Der Judenplatz ist ein Platz in der Wiener Innenstadt, der im Mittelalter das Zentrum der jüdischen Gemeinde Wiens war. Er liegt in unmittelbarer Nähe des Platz am Hof und des Schulhof sowie der Wipplingerstraße. Beispielhaft fokussiert sich auf diesem Platz die lange und wechselvolle Geschichte der Stadt und ihrer mittelalterlichen Judengemeinde. Mit der Verwirklichung der Idee Simon Wiesenthals, ein Mahnmal für die österreichischen Opfer der Shoa zu errichten, ist der Judenplatz zu einem Ort der Erinnerung geworden.
Geschichte: Der Judenplatz bildete unter dem Namen
„Schulhof“ bis 1421 den Mittelpunkt der einstigen
Judenstadt, die 1294 erstmals erwähnt wurde. Um 1400 lebten
hier 800 Einwohner: Händler, Kreditgeber, Gelehrte. Die
Judenstadt erstreckte sich nach Norden bis zur Kirche Maria
am Gestade, die Westseite wurde vom Tiefen Graben, die
Ostseite von der Tuchlauben begrenzt. Die Südseite bildete
der Platz „Am Hof“. Das Ghetto besaß 70 Häuser, die so
angeordnet waren, dass ihre Rückwände eine geschlossene
Begrenzungsmauer bildeten. Durch vier Tore konnte das Ghetto
betreten werden, die beiden Haupteingänge lagen jeweils an
der Wipplingerstraße.
Am Platz selbst befanden sich das Judenspital (heute
Judenplatz Nr. 10), die Synagoge, die Badestube, das Haus
des Rabbi und die Judenschule, die eine der bedeutendsten
des deutschsprachigen Raumes war. Die Synagoge nahm den
dritten Teil des Platzes ein und lag zwischen der späteren
Jordangasse und der Kurrentgasse. Nach der Schule führte der
Platz damals seinen Namen „Schulhof“. Später wurde dieser
Name auf einen in der unmittelbaren Nachbarschaft gelegenen
kleineren Platz übertragen, der heute noch so heißt. Dem
ursprünglichen Schulhof gab man seit 1423 die Bezeichnung
„Neuer Platz“, seit 1437 heißt er Judenplatz.
Holocaust-Mahnmal: Auf dem Judenplatz steht das
Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoa
der englischen Künstlerin Rachel Whiteread. Es besteht aus
einem Kubus mit Bibliothekswänden voll versteinerter Bücher.
Kein Buchrücken ist lesbar, sie zeigen alle nach innen. Auf
Bodenplatten sind die Namen jener 41 Orte festgehalten, an
denen österreichische Juden während der NS-Herrschaft zu
Tode kamen. Obwohl diese „namenlose“ Bibliothek ein
symbolisches Tor hat, ist sie nicht zugänglich. Das Mahnmal
steht in engem inhaltlichen Zusammenhang mit der Ausstellung
zur Shoa, die im benachbarten Misrachi-Haus eingerichtet
wurde. Hier werden die Namen und Daten von 65000 ermordeten
österreichischen Juden dokumentiert.
Für die Errichtung des Mahnmals wurden von Juli 1995 bis
November 1998 Ausgrabungen durchgeführt. Diese gelten als
die bedeutendsten Stadtkernuntersuchungen in Wien. Auf der
östlichen Hälfte des Platzes wurden außerdem die
Bruchsteinmauern, ein Brunnen und Keller eines ganzen
Häuserblocks gefunden, der zur Zeit der Synagoge hier
gestanden hatte. Die komplette Neugestaltung des Platzes und
seine Umwandlung zur Fußgängerzone wurde im Herbst 2000 mit
der Einweihung des Holocaust-Mahnmals abgeschlossen. Die
Stadt Wien wurde für die Gestaltung des Judenplatzes von der
„Dedalo Minosse International Prize's Jury“ mit dem
Spezialpreis der Stadt Vicenza in Italien 2002
ausgezeichnet.
Misrachi-Haus: Am Judenplatz 8 befindet sich das
sogenannte Misrachi-Haus, das 1694 erbaut wurde und das
heute Teil des Jüdischen Museum Wiens ist. Unter dem Platz
fanden Archäologen 1995 die Grundmauern einer der größten
mittelalterlichen Synagogen Europas und legten sie frei. Mit
den archäologischen Funden entstand die Idee, Mahnmal und
Ausgrabungen zu einem Erinnerungskomplex zu vereinen.
Zusätzlich zum Schauraum wurde 1997 die Errichtung eines
musealen Sektors im Misrachi-Haus konzipiert, der als
Außenstelle des Jüdischen Museums Wien neben den
archäologischen Funden auch Ausstellungen zur Dokumentation
des jüdischen Lebens im Mittelalter sowie eine Datenbank mit
den Namen und Schicksalen der österreichischen
Holocaustopfer beherbergen sollte. An der Vorderseite
befindet sich eine Gedenktafel mit der hebräisch- und
deutschsprachigen Aufschrift: „Dank und Anerkennung den
Gerechten unter den Völkern, welche in den Jahren der Shoa
unter Einsatz ihres Lebens Juden geholfen haben, den
Nachstellungen der Nazischergen zu entgehen und so zu
überleben.“
In der Ausstellung wird besonders auf die Lebensumstände der
Juden bis zur Wiener Gesera, dem Pogrom im Jahre 1421, Wert
gelegt. Baureste der damals aus drei Räumen bestehenden
Synagoge sind zu sehen, die sogenannte „Männerschul“ (Lehr-
und Betraum der Männer) sowie ein angebauter kleinerer Raum,
der von den Frauen benutzt wurde. Zu sehen ist auch das
Fundament der sechseckigen Bima (das erhöhte Podium, auf dem
aus der Tora vorgelesen wird), deren Umriss auch in das
Pflaster des darüber liegenden Platzes, seitlich neben dem
Mahnmal, eingraviert ist.
Gebäude und Gedenktafeln am Judenplatz:
Böhmische Hofkanzlei
Gedenktafel am Haus Judenplatz 6
Haus der Genossenschaft der Kleidermacher (Nr. 10), 1837 / 1838 erbaut von Ignaz Ramm. Das Haus entstand anstelle der Nachfolgebauten des Judenspitals, die 1684 Zech- und Herbergshaus der bürgerlichen Schneider wurden. Bemerkenswert ist der Sitzungssaal. Das Haus trägt als Wappen Schere und Fingerhut und beherbergt ein kleines Innungsmuseum.
Jordan-Haus (Jordanhof)
Lessing-Denkmal am Judenplatz
Gastgewerbefachschule der Wiener Gastwirte (Nr. 3–4). Im Vorgängerhaus lebte 1783 Wolfgang Amadeus Mozart. Eine Gedenktafel von 1929 erinnert daran: „An dieser Stelle stand das Haus No. 244, in dem W. A. Mozart im Jahre 1783 wohnte.“
Patzelt-Hof (Nr. 6), 1900 mit interessantem Foyer erbaut von Wilhelm Jelinek; der Vorgängerbau hieß „Zur goldenen Säule“.
Wohnhaus (Nr. 5), , in späthistoristischem Stil mit sezessionistischem Foyer erbaut 1899 von Max Löw.
„Zur kleinen Dreifaltigkeit“ (Nr. 7) erbaut um 1795 nach einer Häuserzusammenlegung
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Günter Nikles
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