03. Bezirk - Ballonhalle, Objekt 202
Die sogenannte Ballonhalle, Objekt 202, befindet sich auf dem Gelände des
Arsenals, an der Franz-Grill-Straße 1A,
im 3. Wiener Gemeindebezirk
Landstraße.
Die Ballonhalle mit ihren durch hohe Fenster schön gegliederten Flanken wurde 1893 errichtet.
Eines der dahinterliegenden Lagergebäude in der Franz-Grill-Straße, das Objekt 205, diente als Heerestischlerei;
aus dieser Halle wurden über eine Rollbahn im Handverschub Holzreste und Späne in ein nebenstehendes Gebäude zur Zwischenlagerung gebracht.
Ihre Bestimmung geht auf das Jahr 1893 zurück, als die Verwendung von Gasballons als militärisch relevant eingeschätzt
und die "Militär-Aeronautische Anstalt" (Luftfahrtforschungsstätte) mit der heute noch existierenden Ballonhalle ins Leben gerufen wurde.
Für die neue Trassenführung der Franz-Grill-Straße wurde die Ballonhalle etwas verkürzt,
der Gehsteig führt nun unter den neu gemauerten Arkaden hindurch.
Die Bilder zeigen das seit 2015 in Österreich unter der Nummer 112597 (BDA: 96935) denkmalgeschützte Objekt.
DIE NEUE MILITÄR-AERONAUTISCHE ANSTALT IN WIEN (Allgemeine Sport-Zeitung vom 15. Oktober 1893, Seite 1087):
Am 20. August [1893] ist in Wien in aller Stille die neue militär-aeronautische Anstalt eröffnet worden,
und es dürfte daher nicht blos für die aeronautische Fachwelt, sondern auch für weitere Kreise von Interesse sein,
über diese Institution aus authentischer Quelle etwas Näheres zu erfahren.
Der erste Schritt, den die österreichisch-un garische Kriegsverwaltung auf dem Gebiete der Aeronautik unternahm,
war bekanntlich der Abschluss eines Contractes mit dem Eigenthümer der Wiener aeronautischen Anstalt,
Gemeinderath Victor Silberer, wonach in dessen Privatetablissement in den Jahren 1890 und 1891
stets ein militär-aero nautischer Lehrcurs installirt wurde, mit dessen Leitung und Schulung der obengenannte Fachmann betraut war.
Nachdem dieser Curs durch zwei Jahre bestanden hatte und vom besten Erfolge begleitet war,
schritt das Reichs-Kriegsministerium an die Schaffung einer eigenen ärarischen Anstalt, da es doch nicht anging,
sich noch länger lediglich auf eine Privatanstalt zu stützen und ausserdem Gemeinderath Victor Silberer nach Schluss des zweiten Jahres erklärt hatte,
fürderhin nicht mehr in der Lage zu sein, den Curs zu leiten,
da seine Gesundheitsverhältnisse im Hochsommer den Besuch eines Curplatzes unausweichlich machen.
Die grosse Schwierigkeit lag nur in den äusserst bescheidenen Mitteln, welche dem Ministerium für die Luftschifffahrt bisher zu Gebote stehen;
gleichwohl aber gelang es, und es darf dies den betreffenden Organen des Reichs-Kriegsministeriums wirklich
als besonderes Verdienst angerechnet werden, mit verhältnissmässig sehr geringen Kosten eine Anstalt in's Leben zu rufen,
welche für den Anfang vollständig genügt, um die derzeit schon geschulten Officiere und Mannschaften in steter Uebung
zu erhalten und weiter auszubilden,
gleichzeitig aber durch Fortsetzung des Lehrcurses die Zahl der mit der Luftschifffahrt vertrauten Officiere stetig zu vergrössern.
Die neue Anstalt liegt auf einem ärarischen Grundstücke beim Wiener
Arsenale,
und zwar an dem der Stadt zugekehrten Ende des Exercirplatzes, vor dem Objecte 12 des
Arsenals,
knapp am
Linienwall nächst der St. Marxer Linie.
Die Anlage wurde heuer im Frühjahre begonnen und ist derzeit schon vollendet,
bis auf das grosse Ballonhaus, das eben in der Fertigstellung begriffen ist.
Das Ganze besteht bis nun lediglich aus einem 6400 Quadratmeter grossen eingefriedeten Füll- und Manipulationsplatze mit einem langgestreckten,
hölzernen Materialdepot, einer Wagenremise und einem grossen Ballonhause.
Das Letztere ist viereckig, und zwar 15 Meter im Quadrat, 17 Meter hoch, aus Eisen construirt,
die Wände sind jedoch mit 15 Centimeter starken Ziegelmauem verkleidet.
Das Riesenschiebethor, durch welches der Ballon an der einen Hausseite gefüllt aus- und eintransportirt werden kann,
ist ebenfalls aus Eisen und mit Wellblech beschlagen. Dasselbe mündet direct auf den Exercirplatz in der Richtung gegen Südwest.
Der Bau war vom Reichs-Kriegsministerium der k. k. Geniedirection in Wien übertragen, die Holzbauten sind von der
Firma Oesterreicher, die Eisenconstructionen der Ballonhalle von der Firma Gridl ausgeführt worden.
Zur Füllung der Ballons sind zwei Gasausläufe, einer auf dem Füllplatze inmitten der Einfriedung,
einer im Ballonhause angebracht, so dass sowohl im Freien als auch ganz geschützt im Hause gefüllt werden kann.
Es mag bei dieser Gelegenheit erwähnt werden, dass die Gasgesellschaft dem Aerar das vollste Entgegenkommen bewies
und die kostspielige Leitung ohne jeden Kostenanspruch installirte.
Die Anstalt erhält das Gas vom
Gasometer hinter dem Staatsbahnhofe [später Ostbahnhof genannte Anlage],
und sind die Rohrmündungen zur Füllung acht Zoll stark.
Das Materiale der Anstalt ist momentan allerdings noch das bescheidenste, das man sich denken kann;
es besteht noch aus nichts weiter als einem Ballon sammt vollständiger Zubehör, wie er in Deutschland für den Festungsdienst systemisirt ist,
und wurde derselbe auch complet aus Berlin bezogen.
Für die weiteren Anschaffungen ist aber die Emancipation vom Auslande und die Erzeugung,
respective Beschaffung des gesammten Materiales im Inlande in Aussicht genommen.
Zur Leitung und zum Commando der Anstalt und des damit verbundenen militär-aeronautischen Lehrcurses wurde Herr Oberlieutenant Josef Trieb,
derzeit im Verbände des k. k. Pionnierbataillons Nr. 2 (Linz), als der vom früheren Curse her bestqualificirte Officier,
berufen und als zweiter Lehrer Herr Oberlieutenant Franz Hinterstoisser des Eisenbahn- und Telegraphenregimentes bestimmt.
Diesen zwei Officieren ist die nöthige Mannschaft beigegeben, bestehend aus einem Feuerwerker, vier Unterofficieren und 26 Mann,
und zwar lauter entsprechende Professionisten aus dem Stande des 3. Festungsartillerie-Regimentes,
mit Ausnahme zweier Seiler, welche dem in Pressburg stationirten Pionnierbataillon angehören.
In ökonomisch-administrativer Hinsicht ist die ganze Anstalt der Festungsartillerie ein verleibt,
respective als Unterabtheilung dem Festungsartillerie-Regimente Nr. 1 attachirt, dessen Commandant, Herr Oberst Alois Magrinelli,
der directe Vorgesetzte des Commandanten der Anstalt ist.
Für heuer wurde sofort wieder ein Lehrcurs activirt, der, wie schon gemeldet, am 20. August [1893] seinen Anfang nahm und zu welchem die nach
stehenden Herren Offieiere als Frequentanten commandirt sind:
Oberlieutenant Edmund Müller des Eisenbahn- und Telegraphenregimentes (schon im 1891er Curse gewesen),
Oberlieutenant Rudolf Portenschlag v. Ledermayer des Festungsartillerie-Regimentes Nr. 2,
Lieutenant Ludwig Hanzély des Pionnierbataillons Nr. 7 in Budapest,
Lieutenant Dr. Julius Kasminski des Festungsartillerie-Regimentes Nr. 2 in Krakau,
Lieutenant Johann Nowak des Pionnierbataillons Nr. 11 in Przemysl.
Seit der Eröffnung des Curses bis zum 8. October haben schon sieben Freifahrten und 26 Captiffahrten,
die letzteren bis in Höhen von 400—700 Meter, stattgefunden.
Es wird stets der Ballon am Vormittag gefüllt, dann werden 5—10 Captifaufstiege geübt,
und schliesslich wird meist gegen 4 Uhr eine Freifahrt angetreten.
Sämtliche Versuche und Fahrten verliefen bisher ohne jegliche Störung, geschweige denn Unfälle,
und lassen alle Manöver die fachliche Tüchtigkeit, Routine und Gewandtheit unserer militärischen Luftschiffer erkennen.
Am Freitag den 6. October [1893] erschien der Stellvertreter des Generalstabschefs, Seine Excellenz Herr FML. Merta,
mit dem Vorstande der 5. Abtheilung des Reichs-Kriegsministeriums, Herrn Generalstabsobersten v. Math,
und zahlreichen anderen hohen Officieren des Generalstabes und des Reichs-Kriegsministeriums zum Besuche und zur Besichtigung
der Anstalt, wobei Seine Excellenz FML. Merta in Begleitung des Curscommandanten Herrn Oberlieutenants
Trieb im Ballon captif bis in 400 Meter Höhe aufstieg.
Pester Lloyd vom 5.3.1892, Seite 2: Ein aeronautisches Etablissement bedarf vor Allem einer Ballonhalle,
in welcher die Ballons gefüllt und aufbewahrt werden können. Ferner Arbeits- und Unterkunftsräume für Offiziere und Mannschaft,
Kanzleien, physikalische und chemische Laboratorien, ein photographisches Atelier,
die verschiedenen Werkstätten und endlich eine meteorologische Beobachtungsstation.
Zudem wäre es wünschenswert, sowohl die größeren Festungen als auch jedes Armeekorps mit mindestens einem Feldballonpark auszurüsten.
Rechnet man einen solchen Feldballonpark mit rund 50.000 fl., so würde das eine Summe von 800.000 fl. erfordern.
Eine etwas größere Summe dürfte für die Einrichtung des Ballon-Etablissements genügen,
Hiebei wäre jedoch zu berücksichtigen, daß dasselbe nicht allein den militärischen Zwecken dienen,
sondern eine universelle Aufgabe durchzuführen haben würde.
Wir meinen hiebei die für die allgemeine Wissenschaft so wichtige Vornahme von meteorologischen Studien einerseits,
andererseits die daselbst anzustellenden Versuche behufs Lösung des Problems eines lenkbaren Luftschiffes.
Zweifellos hat die Aeronautik noch eine große Zukunft vor sich trotz aller gegnerischen Behauptungen:
aber es ist wohl nicht rathsam, noch länger aus ihre weitere Entwicklung zu warten, denn das Bessere ist auch hier der Feind des Guten.
Die bisher gewonnenen Resultate sind vorderhand vollauf genügend, um an die praktische Einführung der Ballons auch bei uns zu schreiten.
Sind es doch dieselben Grundsätze, welche seinerzeit bei der Einführung der Brieftauben maßgebend waren,
welche nun auch für die Einführung der Ballons bei uns sprechen, und gerade bei den Terrain- und Kräfteverhältnissen unseres eventuellen
Gegners dürften dieselben in den entscheidungsschweren Stunden des Kampfes das für sie verwendete Kapital mit Zins und Zinseszinsen zurückzahlen.
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Quelle: Text: www.nikles.net, Bilder: www.nikles.net