Informationen über die fünf Hauptdonauarme, an denen sich die gesamte Entwicklung der Donau im Wiener Raum in historischer Zeit darstellen lässt.
Fünf Hauptarme - Die gesamte Entwicklung lässt sich an
den fünf Hauptarmen der Donau
im Wiener Raum in historischer Zeit darstellen.
1. Der für Wien wichtigste Donauarm war bis ins 12.
Jahrhundert der »Salzgriesarm« oder »Nußdorfer Arm«. Er
folgte ungefähr der Linie Heiligenstädter Straße -
Liechtensteinstraße - Salzgries und vereinigte sich dann mit
dem Donaukanal. Die
Kirche »Maria am Gestade« trug ihren Namen damals noch zu
Recht, sie e sich auf dem Steilufer direkt am Fluss. Zwischen
diesem Arm und dem
Donaukanal befand sich eine Insel, die Teile der
heutigen Bezirke 9 und 19 umfasste. Diese Insel wurde
»Oberer Werd« genannt. Im 13. Jahr hundert war der flachere
Teil des Salzgriesarmes, etwa ab der heutigen Kreuzung
Liechtensteinstraße - Althanstraße, so stark versandet, dass
er nicht mehr von Schiffen befahren werden konnte. Eine
kleine Seitenverbindung zum
Donaukanal, die quer über das Gelände des jetzigen
Franz-Josephs-Bahnhofes führte, wurde deshalb verbreitert
und vertieft und damit eine neue Schifffahrtsrinne
geschaffen, der Obere Werd wesentlich verkleinert. Der
versandete Teil des Armes wurde zugeschüttet. Am Beginn des
15. Jahrhunderts war auch der restliche Arm entlang der
Heiligenstädter Straße nicht mehr schiffbar. Um 1440
beauftragte die Stadtverwaltung den »Wasserbaukünstler und
Hydrauliker« Caspar Hertneid, den Fluss zu regulieren. Er
ließ das Strombett ausschaufeln, aber das lockere Erdreich
rutschte immer wieder nach, und schließlich war die Lage
schlechter als vorher. Hertneid hatte für die erfolglose
Arbeit die enorme Summe von 800 Pfund Pfennige (das Pfund zu
240 Pfennigen) verbraucht, das entsprach etwa 3000
Wochenlöhnen für Erdarbeiter. Die Bräuche waren damals
streng: Hertneid wurde in den Kerker geworfen, ihm drohte
die Todesstrafe. Er verdankte es seinem Gönner, dem
Erzherzog Sigmund von Tyrol, für den er erfolgreich Flüsse
reguliert hatte, dass er 1455 freigelassen wurde. Der
Salzgriesarm bestand als schmaler, seichter Flussarm bis
etwa 1750, dann trocknete er völlig aus. Einige Tümpel
bestanden noch bis ins vorige Jahrhundert.
2. Der wasserreichste Donauarm zur Römerzeit war der heutige
Donaukanal. Er wurde im
Mittelalter »Wiener Arm« oder »Wiener Wasser« genannt. Die
Römer legten im Bereich des Schwedenplatzes den ersten
Wiener Hafen an, zu seinem Schutz wurde bei der Einmündung
des Wienflusses eine
Wehranlage gebaut. Auch dieser Donauarm begann zu versanden.
1598 wurde Ferdinand Gomez von Hoyos beauftragt, die
Schifffahrt zu sichern. Er ließ die Ufer mit Bäumen, Büschen
und Steinen befestigen und das Wasser einiger kleiner
Seitenarme, die zugeschüttet wurden, in das Gerinne leiten.
Der bis dahin naturbelassene und verzweigte Donauarm erhielt
dadurch kanalartigen Charakter und wurde von nun an »Wiener
Kanal« genannt. Im 18. Jahrhundert kam die Bezeichnung »Donaukanal«
auf. Im Zuge der Donauregulierung 1870-1875 wurde durch die massive
Uferbefestigung und durch den Bau der Nußdorfer Schleuse,
die eine Regelung des Wasserstandes ermöglicht, der
Donaukanal in seiner
heutigen Form gesichert. Für die Leopoldstadt war die
Hoyos-Sanierung am Ende des 16. Jahrhunderts besonders
wichtig, weil zahlreiche kleinere Gewässer beseitigt und die
Besiedlung damit erleichtert wurden.
3. Das Fahnenstangenwasser folgte ungefähr der späteren
Nordwestbahntrasse und der Straße Am Tabor, dann verlief es
quer über das jetzige Bahngelände beim Praterstern und
vereinigte sich ungefähr auf der Höhe der
Reichsbrücke mit
dem östlichen Donauarm. Über diesen Arm kamen von Westen
große Flöße, die nach der Entladung zerlegt und als Bau- und
Brenn holz verkauft wurden. Mit dem Aufzug von Fahnen an
hohen Stangen wurde die Ankunft eines solchen Floßes
signalisiert, daher der Name Fahnenstangenwasser. Etwa ab
1400 war dieser Donauarm der wasser- reichste, dann begann
er ebenfalls zu versanden. Um 1780 war er nicht mehr
schiffbar, um 1840 bestanden nur mehr einzelne Tümpel, die
im Zuge der Bahnbau ten zugeschüttet wurden.
4. Die Funktion des Hauptgerinnes übernahm etwa um
1550 das Kaiserwasser. Es trennte sich auf der Höhe der
heutigen Nordbrücke vom Fahnenstangenwasser, floss ungefähr
in der Mitte zwischen diesem und dem jetzigen Strom und
vereinigte sich dann im Bereich der
Reichsbrücke wieder mit
dem Fahnenstangenwasser. Dieses Gerinne wurde nach der
Donauregulierung
1870-1 875 abgedämmt und zugeschüttet.
5. Etwa ab 1700 war der »Floridsdorfer Arm« der
wasserreichste. Sein Verlauf ist heute noch an der »Alten
Donau« erkennbar. Im Bereich der Krieau vereinigte er sich
mit dem Kaiserwasser. Auch der Floridsdorfer Arm wurde im
Zuge der großen
Donauregulierung abgedämmt.
Zwischen diesen fünf Hauptarmen gab es ein weitverzweigtes
System von Nebenarmen. Das Heustadlwasser zählt zu den heute
noch bestehenden Resten davon.
Die Veränderungen des Donausystems im Wiener Becken
erfolgten teils plötzlich durch Hochwasser, teils sehr
langsam durch die Ablagerungen und Ausschwemmungen. Teils
entstand neues Land durch Anhäufung und Anschüttung von
Geschiebe (daher die Bezeichnungen Häufel und Schüttel),
teils verschwand besiedeltes Land (namentlich im heutigen
21. Bezirk) im Strom.
Quelle: Text: Aus „Eine Insel mitten in der Stadt“ von Prof. Christine Klusacek und Prof. Kurt Stimmer;
erschienen 1978 im Verlag Kurt Mohl, Bilder: gemeinfrei
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