberhalb der Widerlager durch kleine Pfeiler unterbrochenen,
sogenannten Stadtbahngeländer vergossen sind. Jedoch variiert die Ausführung der Strecken in Hochlage je nach Entfernung zum Stadtzentrum.
So bestehen die Bögen der Gürtellinie aus Ziegelmauerwerk, während diejenigen der peripher gelegenen Vorortelinie über ein weniger filigranes Quadermauerwerk verfügen.
Die Bögen sind teilweise mit Natursteinmauerwerk verkleidet, wobei sich glatte und rustizierte (raue) Oberflächen streifenartig abwechseln,
teils folgen Stein- auf Ziegellagen. Die Außenhaut der Bauwerke besteht in der Regel aus einer Schicht exakt gemauerter,
doppelt geschlämmter – ursprünglich hellgelber – böhmischer Klinkerziegel, wobei eine Fugenbreite von acht Millimetern einzuhalten war.
Otto Wagner hatte dabei verschiedene Fassaden zur Schließung der Gewölbe entworfen.
Immer unterteilte er die Fassadenfläche mit einer Horizontalen in Bogenfeld und darunter liegendes Rechteck.
Die übrigen Teilungen ergeben sich aus der Bogengröße, die mit dem welligen Terrainverlauf des Gürtels wechselt.
Benachbarte Bögen sind untereinander teilweise durch 3,00 Meter breite Querschläge miteinander verbunden, diese erhöhen die Nutzbarkeit.
Die Sichtziegel der Viadukte stehen dabei in hartem Kontrast zu dem weißen Putz der Stationen,
Wagner hat außer bei der Stadtbahn keine Ziegelfassaden geplant oder ausgeführt.
Allerdings zeigen zwei Studien Wagners zu Beginn seiner Entwurfsarbeit für die Stadtbahn Bögen mit Putzfassaden wie bei den Stationen.
Nummerierung: Die historischen Bögen sind mit arabischen Zahlen durchnummeriert,
wobei neben Lücken auch Doppelnummerierungen existieren und bei einem Teil der Bögen keine Nummer angeschrieben steht.
Vereinzelt werden auch Zusatzbuchstaben verwendet. Die Nachbauten wiederum werden mit römischen Zahlen unterschieden.
Die Wiener Linien kennzeichnen ihre Gewölbe dabei mit ovalen Nummernschildern mit schwarzer Schrift auf weißem Grund,
während die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) rechteckige blaue Tafeln mit weißer Schrift verwenden.
Die Bezeichnung „Stadtbahnbogen + Nummer + Postleitzahl + Ort“ ersetzt dabei teilweise die reguläre Postanschrift respektive Gebäudeadresse,
das heißt, Straße und Hausnummer entfallen.
Allerdings wird zur besseren Orientierung meist noch die jeweils benachbarte Straße zusätzlich angegeben.
Nutzung: Die Stadtbahnbögen dienen teilweise als Nutzfläche, die Erbauer der Stadtbahn haben die Räume in den Viaduktbögen
dabei von Anfang an als vermietbare Immobilie betrachtet.
Dies mildert den barrierehaften Charakter einer gemauerten Hochbahntrasse mitten im Stadtgebiet beträchtlich.
Dabei blieb die Staatsbahn auch nach 1934, als die für die Stadtbahn zuständige Kommission für Verkehrsanlagen
in Wien aufgelöst und ihre Infrastruktur samt Viaduktbögen an die Gemeinde Wien übertragen wurde,
teilweise im Besitz der darunter liegenden Grundstücke.
Dies hat zur Folge, dass die Österreichischen Bundesbahnen bis heute als Vermieterin der von zahlreichen Gewerbetreibenden genutzten Gewölbe unter den Schienen auftreten.
Oft bewirtschaften die betreffenden Unternehmer gleich zwei oder mehrere nebeneinanderliegende Bögen.
In den Randlagen wurden sie dabei ursprünglich meist als Lager und Magazine genützt,
in den dichter besiedelten Wohngebieten siedelten sich hingegen Handwerks- und andere Gewerbebetriebe an, die jedoch im Laufe der Zeit zunehmend verschwanden.
Viele Bögen standen daraufhin jahrzehntelang leer.
Ende der 1990er Jahre setzte die Stadt Wien eine Initiative zur Wiederbelebung der Stadtbahnbögen,
worauf sich im Bereich des 8. und 9. Bezirks einige Szenelokale und erneut Handwerksbetriebe ansiedelten.
Genutzt wurde dabei unter dem Namen URBAN Wien – Gürtel Plus die EU-Gemeinschaftsinitiative URBAN.
Auch entlang des
Donaukanals wurden in den Jahren 2008 und 2009 beim Zaha-Hadid-Haus
13 Bögen als Teil einer neugeschaffenen Kunst- und Gastronomiemeile revitalisiert.
Viele der wiederbelebten Bögen wurden auf beiden Seiten der Trasse mit einheitlichen großen Panoramaverglasungen versehen,
die sich harmonisch in die strenge Geometrie des Viadukts einfügen.
Zugesperrte, mit Brettern vernagelte Verliese, verwandelten sich dadurch in lichte, einladende Lokale.
Dies bekräftigt den ursprünglichen Entwurf Otto Wagners, der die Bögen bereits als transparent und damit weniger wuchtig geplant hatte.
Im Inneren integrierte man die architektonische Substanz der alten Backsteingewölbe im Zuge der Wiederbelebung in vielen Räumen sichtbar in die moderne Ausstattung.
Teilweise nehmen die Pächter mit ihrem Firmennamen explizit Bezug auf ihre besondere Lage.
Darunter beispielsweise die Galerie kunstBOGEN, die Textilwerkstatt Schnittbogen, die Bar B72 in den Bögen Nummer 72–73,
der Verein Kulturbogen, das Bierlokal Brandauers Bierbögen, der Rote Bogen der SPÖ Ottakring,
die Veranstaltungsstätten Venster 99 und Lichtbogen 334 in den entsprechenden Gewölben Nummer 99 und 334 oder mit dem CrossZone ein Fitnesscenter,
das seine Räumlichkeiten über fünf so genannte Trainingsbögen, einen Therapiebogen und einen Outdoorbogen aufgeteilt hat.
Die Bögen der 1859 eröffneten Verbindungsbahn sind dabei deutlich älter als die übrigen.
Darüber hinaus ist im Wiener Stadtgebiet auch die 1916 eröffnete
Floridsdorfer Hochbahn
überwiegend auf Viaduktbögen trassiert, insgesamt 114 an der Zahl. Hierbei flossen die Erfahrungen aus dem Bau der Stadtbahn ein.
Abgerissene Bögen: Zusammen 36 weitere Stadtbahnbögen auf der südlichen Gürtellinie fielen ab 1985 dem Neubau
der 1989 eröffneten U-Bahn-Station Längenfeldgasse und dem damit verbundenen Umbau der Zulaufstrecken zum Opfer:
8 Bögen zwischen der Station Meidling Hauptstraße und der ehemaligen Brücke über die Storchengasse / Gierstergasse
11 Bögen zwischen der ehemaligen Brücke über die Storchengasse / Gierstergasse und der ehemaligen Brücke über die Stiegergasse / Längenfeldgasse
4 Bögen zwischen der ehemaligen Brücke über die Stiegergasse / Längenfeldgasse und der ehemaligen Brücke der Gürtellinie über die Untere Wientallinie
5 Bögen zwischen der ehemaligen Brücke der Gürtellinie über die Untere Wientallinie und der ehemaligen Brücke über die Koblingergasse
8 Bögen zwischen der ehemaligen Brücke über die Koblingergasse und der Brücke über die Zeile
Die letztgenannte Bogengruppe wurde dabei durch die Neubaubögen I–VIII ersetzt, die jedoch im Gegensatz zu ihren historischen Vorbildern ein wesentlich stärkeres Gefälle aufweisen.
Der Einzelbogen 346 im Bereich des Verbindungsbogens wiederum wurde nach Stilllegung dieses Abschnitts im Jahr 1991 abgerissen. Er musste der neuen Verkehrsstation Wien Spittelau weichen, die 1995/1996 in Betrieb ging.
Darüber hinaus erfolgte früher auch die Gleistrasse der Wiener Verbindungsbahn zum Nordbahnhof hin um den nördlichen (stadtäußeren) Teil des Pratersterns herum auf Viaduktbögen, wobei sich über der Hauptallee die Haltestelle Praterstern befand. Diese wurden Ende der 1950er Jahre abgetragen um unter veränderter Gleistrasse als Teil der heutigen S-Bahn-Stammstrecke quer über den Praterstern für den Neubau des Bahnhofs Praterstern Platz zu schaffen.
Quelle: Text:
Wikipedia, Bilder: Wolfgang Glock unter der Lizenz CC BY-SA 4.0, HeinzLW unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 at, Herzi Pinki unter der Lizenz CC BY-SA 4.0 und Tokfo unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 at.