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Die Bundeshauptstadt

Person - Anton Schlinger

Anton Schlinger (* 31. Juli 1870 in Abtsdorf, Böhmen; † 21. Oktober 1912 in Wien, Bestattungsdatum: 16. Mai 1913) war ein österreichischer Gewerkschafter und Politiker (SDAP). Er war Mitglied des Wiener Gemeinderates und des österreichischen Abgeordnetenhauses.

Leben: Als Sohn eines Kleinhäuslers und Landarbeiters geboren, besuchte Schlinger die Volksschule und schlug sich zunächst mit Gelegenheitsarbeiten durch. Er übersiedelte 1888 in die damals noch selbstständige Gemeinde Floridsdorf, wo er zunächst in einer Gärtnerei beschäftigt war. Er arbeitete später als Hilfsarbeiter in einer Schraubenfabrik und wurde zuletzt dort zum Fräser.

Neben seinem Beruf bildete sich Schlinger in Volksbildungskursen des Verbandes der Arbeitervereine von Floridsdorf und Umgebung weiter und wurde in der Folge in der Gewerkschaftsbewegung aktiv. Er trat Anfang der 1890er Jahre der Gewerkschaft der Metallarbeiter bei und wurde in deren Ortsgruppenausschuss gewählt. Sein gewerkschaftliches Engagement führt zu seiner Kündigung. Schlinger kam jedoch in der Folge in der Lokomotivfabrik Floridsdorf unter, wo ihn seine spätere Frau, Katharina Schlinger, für die sozialdemokratische Partei anwarb.

Schlinger stieg in der Folge zum Hauptvertrauensmann der Sozialdemokraten in Floridsdorf sowie 1894 zum Obmann der Metallarbeitergewerkschaft auf. Zudem gründete er 1896 die Zeitung „Der Wähler“ (ab 1898 „Volksbote“), die er als Redakteur und Herausgeber betreute.

Seine parteipolitischen Aktivitäten führten erneut zu einem Konflikt mit seinem Arbeitgeber, weshalb Schlinger ab 1898, von seiner Partei vermittelt, als Krankenkassenkontrolleur arbeitete und Beamter der Bezirkskrankenkasse Floridsdorf wurde. Er leitete 1897 den Wahlkampf der Sozialdemokraten in Floridsdorf und wurde 1899 zum Obmann der Sozialdemokratischen Partei Floridsdorf gewählt. Nachdem er 1903 zum Gemeinderat in Floridsdorf gewählt worden war, wurde er nach der Eingemeindung von Floridsdorf nach Wien im Jahr 1904/1905 Gemeinderat in Wien. Des Weiteren war Schlinger ab 1900 Wahlkreisvertrauensmann der Sozialdemokratischen Partei sowie Klubobmann der Wiener Sozialdemokraten. Er kandidierte erstmals im Jahr 1901 für den Reichsrat und konnte schließlich bei der Reichsratswahl 1911 ein Mandat im Wahlbezirk Österreich unter der Enns 36 erlangen. Er war in der Folge im Teuerungs- und Weinkulturenausschuss aktiv; parallel dazu gehörte er weiterhin dem Wiener Gemeinderat an. Er wurde am Groß-Jedlersdorfer Friedhof (Gruppe: 1L D, Reihe: 3, Nummer: 1) bestattet. Wikipedia: Das Grab ist bereits aufgelassen.

Der 1924 bis 1926 erbaute Schlingerhof im 21. Bezirk wurde nach ihm benannt. Von 1920 bis zur Umbenennung durch den austrofaschistischen Ständestaat 1934 war die heutige Hermann-Bahr-Straße in Floridsdorf ebenfalls nach Anton Schlinger benannt.

Arbeiter Zeitung vom 22.10.1912, Seite 1 und 2: Anton Schlinger. Er war ein treuer Sozialdemokrat, ein braver Genosse, unser Anton Schlinger, den die tückische Krankheit so jäh aus unserer Mitte gerissen. Tritt der Tod ans Ende der Dinge, verfällt ihm ein Leben, das schon vollendet, so wirkt das Schicksal, das alles Menschliche beherrscht, versöhnend, und nur mit be­wegter Wehmut sehen wir zerfließen, was im Dasein schon erfüllt war. Aber hier ist ein Mann aus der Vollkraft seines Lebens und Wirkens gerissen worden; hier ist ein Baum gefällt worden, der noch lange grünen und blühen hätte können, hier hat der Tod gar grausam gehaust. In kurzer Zeit sind drei tüchtige Männer, jeder von ihnen an seinem Platze ein vielbewährter Kämpe und sie alle drei im besten Mannesalter stehend, von uns geschieden. Nach Franz Silberer und Arnold Riese verliert nun unsere parlamentarische Fraktion innerhalb eines Jahres in Anton Schlinger das dritte Mitglied, und sie alle drei waren junge gesunde Menschen, alle drei hat ein blindes Ungefähr dahingerafft! Da will sich kein Trost einstellen, und in schmerzlicher Erschütterung klagen wir um den treuen Freund, den wir alle geschätzt und geliebt und den wir alle verloren haben! Ein vorbildlicher Sozialdemokrat war Anton Schlinger, und aus diesem schlichten Arbeiterleben kann das ganze heranwachsende Geschlecht lernen: lernen, was proletarische Energie vermag, lernen, was sozialdemokratisches Pflichtgefühl ist. Aus der dumpfen Enge, wohin kein Sonnenstrahl der Kultur dringt, hat sich Schlinger den Weg gebahnt zum Wissen, zur Bildung; hat er sich selbst befreit und ein neues Leben gebaut. Dazu waren natürlich Anlage und Begabung notwendig; aber dazu waren nicht minder Tapferkeit und ein rastloser Wille notwendig. Das Talent ist nicht so selten, wie man glaubt, und in der Arbeiterschaft, in ihrer ungebrochenen Kraft, sprießen Begabungen nicht spärlich empor. Aber wie viele gehen in den Widrigkeiten des harten Lebens unter, wie viele werden in der zermalmenden Monotonie des Arbeiterlebens verschüttet! Was Schlinger erfüllte und ihm die zähe Energie einflößte, durch die er die Hinder­nisse überwand, das war seine Begeisterirng für die sozialdemokratische Idee, das war die feurige Leidenschaft, mit der er sich der Proletarier­partei und ihren hehren Zielen verband. Und so wirkte dieses Leben aus dem Engen ins Weite, ergriff immer größere Ausgaben und blieb der kleinsten nichts schuldig. Schlinger war das Muster eines sozialdemokratischen Vertrauensmannes, in der Unermüdlichkeit und Emsigkeit seines Arbeitens, in der Zuverlässigkeit seines Wesens nicht zu über­treffen. Ihn kannte im Floridsdorfer Bezirk wohl jeder und er kannte sicherlich jeden. Er war dort nicht bloß Organisator und Agitator, er war dort nicht etwa bloß der Vertrauensmann im Gefüge der Partei, nicht bloß der schöpferische Geist im Innern der Beratung, der tatkräftige Führer im Kampfe, er war dort für jeden Arbeiter auch der persön­liche Freund, der treue Freund, dem jede Sorge anvertraut wurde, den man in allen Kümmernissen zu Rate zog, der immer noch einen Ausweg ersann, immer noch eine Hilfe ausfindig machte, er war dort der gute Geist der gesamten Arbeiterschaft. Es werden in Floridsdorf viele Tränen geweint werden, da die schmerzensvolle Kunde in den Bezirk drang, daß der Floridsdorfer Arbeiterschaft, der Floridsdorfer Partei­gemeinschaft ihr Anton Schlinger gestorben ist! Aber so verwachsen Schlinger mit der großen Organisation in Floridsdorf war: in Kirchturmwesen ist er nie aufgegangen, immer hat er sich den Blick auch fürs Ganze und Große bewahrt, auf jedem Posten hat er seinen Mann gestellt und zu den schwersten Aufgaben wäre er allmählich hinausgewachsen. Denn er war ein kluger Mensch und ein seichtes, oberflächliches Wort kam nicht über seine Lippen. Deswegen horchte man überall in der Partei auf, in der Landesparteivertretung, in der Fraktion, auf den Parteitagen, wenn Anton Schlinger sprach, der immer etwas zu sagen hatte. Und was war unser Schlinger für ein guter, lieber Mensch! Wer je in diese treuen Augen hineingesehen, dieses freundliche Lächeln erlebt hat, wer diesen bei aller Unbeugsarnkeit im Handeln grundgütigen Menschen be­obachtet, der empfindet seinen Verlust als eigensten, persönlichen Schmerz. Und es haben ihn viele, viele gekannt und Trauer um den Allzufrühverlorenen durchzieht die ganze Partei. Ein Kämpfer fiel, und schwere und harte Kämpfe müssen noch ausgekämpft werden. Vielleicht ist es das Schmerzlichste, daß wir den vollen Wert des Menschen erst erkennen, wenn wir ihn verloren haben, daß erst der Verlust uns ganz ermessen läßt, was wir an dem Freund besessen haben. So erfahren wir erst jetzt, da die Lücke sichtbar wird, die dieser jähe Tod in unseren Reihen reißt, was der Besitz von Anton Schlingers Leben und Kraft gewesen ist. Den Toten werden wir der Erde übergeben, aber sein Geist, dieses vorbildliche Leben und Streben des kämpfenden Proletariats, wird in uns lebendig bleiben. Er möge anfeuernd wirken, aus ihm mögen die Jungen, die jetzt aufwachsen, um einst die Arbeit der Aelteren und Alten fortzusetzen, den Ansporn empfangen, so wertvoll, so fruchtbar zu wirken, wie dieser Tote im Laufe seines ganzen Lebens gewirkt hat. Möge aus der Betrachtung dieses Arbeiterlebens kräftiger Entschluß hervorsprießen: der wird des rastlosen Kämpfers und Arbeiters schönste Ehrung sein!

Schlingers Erben. Anton Schlinger, an dessen Bahre heute das gesamte deutsche Proletariat Oesterreichs trauert, hat am 31. Juli sein 42. Lebensjahr vollendet. Zweiunddreißig Jahre dieses Lebens gehörten der Arbeit. In dieser Spanne hat er den Riesenweg vom böhmischen Dorfjungen, dem Gemeinde und Staat das Wissen einer vierklassigen Volksschule mitgaben, bis in die erste Reihe der Vertrauensleute des Proletariats zurück­gelegt. Sein Vater war Kleinhäusler und als solcher landwirtschaftlicher Arbeiter auf dem Gute des nach­maligen deutschen Landsmannmininisters Peschka. Noch im schulpflichtigen Alter zog Schlinger mit seinem Vater auf Arbeit aus. Achtzehnjährig wanderte er in die Fremde. Von der hemnatlichen Scholle Abts­dorf trieb es ihn nach der Großstadt. In dem ihr nördlich vorgelagerten Fabriksdorf fand er Arbeit. Nach langein Suchen. Erst bei einem Gärtner. Dann sah sich das Landkind, das vor kurzem noch mit dem Schollenschlegel hinter dein Pfluge schritt, die Knollen zu zerschlagen, in das Getriebe der eisernen Ungetüme ringsum versetzt, als Hilfsarbeiter in der Urbanschen Schraubenfabrik in Floridsdorf. Eine Maschine von Fleisch und Blut inmitten der eisernen. Aber er begriff rasch. Vom Hilfsarbeiter stieg er zum Hobler auf, vom Hobler zum Fräser. Er suchte aber auch das Wie und Warum seines neuen Lebens zu begreifen. Etwas hatte er ja schon aus Büchern er­fahren. Der Pfarrer von Abtsdorf hatte seinen Lesedurst genährt, aber nun eröffneten sich ihm ganz andere Möglichkeiten. Arbeitsgenossen hatten ihn in den Arbeiterbildungsverein eingeführt und bald war er einer der eifrigsten Leser. Er verschlang förmlich die kleine Vereinsbibliothek, und als sie ihm nicht mehr genügte, wurde er Mitglied des Wiener Volksbildungsvereines, um die Schätze der Büchereien dieses Vereines zu heben. Erst kam Lassalle daran, dann Philosophen: Kant, Hegel, endlich das „Kapital" von Marx. Er biß sich durch. Die älteren Floridsdorfer Genossen Pölz und Türk erinnern sich noch genau des jungen Schlinger, dessen unstillbarer Bildungsdrang allen ein leuchtendes Vorbild war. Er suchte ab und zu auch schon weiterzugeben, was er aus den Büchern empfangen hatte. An der Gründung des „Verbandes der Arbeiter­vereine von Floridsdorf und Umgebung" nahm der, junge Genosse schon lebhaften Anteil und als der Verband Unterrichtskurse veranstaltete, war er der eifrigste Schüler. In dem Redekurs des Genossen Freihofer gewann er rednerische Gewandtheit, überwand er die Scheu vor dem öffentlichen Reden, das er bald gut verwerten konnte. Sein erstes Organisationsinteresse galt den Gewerkschaften. Es war Anfang der Neunzigerjahre. Der Ausnahmszustand mit seinen hemmenden Wirkungen war vorüber, aber noch nicht ganz hatte sich die Arbeiter­klasse von den verworrenen anarchistischen Ideen befreit. Zumal Floridsdorf, das ja ein Herd dieser Propaganda gewesen. Als einer der ersten begriff Schlinqer, wie wichtig die nüchterne Tagesarbeit des gewerkschaftlichen Organisators ist, und da die Metall­arbeiter wieder eine Gruppe bildeten, war er im Ortsgruppenausschuß. Die erste Wirkung war, daß ihn die Firma Urban und Komp. maßregelte. Er fand Arbeit und ein neues Agitationsfeld in der Lokomotivfabrik. Bald war er dort Hauptvertrauensmann, und zwar einer, der sich nicht den Mund verbinden ließ. Die mangelnden oder mangelhaften Schutzvorrichtungen forderten Opfer um Opfer; da war es Schlinger, der die öffentliche Aufmerksamkeit aus diesen Arbeitermord lenkte und in großen Versammlungen zum Ankläger der Betriebsleitung wurde. Dieser Ankläger blieb er weiter und er bekannte sich um so freudiger dazu, als er in der sehr begabten Arbeiterin Kathi Urban, die er im Arbeiterbildungsverein kennen gelernt hatte, eine Lebensgefährtin fand, die verstand, um was es ging. Sie war sein guter Genius. Die Ehe war ihm kein Hindernis, seinen vielen Verpflichtungen, die er nach und nach übernehmen mußte, nachzukommen. Abend um Abend war er in Versammlungen und Sitzungen. Seine tapfere und kluge Frau stand ihm helfend und beratend zur Seite. Nur den Sonntagnachmittag verbrachte er im Kreise der Seinen. So stieg er auf von Verantwortung zu Ver­antwortung. Erst Obmann der Metallarbeiter, dann von 1894 ab, da er auch schon in die Wiener Lokalorganisation entsendet worden war, auch politischer Ver­trauensmann in der ersten Reihe, später an der Spitze. In den Wahlrechtskämpfen der Neunzigerjahre marschierte er voran. Die Schaffung der fünften Kurie bringt im Kampfe einen Stillstand, umsomehr aber organisatorische Arbeit. Der achte niederösterreiche Wahlkreis (Viertel unter dem Manhartsberg) umfaßte fünfhundert Orte. Der Sitz der Orga­nisation ist Floridsdorf. Womöglich in allen Orten braucht man Vertrauensleute. Hat man sie, dann muß mit ihnen die Verbindung aufrecht erhalten werden. In dem von Schlinger begründeten „Wähler" ist dieses geistige Verbindungsmittel geschaffen. Schlinger ist Redakteur. Er greift zur Feder und führt sie auch weiter, als aus dem „Wähler" der „Volksbote" wird. Alles ein Nebenamt. Bis 1899 ist er ja Fabriks­arbeiter. Wieder ereilt ihn das Schicksal der Maß­regelung. Die Bezirkskrankenkasse macht ihn zum Kontrollor. Auch hier ist der rechte Mann auf dem rechten Platze. Pflichttreue, Umsicht und entgegen­kommendes Wesen zeichnen ihn aus. Zur Achtung, die ihm längst geworden, gesellt sich die Liebe seiner Mitkämpfer. 1900 wird er Wahlkreis­vertrauensmann. Auch hier derselbe un­ermüdliche Mann, der sich nun auch um die engeren Ortsinteressen zu bekümmern beginnt. 1903 ist Wahl in den Gemeindeausschuß von Floridsdorf. Im dritten Wahlkörper bewerben sich er und neun andere Parteigenossen um die Stimmen der Wähler und sie erobern den Wahlkörper. In die christlichsoziale Gemeindestube vor den Toren der Lueger-Stadt ist Bresche gelegt. Das beschleunigt die Einverleibung. 1905 ist Schlinger Gemeinderat der Stadt Wien und er blieb es bei zwei­maliger Nachwahl bis zu seinem Tode — ein unermüdlicher und warmer Verfechter der Interessen des Proletariats dieses Industriebezirkes. Er war der ewige Mahner, daß Wien seine Versprechungen einlösen möge, daß endlich das Spital gebaut werde, daß Floridsdorf Wien durch guten Verkehr näher gebracht werde, und er enthüllte auch die aufsehenerregenden Floridsdorfer Versatzamts- und Grundverkaufsgeschichten. Noch in der letzten Gemeinderatssitzung vom 8. Oktober ergriff er einigemale das Wort, das nie herausfordernd, aber immer unerbittlich sachlich war. Die Genossen des gemeinderätlichen Klubs wählten ihn zum Obmann. Viel verdankt Floridsdorf als Stadtteil seinem Wirken. Auch jetzt noch studierte er. 1908 machte er die Sommerparteischule in Bodenbach als einer ihrer eifrigsten Schüler mit. Seine schier unverwüstliche Arbeitskraft hat der Partei auch den Parlamentssitz des Städtekreises Klosterneuburg-Krems im Jahre 1911 heimgebracht. Er befreite damit das öffentliche Leben von Herrn Weidenhoffer unerquicklichen Angedenkens. Damit hatte sich aber Schlinger selbst eine neue Pflichtenlast auferlegt. Auch im Parlament stellte er seinen Mann — im Hause und in den Ausschüssen, in denen er wirkte: im Teuerungs- und im Weinkulturausschuß, wo er es namentlich den agrarischen Mitgliedern durch seine genaue Kenntnis landwirtschaftlicher Arbeit erschwerte, unsachlich zu werden oder Dinge zu erzählen, die nicht stimmen. Die tückische Krankheit, die ihm nun ans Leben ging, überfiel ihn schon im heurigen Früh­jahr. Die akuten Erscheinungen, die in der vorigen Woche auftauchten, ließen erkennen, daß höchste Gefahr ist. Schlinger entschloß sich wohl sofort zur Operation, obgleich gerade um diese Zeit seine Familie neuen Zuwachs bekam — aber es war schon zu spät. Der Krankheitsprozeß war schon zu vorgeschritten. Die Kunst der Aerzte konnte die Kata­strophe nicht aufhalten. Gestern vormittag um 1/2 12 Uhr verschied er. An seiner Bahre trauern mit seiner treuen Gefährtin vier Kinder. Ein wackerer Mensch ist mit Anton Schlinger dahingegangen, ein unermüdlicher, selbstloser Arbeiter für die Gegenwartsforderungen der Sozialdemokratie und für ihre letzten Ziele. Wie das Leben und Ringen des Proletariats, so liegt sein eigenes Leben und Ringen nun vor uns, den rückschauend Trauernden. Er hat dem Proletariat alles gegeben, was er hatte. Danken wir es ihm, indem wir ihm nachleben.

Trauerkundgebnng im Sozialdemokratischen Klub. Zu Beginn der gestrigen Klubsitzung der Fraktion der deutschen sozialdemokratischen Abgeordneten pries Perner­storfer das Andenken Schlingers: „Er war keiner von den Lautesten, aber einer von den Tätigsten!" In tiefer Bewegung hörten die Genossen die Worte warmen Gedenkens. Die Parlamentsfahnen sind auf Halbmast, vom Parteihause und vom Rathause wehen Trauerfahnen. Die steiermärkische Landesparteivertretung sprach der niederösterreichen telegraphisch das Beileid aus.

Die Gegner über Schlinger. Welcher Achtung sich Genosse Schlinger auch im Kreise der Gegner erfreute, zeigt ein Bericht, den der „Bote für den Städtewahlkreis Klosterneuburg und Kor­neuburg" über die Versammlung, in der er seinen Rechenschaftsbericht ablegte und die am 18. Jänner d. J. in Korneuburg stattfand, veröffentlichte. Das christlichsoziale Organ schrieb damals: „Uns war bei diesem Anlaß als unbeteiligten Zuhörern Gelegenheit geboten, einen Vergleich zu ziehen zwischen dem Verhalten des ehemaligen deutschfreiheitlichen Abgeordneten Dr. Weidenhoffer und jenem Schlingers. Wir hatten Gelegen­heit, den oft mehr als anmaßenden, manchmal geradezu uner­träglichen provokatorischen Reden des akademisch verbildeten so­genannten Volksvertreters zuzuhören, dessen persönliches Verhalten selbst bei seinen eigenen Gesinnungsgenossen nur allzuoft ein höchst unbehagliches Gefühl auslöste, und konnten — so schwer dieses Geständnis vielleicht in gewisser Beziehung auch sein mag — dem einfachen Mann aus dem Volke, welcher in meisterhaft sachlicherArt seine schwierige Aufgabe löste, unsere Anerkennung nicht versagen. Wenn wir auch noch so sehr bedauern, daß unser Wahlkreis von einem nichtbürgerlichen Abgeordneten im Parlament vertreten wird, die Tatsache muß anerkannt werden, daß Schlinger red­lich bestrebt ist, seine Pflichtcn zu erfüllen und jede Phrasendrescherei zu vermeiden."

Das Leichenbegängnis. Das Leichenbegängnis deS Genossen Schlinger findet morgen Mittwoch, nachmittags präzise 4 Uhr, vom Trauerhause, Angererstraße Nr. 14, Arbeiterheim Floridsdorf, aus statt. Die Beerdigung erfolgt im Groß-Jedlersdorfer Friedhof.

Gleichheit vom 25.10.1912, Seite 6: Abgeordneter Anton Schlinger gestorben. Abgeordneter Genosse Anton Schlinger ist Montag den 21. Oktober plötzlich gestorben. In dem leider so früh verstorbenen Gen. Schlinger verliert die Partei einen hervorragenden Organisator und Agitator, der im Floridsdorfer Industriebezirk und in Niederösterreich überhaupt in Jahrzehntelanger unermüdlicher Arbeit Großes geleistet hat. Sowohl die Partei- wie die Gewerkschaftsorganisation besaß in Schlinger einen aufopferungsvollen Kämpfer, der lange Jahre hindurch bei keiner Werkstättenversammlung, bei keiner Straßenbesprechusg fehlte. Die mustergültige Orgasisation im Floridsdorfer Bezirk ist zum großen Teil sein Werk. Schlinger ist am vorigen Mittwoch an einer akulanten Blinddarmentzündung erkrankt. Er wurde in das Sanatorium Fürth überführt, wo sofort die allem Anscheine nach gelungene Operation vorgenommen wurde. Der anfänglich bedenkliche Zustand des Patienten hat sich in den letzten Tagen gebessert, so daß allgemein seine Wiederherstellung in wenigen Tagen zu erwarten war. Sonntag trat ein Rückschlag ein und Montag ist der brave Genosse verschieden. Genosse Schlinger vertrat im Wiener Gemeinderat den Bezirk Floridsdorf (4. Wahlkörper) und im Reichsrat den 36. Reichsratswahlbezirk (Krems-Stein-Korneuburg-Klosterneuburg-Stockerau). Schlinger wurde in der Stichwahl gegen den bekannten Dr. Weidenhoffer gewählt. Die Partei wird dem treuen Kämpfer ein bleibendes Andenken bewahren.

Quelle: Dieser Text basiert auf dem Artikel Anton_Schlinger aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons CC-BY-SA 4.0 (Text erweitert). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. Bilder: www.nikles.net, Anton Schlinger, http://www.abtsdorf.eu/berichte--2012.html, gemeinfrei, Arbeiter Zeitung vom 22.10.1912, Seite 1 und 2, Gleichheit vom 25.10.1912, Seite 6.



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