01. Bezirk - Churhaus (Curhaus)
An der Südseite des
Stephansplatzes vis á vis des
Stephansdomes
im 1. Wiener Gemeindebezirk
Innere Stadt befindet sich das Churhaus (Curhaus).
Eine Gedenktafel berichtet, dass hier die älteste Schule (Bürgerschule) von Wien stand.
Damit kann aber nur die Einrichtung gemeint sein, denn die erste Schule von Wien wird erstmals im Jahre 1237 erwähnt
und zwar als "Schule bei St. Stephan".
Zuerst stand die Schule unter kirchlicher Leitung, und ab 1296 unter der Aufsicht der Gemeinde Wien als "Bürgerschule".
Errichtet wurde das Gebäude nach Entwürfen von Daniel Christoph Dietrich und Johann Gottfried Pock
und laut Info-Tafel (wahrscheinlich) von Mathias Franziskus Gerl erbaut.
Die
Churhausgasse
wurde 1862 nach diesem Gebäude benannt.
Das kleine Volksblatt vom 3.8.1929, Seite 3:
Der Dachstuhl des Churhauses am
Stephansplatz eingeäschert.
Brennende Holzstücke gefährden die Südfront des
Stephansdomes.
Im Churhaus am
Stephansplatz brach
gestern nachmittag nach halb 4 Uhr ein geährliches Dachfeuer aus, das sich mit unheimliher
Schnelligkeit verbreitete und in kurzer Zeit den ganzen mittleren Teil
des Dachstuhles einäscherte.
Die Feuerwehr sah sich vor eine überaus schwierige Arbeit gestellt.
Ungeheure Wassermassen prasselten in das brennende Gebälk.
Unausgesetzt ging ein Regen von Ziegeltrümmern auf den
Stephansplatz
nieder und bedeckte den Boden längs der Front des Gebäudes.
Eine ernste Situation ergab sich, als der Dachboden freigelegt wurde.
Meterhoch schlugen die Flammen empor. Krachend stürzten die Umrahmungen der Bodenfenster auf das freigelegte Dach.
Ein Regen von brennenden Holzstücken ergoß sich über die Straße bis zur Front des
Stephansdomes.
Die herrschende Windstille verhinderte eine Katastrophe von unabsehbaren Folgen.
„Der Brand hatte in der Stadt ungeheures Aufsehen hervorgerufen, um somehr,
als er zu einer Zeit ausbrach, wo der Geschäftsgang am regsten ist. Rund um den
Stephansplatz,
der inzwischen von der Sicherheitswache im weiteren Umkreise abgesperrt worden war,
standen Tausende von Schaulustigen, die gespannt die einzelnen Aktionen der Feuerwehr verfolgten.
Das Brandaviso war um 15 Uhr 36 Minuten in der Feuerwehrzentrale Am Hof eingetroffen,
worauf diese sowie die Hauptwache Favoriten je einen Löschzug samt Nebengeräten an die Brandstelle sandten.
Die Löschaktionen, die unter dem Kommando des Oberbrandrates Stanzig ausgeführt wurden,
mußten vom Nebenhause aus erfolgen,
da der mittlere Teil des dreiteiligen Dachstuhles bereits ganz in Flammen stand.
Im Hause befindet sich bekanntlich der
Churhauskeller und eine Meinl-Filiale.
Trotzdem der Brand mit großer Schnelligkeit um sich gegriffen hatte, war zum Glück
kein Menschenleben in Gefahr geraten. Durch die Stärke der auf das Dach geschleuderten Wassermengen mußte
die Wohnung des Direktors der Meinl-A.-G, Neugebauer, erbrohen werden, da Wasser in die Wohnräume durchgoesickert war.
Die Wohnung ist derzeit unbewohnt, da sich ihr Inhaber vor zwei Tagen auf Sommerfrische begeben hat.
Die Schuldfrage.
Ueber die Ursachen des Brandes herrscht zurzeit noch keine vollständige Klärung.
Da bekannt wurde, daß auf dem Dache vorher zwei Spenglergehilfen Reparaturen vorgenommen hatten,
liegt die Vermutung nahe, daß einer von diesen durch unvorsichtiges Hantieren mit einer Lötlampe
den Brand hervorgerufenn haben kann.
Wie jedoch der Kommandant der Feuerwehr unserem Mitarbeiter versichert hat, läßt sich diese Annahme zurzeit noch nicht bestätigen.
Oberpolizeirat Denk, der mit 100 Mann die Absperrung des
Stephansplatzes vornahm,
erklärte unserem Mitarbeiter, daß auch die Vermutung aufgetaucht ist, daß der Brand durch einen schadhaften Kamin entstanden sein könne,
wie die weiteren an Ort und Stelle gepflogenen Erhebungen der Feuerwehr vermuten lassen.
Die Leistung der Feuerwehr hat bei den zahllosen Zuschauern ungeteilte Anerkennung gefunden.
Mit bewunderungswürdiger Geschickichkeit drang sie mitten in den Flammenherd ein und riß die brennenden Balken und Sparren auseinander.
Ein Teil des Gebälkes mußte sicherheitshalber vollständig abgetragen werden und wurde auf den Platz heruntergeworfen.
Obwohl der Brand nach kaum einer halben Stunde als ge1öscht betrachtet werden konnte,
mußte die Feuerwehr noch lange auf das noch glossende Gebälke starke Wassermassen spritzen, da das dürre Holz immer wieder neue Flammenbildung verursachte.
Aus der Geschichte des Churhauses. Das Churhaus, das um das Jahr 1680 erbaut worden sein dürfte, hat mannigfache Schicksale durchgemacht.
Bis vor nahezu zwanzig Jahren war darin das erzbischöfliche Alumnat untergebracht, das dann in der Bolzmanngasse neue Räume fand.
Dann war es während des Krieges der Sitz der Orientabteilung des Kriegsministeriums;
nach dem Kriege wohnte der jeweilige Chur- und Chormeister von
St. Stephan mit den Domkuraten darin.
Gegenwärtig bewohnen Msgre. Engelbert Müller und die Geistlichkeit den ersten Stock und einen
Teil des zweiten Stockes; den Rest des vierstöckigen Gebäudes mit seiner 15-Fensterfront hat jetzt die Firma Meinl inne.
Die Bauart ist nocch ganz die alte mit dem hohen Schrägdach, das in zwei Stockwerken sich erhebt und quer durch einen hölzernen Fußboden unterteilt ist.
Das letzte Stockwerk mit dem jetztigen Schrägdach hat Kaiser Josef I. aufsetzen lassen.
Das Gebäude hat noch in der Mitte einen Quertrakt gegen die Singerstraße, der zwei Höfe bildet.
Es beherbergt auch die Churhauskapelle und die erzbischöfliche Bibliothek.
Das hohe, schiefe Dach ist mit Ziegeln gedeckt; das Gebälke besteht aus uraltem Eichenholz.
Wiener Allgemeine Zeitung vom 11.3.1926, Seite 5:
Ein neues Regime im Churhauskeller. Der
Inhaber der Jubiläumsrestauration bei der
Volksoper
und ehemalige Pächter der Konzerthausrestaurants, Herr Kommnerzialrat
Josef Pohl, hat
den Churhauskeller auf dem
Stephansplatz
übernommen. Gleichzeitig hat sich Herr
Pohl der
Mitarbeit des im internationalem Hotel- und Restaurantbetrieb sehr versierten Herrn Josef Feszl
versichert. Das neue Regime im Churhauskeller
bürgt durch den Namen
Pohl für eine erstklassige Führung dieses vornehmen Lokales.
Quelle: Text: www.nikles.net, Bilder: Buchhändler unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 und Peter Gugerell, gemeinfrei, Das kleine Volksblatt vom 3.8.1929, Seite 3, Wiener Allgemeine Zeitung vom 11.3.1926, Seite 5.