Das Stadtpalais Liechtenstein ist ein Palais im 1. Wiener Gemeindebezirk, Innere Stadt, zwischen Minoritenplatz, Abraham-a-Sancta-Clara-Gasse, Bankgasse (ältere Ortsangabe: vordere Schenkenstraße) und Löwelstraße. Es ist das Majoratshaus der Fürsten von Liechtenstein und befindet sich nach wie vor im Besitz der Familie. Das Gebäude gilt als erstes bedeutendes hochbarockes Bauwerk in Wien.
Lage: Der Haupteingang zum Palais befindet sich, schräg gegenüber dem Südflügel des 1888 eröffneten Neubaus des Burgtheaters, in der Bankgasse 9, Ecke Löwelstraße 10 (dort kein Eingang). Die Bankgasse hieß bis 1862 vordere Schenkenstraße; ihr heutiger Name erinnert daran, dass am anderen Ende der Gasse 1821–1860 der Sitz der oesterreichischen National-Bank lag. Weitere Fronten des Baublocks befinden sich an der Abraham-a-Sancta-Clara-Gasse 1 (Seitengasse der Bankgasse) und an der anschließenden Adresse Minoritenplatz 4 (Ministerien benachbart). Mit der Südseite grenzt das Palais direkt an Bauten in der Nachbarschaft des Bundeskanzleramts.Geschichte und Gestaltung: Der Bau des Palais
begann 1691 im Auftrag von Dominik Graf Kaunitz unter der
Leitung von Domenico Martinelli und unter Verwendung von
Plänen von Enrico Zuccalli. Steinmetzaufträge erhielten der
Wiener Meister Michael Khöll sowie aus dem kaiserlichen
Steinbruch Hof-Steinmetzmeister Ambrosius Ferrethi und
dessen Schwiegersöhne Giovanni Battista Passerini und Martin
Trumler.
Fürst Johann Adam I. von Liechtenstein kaufte das noch
unfertige Palais 1694, bestimmte es als Majoratshaus und
ließ den Bau durch Gabriele di Gabrieli und Martinelli bis
1711 vollenden. An der Frontseite zur Bankgasse wurde von
Martinelli das erste monumentale Barockportal Wiens
errichtet. Das Seitenportal am Minoritenplatz und das
Stiegenhaus werden mit Johann Lucas von Hildebrandt in
Verbindung gebracht. Die skulpturale Ausstattung an den
Portalen, an der Attika und in den Innenräumen stammt von
Giovanni Giuliani, der Stuck von Santino Bussi. Die
Hauptstiege aus Kaiserstein wurde 1699 von den Wiener
Meistern Michael Khöll und Wolfgang Steinböck errichtet,
wobei die Stiegenstaffeln aus Kaisersteinbruch kamen.
Bis 1806 befand sich im Haus eine Liechtensteinische
Bildergalerie, dann wurde es an die Erzherzöge Johann und
Ludwig vermietet; später war die russische Gesandtschaft
einquartiert.
Fürst Alois II. wollte wieder selbst darin wohnen und ließ
das Haus im Biedermeier in den Jahren 1836 bis 1847
(Innengestaltung: Carl Leistler, Michael Thonet) von Grund
auf restaurieren. Die Kosten der Restaurierung sollen an die
elf Millionen Gulden betragen haben. Im Palais wurden nun im
Auftrag des Fürsten technische Vorrichtungen angebracht, die
Aufsehen erregten. Unter anderen gab es Türen, die auf einer
Seite verspiegelt waren und die man hochziehen und wenden
konnte, Aufzüge und Vorrichtungen zum Verschieben von
Wänden und Böden sowie im zweiten Stock (= drittes Geschoß)
einen Saal, der mittels einer Zugvorrichtung in den ersten
Stock hinabgesenkt werden konnte. Diese Einrichtungen waren
sehr reparaturanfällig; ständig war daher viel Reparatur-
und Ausstattungspersonal engagiert, weswegen das Palais im
Volksmund auch Künstlerversorgungshaus hieß.
Fürstin Nora Fugger (1864–1945) beschrieb das Palais in
ihrer Biographie: Das Palais hat, was Schönheit und
Großartigkeit betrifft, wohl kaum seinesgleichen in Europa.
Der Ballsaal ist von ungeheurer Höhe. Wenn die Lichter in
den Armleuchtern an den Wänden, in den großen Girandolen und
in dem riesigen Glasballon, dem Luster über der Saalmitte,
entzündet wurden, mußte der herrliche Raum wie in Licht
gebadet erscheinen. An den Ballsaal stoßen zwei
Seitengemächer, die durch hohe Glaswände vom Saale
geschieden sind. An den anderen Seitenwänden sind hohe
Spiegel angebracht, welche Konstruktion einen wahrhaft
märchenhaften Eindruck macht. In dem einem der Salons ist
mitten im Raum ein Bassin mit einem Springbrunnen.
Unmittelbar vor Ausbruch der Revolution gab Fürst
Liechtenstein den ersten Ball in seinem Prachtpalais. Im
Jahre 1851 – nach den Revolutionsjahren – wieder den ersten,
den vorher geschilderten.
Bekannt war das Palais auch wegen der bedeutenden Gemäldesammlung der Fürsten, deren wichtigste barocke Werke seit 2004 im Gartenpalais Liechtenstein (bis 2011 Liechtenstein-Museum) in der Rossau im 9. Bezirk präsentiert werden.
Die Fürstenfamilie verlegte 1938 ihren Wohnsitz von ihren Schlössern in Mähren, Niederösterreich und Wien in das Fürstentum Liechtenstein, um Kontakte mit dem NS-Regime möglichst zu vermeiden. Das Regime konnte auch nichts dagegen einwenden, dass die fürstliche Kunstsammlung im Krieg aus Sicherheitsgründen in das Fürstentum verlegt wurde, war doch das Fürstentum seit 1806 als souveräner Staat anerkannt. Das Eigentum des Fürsten konnte daher, da das Deutsche Reich mit Liechtenstein keinen Krieg führte, vom NS-Regime nicht konfisziert werden.
Das Stadtpalais wurde im Zweiten Weltkrieg durch eine Fliegerbombe und ein auf das Gebäude gestürztes Flugzeug schwer beschädigt, wie sich Fürst Hans Adam II. von Liechtenstein bei einem Pressetermin im Jänner 2013 an seine erste Besichtigung des Palais, 1953, erinnerte.[6] In den 1950er Jahren wurde es nur notdürftig repariert, die Decke des Stiegenhauses in den 1970er Jahren nach alten Aufnahmen rekonstruiert.
Baumaßnahmen 2009–2013: Seit 2009 erfolgte unter der Planung des Wiener Architekturbüros Manfred Wehdorn die Generalsanierung des Palais, wobei unter dem Innenhof ein dreigeschoßiger, 18 Meter tiefer unterirdischer Speicher für Kunstwerke errichtet wurde. In den Schauräumen soll vor allem Kunst des Biedermeier aus den Fürstlichen Sammlungen auf 1.200 Quadratmeter Fläche präsentiert werden. Die Eröffnung als Museum wurde ursprünglich für 1. Dezember 2011 und am 19. Oktober 2011 für das Frühjahr 2012 angekündigt.
Am 15. November 2011 wurde die Eröffnung auf das Frühjahr 2013 verschoben und am 16. November mitgeteilt, dass (wie im Gartenpalais Liechtenstein) der Begriff Liechtenstein-Museum nicht mehr verwendet und kein regulärer Museumsbetrieb geboten werden wird. Das Haus werde bei der „Langen Nacht der Museen“, bei Gruppenführungen und bei (eingemieteten) Veranstaltungen zu besichtigen sein. Die 2013 beendete Restaurierung war die erste seit vielen Jahrzehnten, bei der die historische Bausubstanz und die historischen technischen Einbauten ohne Spar- und Zeitdruck nachhaltig in Stand gesetzt wurden; nach Angabe des Bauherrn vom Jänner 2013 um rund 100 Millionen Euro. Seit Mai 2013 sind das Palais und die Biedermeiersammlung im Rahmen von Führungen zu besichtigen.
Quelle: Text: Wikipedia, Bilder: Thomas Ledl unter der Lizenz CC BY-SA 4.0., www.nikles.net und gemeinfrei.
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Günter Nikles
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