Person - Moriz von Dietrichstein
Fürst Moriz Joseph Johann von Dietrichstein-Proskau-Leslie (* 19. Februar 1775 in Wien; † 27. August 1864 ebenda) war ein österreichischer Offizier und Hofbeamter.
Leben: Graf (ab 1858 Fürst) Moriz Joseph Johann von Dietrichstein war der Sohn von Karl Johann von Dietrichstein-Proskau-Leslie,
7. Reichsfürst von Dietrichstein (1728–1808) und Bruder des
Franz Joseph von Dietrichstein. Er trat 1791 in den österreichischen Militärdienst, wurde Adjutant des Generals Mack 1798 in Neapel, wo er mit seinem Chef in französische Gefangenschaft geriet, und 1805 in Ulm. 1815 wurde er Erzieher des Herzogs von Reichstadt (bis 1831).
Bereits 1796 zum k. k. Kämmerer ernannt, war er von 1819 bis 1826 Hofmusikgraf sowie von 1821 bis 1826 auch Hoftheater-Direktor. 1826 übernahm die Leitung der kaiserlichen Hofbibliothek. Dieser schenkte er 1829 Haydns Autograph der Hymne Gott erhalte Franz den Kaiser und erwarb für sie 1838 die Partitur von Mozarts Requiem.
1845 wurde er Oberstkämmerer und trat 1848 in den Ruhestand. Wie sein Bruder, Fürst
Franz Joseph, war er dem Metternichschen System abhold. Beethoven wurde von ihm sehr gefördert. Als Direktor des Münz- u. Antikenkabinetts (1833–48) erwarb er sich weitere große Verdienste. Er komponierte Lieder, Tänze, Menuette. 1834 wurde er zum Ehrenmitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ernannt. Nach dem Tod seines Neffen, Joseph Franz von Dietrichstein-Proskau-Leslie, 9. Reichsfürst von Dietrichstein (1798–1858), folgte ihm Moritz Joseph Johann 1858 als 10. Reichsfürst von Dietrichstein und Inhaber der Herrschaft Nikolsburg in Mähren nach.
Moriz von Dietrichstein wurde am
Hietzinger Friedhof, Gr. 06, Nr. 15, begraben. Mit seinem Tod starb das Geschlecht der Dietrichstein im Mannesstamm aus. Vier Jahre später wurde der österreichische Staatsmann und Außenminister Alexander Graf von Mensdorff-Pouilly (1813–1871), der seit 1857 mit einer Tochter des 9. Reichsfürsten von Dietrichstein verheiratet war, durch Kaiser Franz Joseph unter dem Namen Fürst von Dietrichstein zu Nikolsburg in den österreichischen Fürstenstand erhoben und übernahm das Erbe des Hauses Dietrichstein.
Familie: Graf Moriz von Dietrichstein heiratete am 22. September 1800 in Wien Gräfin Therese von Gilleis (1779–1860). Das Ehepaar hatte drei Töchter und einen Sohn, Joseph Moritz von Dietrichstein (* 4. Juli 1801, † 1852). Dieser diente 1821 bis 1848 als österreichischer Diplomat in Neapel, Paris, London, Kassel, Brüssel, Karlsruhe und Darmstadt sowie 1844 bis 1848 in London.
Wiener Zeitung vom 28.8.1864, Seite 4:
Heute 2 Uhr Morgens verschied hier Se. Excellenz
Herr
Moriz Graf von Dietrichstein, Ritter des
goldenen Vließes, Großkreuz des St. Stephan- und
des Leopold-Ordens, k. k. Kämmerer, wirklicher geheimer
Rath, erbliches Mitglied des Herrenhauses des h. Reichsrathes,
wirkliches correspondirendes und Ehrenmitglied
vieler gelehrten Institute und Gesellschaften des In-
und Auslandes zc. zc. zc., nach langer schmerzhafter
Krankheit im 90. Lebensjahre. Die entseelte Hülle wird
Montag den 29. d. M. Nachmittags um 3 Uhr in der
k. k. Hof- und Stadtpfarrkirche zum h. Michael
eingesegnet, hierauf der letztwilligen Anordnung gemäß
nach
Maria-Hietzing geführt und dort in eigener Gruft
bestattet werden.
Das Vaterland vom 30.8.1864, Seite 3:
(Moriz Graf von Dietrichstein †.) Samstag
2 Uhr Morgens verschied hier Se. Excellenz Herr Moriz Graf von Dietrichstein Proskau-Leslie,
Ritter des goldenen Vließes, Großkreuz des
St. Stephan- und des St. Leopold-Ordens, k. k. Kämmerer, wirklicher
geheimer Rath, erbliches Mitglied des Herrenhauses de» hohen Reichsrathes,
wirkliches correspondirendes und Ehrenmitglied vieler gelehrten
Institute und Gesellschaften des In- und Auslandes ec. ec. ec., nach
langer schmerzhafter Krankdeit im 90. Lebensjahre. Graf Moriz
Dietrichstein war zu Wien am 19. Februar 1775 geboren, trat 1791
als Unterlieutenant in das Infanterie-Regiment des Feldmarschall
Grafen v. Lacy (siehe auch
Lacy Grabmal im Schwarzenbergpark), avancirte 1792 zum Oberlieutenant in der Artillerie.
1794 zum Hauptmann des General-Quartiermeisterstabes in Belgien,
1796 zum Major und Flügeladjutanten des Feldzeugmeister Grafen
Alvinczy und wurde hierauf dem FML. Baron Mack zugetheilt, welchen
er später auf allen militärischen Bereisungen am Rhein, in Innerösterreich,
an den italienischen Grenzen, in Mailand, am Inn und in
Baiern begleitete. 1798 machte er als Oberst und erster Generaladjutant
des FML Mack den kurzen Winterfeldzug in Neapel mit, er gerieth
in französische Gefangenschaft und verblieb in derselben durch zwei
Jahre in Mailand, Briancon, Dijon und endlich in Paris, bis er im
April 1800 für frei erklärt wurde und nach Wien reiste, wo er quittirt
und sich mit der Gräfin Gilleis vermälte. Graf Dietrichstein rief nun
mehrere literarisch-artistische Unternehmungen in's Leben und bald eröffnete
sich ihm eine neue ehrenvolle Zukunft. Im Beginne des Kongresses
begleitete er im Auftrage des Kaisers Franz I. den König von
Dänemark als Dienstkämmerer. 1815 wurde er vom Kaiser Franz I. zum Erzieher
des Herzogs von Reichsstadt erwählt, von l819 bis 1849 begleitete
er eine Reihe von Hofämtern, und zwar war er Hofmusikgraf,
Hoftheaterdirector und Hofbibliothspräfect. Direktor der k.k. Münz- und
Antikensammlung, Obersthofmeister bei der Kaiserin Maria Anna, Oberstkämmerer,
Obersthofmeister-Stellvertreter, 1849 begab er sich in den
Ruhestand. Graf Moriz Dietrichstein hat in diesen Sphären seiner
Thätigkeit einen regen Eifer für die Förderung der Künste an den Tag
gelegt und überall die unzweideutigsten Beweise der Liebe und Ergebenheit
seiner Untergebenen erhalten. Bei seinem Ausscheiden von der Leitung
des Hofburgtheaters brachten ihm die Mitglieder der Hofbühne
eine Adresse dar, die Beamten der Münz- und Antikencabinets verehrten
dem Grafen eine Denkmünze. Sein Name ist mit der Erinnerung an
manche Kunstgröße enge verbunden, so mit Heinrich v. Kollin,
Maximilian Korn u. A. Von früher Jugend an ein Freund der Musik, hatte
der Graf sich auch in der Composition versucht und wurden mehrere seiner
Arbeiten durch den Stich veröffentlicht. Graf Moriz Dietrich hinterläßt
eine einzige Tochter, Gräfin Julie, welche mit dem Prinzen Carl
zu Oettingen-Wallerstein, vermält ist. Sein einziger Sohn, Graf Moriz,
starb bereits 1852 als kaiserlich österreichischer Botschafter in London
und es ist somit das uralte berühmte Geschlecht der Dietrichsteine
nunmehr erloschen. Nachdem seit ein paar Jahren die einzigen beiden
Vertreter der zwei Nebenlinien (Hollenburg und Weichselstätt> abgestorben,
blieb Graf Moriz als der einzige Repräsentant der Haupt- oder
fürstlichen Linie übrig. Den ihm als hohen Achtziger durch den Tod
des letzten Fürsten Joseph († 1858) zugefallenen Fürstenhut nabm er
nicht an, da er sich noch bei Lebzeiten des Letzteren mit ihm dahin
abgefunden hatte, daß er gegen Entschädigung in die Allodisicirung des
fürstlichen Fideicommisses willigte. Der Leichnam des Verstorbenen wird
heute Montag den 29 d. M., Nachmittags 3 Uhr in der
k. k Hof- und Stadtpfarrkirche zum heiligen Michael eingesegnet, hieraus der
letztwilligen Anordnung gemäß nach
Maria-Hietzing geführt und dort in
eigener Familiengruft bestattet werden.
Oesterreichischer Soldatenfreund vom 8.4.1868, Seite 3 und 4:
Ans dem Leben des letzten Dietrichstein.
Von Julius Ebersberg.
„Plus aliis qasm sibi."
Es ist ein eigenthümlicher Zug, der in der Geschichte ausgezeichneter
Familien hin und wieder erscheint, daß, wenn das Geschlecht an einem
großen Wendepunkte angekommen oder seinem Absterben nahe ist, alle glänzenden
Eigenschaften desselben noch einmal in einem seiner Mitglieder erscheinen,
wie die Flamme kurz vor ihrem Erlöschen noch einmal in ihrem
vollen Glänze strahlt.
So ist mit dem 90jährigen Grafen
Moriz Dietrichstein am
27. August 1864 nicht allein ein altes, hochberühmtes Geschlecht erloschen,
sondern auch einer der ausgezeichnetsten Repräsentanten desselben und überhaupt
jenes österreichischen Adels in die Gruft gestiegen, welcher in hoher
und großer Auffassung der Pflichten seines Standes den Nachkommenden
ein leuchtendes Vorbild war.
Die folgende Schilderung will nur die militärische und pädagogische
Thätigkeit des Verewigten vorführen, die in eine Periode fällt, von
der sehr wenige Zeitgenossen mehr am Leben sind, wie überhaupt Graf
Moriz Dietrichstein nur den älteren Angehörigen der Armee persönlich
bekannt gewesen sein dürfte; bezüglich der Geschichte seines Hauses und
seiner Personalien verweisen wir auf Dr. Hoffingers Monographie in der
„Oesterreichischen Revue" 1866; des Grafen einflußreiche und verdienstvolle,
ja in gewisser Beziehung Epoche machende Thätigkeit als Hofmusik-Graf,
Oberstkämmerer, Chef der Hofbibliothek, oberster Direktor des Hofburgtheaters
u.s.w. schildert „nach seinen hinterlassenen Papieren" eine
unlängst bei Wilhelm Braumüller in Wien erschienene Broschüre, an der
freilich das Bildniß des unserem Andenken theuren Kavaliers par excellence
das Beste ist. Denn die Wahl, Leben und Wirken Dietrichsteins darzustellen,
war auf einen nun gleichfalls schon (28. Jänner 1867) heimgegangenen,
lebensmüden Greis gefallen, der leider von der Bedeutung seiner
Aufgabe keine Ahnung hatte, - auf den guten alten Weidmann, den
fleißigen Verfasser von ganz brauchbaren Führern für Fußreisende durch die
niederösterreichischen Alpen, den unermüdlichen Hymnensänger an jedem
Namens- oder Wiegenfeste, das seit sechzig oder mehr Jahren am Allerhöchsten
Hoflager gefeiert wurde.
Hoffen wir, daß sich ein Historiker vom Fach die Gelegenheit nicht
entgehen lassen wird, das von dem verewigten Grafen hinterlassene reiche
Material zu durchforschen und ein Lebensbild des Heimgegangenen zu zeichnen,
wie es heutzutage verlangt werden kann und vor Allem, wie es ein Moriz
Dietrichstein verdient.
Der Vater des Grafen Moriz, Graf Johann Carl, war während der
Dauer des siebenjährigen Krieges außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter
Minister Maria Theresia's in Kopenhagen; er wurde später geheimer
Rath, 1764 Oberststallmeister und 1767 mit dem goldenen Vließe
geschmückt. Seine Gemalin, ein Kammerfräulein der Kaiserin, Marie Christine
Gräfin Thun zu Tetschen, schenkte ihm in einer sehr glücklichen Ehe
acht Kinder
*), von denen Graf Moriz (geboren am 19. Februar 1775)
das zweitjüngste war. Sein Taufpathe war der treue Freund seiner Eltern:
Moriz Graf Lacy. Fünf Jahre vor dem Tode der Kaiserin geboren, ward
ihm noch in zartester Kindheit mehrmals das Glück, das Antlitz der unvergeßlichen
Monarchin zu schauen. Seine edle Mutter, welche mit mehreren
anderen Damen fast den täglichen Abendzirkel der Monarchin bildete, durfte
ihren holden Knaben zuweilen der hohen Frau vorführen, welche sich gerne
mit ihm unterhielt. Noch in seinen Greisenjahren gedachte Graf Moriz,
der sich so gerne in die Erinnerungen an seine Kindheit versenkte, des
unvergänglichen Eindruckes, den die Herablassung und mütterliche Freundlichkeit
Maria Theresiens in seinem Gedächtnisse zurückgelassen hatte.
An jene Grenze des Knabenalters angelangt, wo eine Entscheidung
über die Wahl ihres künftigen Berufes gefällt werden mußte, erklärten drei
Söhne des Oberststallmeisters: Franz Josef (geboren 1767 und Nachfolger
seines Vaters in der diesem 1784 zugefallenen Fürstenwürde),
Moriz und der jüngste Josef (geboren 1780, erlag in Regensburg 1801
als Rittmeister von Meerveldt-Uhlanen seinen Wunden) ihre Begeisterung
und Vorliebe für den Kriegerstand. Die Grafen Franz und Moriz widmeten
sich voll Eifer und mit aller Schnellkraft ihres Geistes den wissenschaftlichen
Sphären des Heerwesens: Franz pflegte die Studien, welche das
Geniekorps erheischt, Moriz jene des Artilleriewesens. In diesen
Bestrebungen stand ihnen der vielerfahrene treue Freund ihres Hauses, der
greise Feldmarschall Lacy, als Rathgeber liebevoll zur Seite.
Mit zwanzig Jahren trat Graf Franz (1787) als Oberlieutenant
ins Geniekorps, ward im März 1788 Hauptmann im Generalstabe und
wird 1789 von Loudon — bei dem die Zöglinge und Protektionskinder
seines Gegners Lacy im Allgemeinen einen schweren Stand hatten — in
seinen Berichten als einer der ausgezeichnetsten Offiziere genannt. Im
September 1789 zum Major befördert und vorübergehend als Adjutant des
Herzogs Albert von Sachsen-Teschen verwendet, kam Graf Franz nach
Jahresfrist wieder zum Geniekorps und der Beginn des Revolutionskrieges
traf ihn schon als Oberstlieutenant.
Graf Moriz säumte nicht, dem Beispiele seines Bruders zu folgen.
Er begann kaum sechszehnjährig 1791 feine militärische Laufbahn. Auf
seine und seines Vaters Bitte ernannte Kaiser Leopold aus „besonderer
Allerhöchster Gnade" den Jüngling am 11. Jänner 1791 zum Unterlieutenant
im Infanterie-Regiment Lacy (Nr. 22), schon im März 1792 erfolgte
Moriz's Transferirung als Oberlieutenant ins 3. Artillerie-Regiment van
der Stappen, wo er sehr bald seinen Muth und seine Kenntnisse in dieser
Waffe praktisch erweisen konnte. Im September stand er bei der Armee
in den Niederlanden. In der Schlacht bei Jemappes machte sich der siebzehnjährige
Artillerie-Oberlieutenant durch Unerschrockenheit und Kaltblütigkeit,
sowie durch Geschicklichkeit in der Verwendung seiner Waffe bemerkbar.
Graf Moriz machte die Feldzüge von 1793, 1794, 1795, 1796
und 1797 in den Niederlanden, am Rhein und auf den verschiedenen
Kriegsschauplätzen mit, wo die österreichischen Fahnen wehten. Sein tapferes
und unerschrockenes Verhalten am 23. Mai 1793 bei der Erstürmung
des verschanzten Lagers von Famars, welches so lange trotzenden Widerstand
geleistet, rühmt ein eigenes Zeugniß des Oberstlieutenants Baron Rouvroy.
Auch an der berühmten Belagerung von Valenciennes betheiligten sich
die Brüder Dietrichstein mit Auszeichnung. Graf Franz hatte sich bei dem
Sturme auf das große Hornwerk am 25. Juli 1793 freiwillig an die
Spitze der Angriffskolonne gestellt, einer der Ersten das hartnäckig vertheidigte
Werk erstiegen und so zweckmäßige Anstalten zur Behauptung deS
erstürmten Werkes getroffen, daß sie von mächtiger Einwirkung auf den
schon zwei Tage später erfolgten Fall der Festung waren. Nach einem sehr
heftigen Bombardement und abermaligem Sturme kapitulirte der französische
Kommandant Ferrond und übergab die Festung dem Prinzen von Coburg
und dem Herzog von York.
Prinz Coburg sandte die beiden Brüder Dietrichstein mit der Nachricht
von der Einnahme der Festung nach Wien und empfahl dieselben der
besonderen Gnade des Kaisers Franz. Den Heldenmuth des Grafen Franz
lohnte das höchste Zeichen kriegerischer Ehren, das Ritterkreuz des Maria
Theresien-Ordens. Leider erlebte die Fürstin die erfreuliche Kunde über das
tapfere Verhalten ihrer Söhne nicht mehr; sie war bereits 1788 aus dem
irdischen Dasein abgerufen worden.
Graf Moriz machte sich gleich nach seiner Rückkehr zur Armee (im
August und September) bei der Belagerung von Quesnoy wieder durch
Bravour und treffliche Verwendung seiner Geschütze bemerkbar. Im März
1794 avancirte er zum Hauptmann im General-Quartiermeister-Stabe und
bewährte auch in dieser Stellung seine Kenntnisse und seine Tapferkeit
in dem Feldzuge von 1794 unter den Augen des Kaisers Franz selbst.
Schon 1793 hatte Prinz Coburg den Obersten des Generalquartiermeisterstabes,
Baron Mack, zur Armee in den Niederlanden berufen, der
nun als Generalquartiermeister eine der wichtigsten Persönlichkeiten der bei
den Feldzüge von 17S3 und 1794 wurde. Graf Moriz Dietrichstein, der
achtzehnjährige Generalstabs-Hauptmann, mußte naturgemäß im Dienstverhältnisse
in die mannigfachsten Berührungen mit dem damals als lumen
mundi angestaunten Manne treten. Der talentvolle Jüngling erregte die
freundlichste Aufmerksamkeit Mack's. Graf Moriz fühlte sich geehrt und
ausgezeichnet durch diese Theilnahme; er wendete dem hochverehrten Chef
sein ganzes Herz zu, und so bildete sich ein Freundschaftsbund, der die
beiden Männer bis zum Tode Mack's auf das Innigste verband und der
auch später eine der interessantesten Perioden in dem militärischen Leben des
Grafen Moriz schuf.
Nach dem Urtheile von Sachkundigen war der so unglückliche Ausgang
des Feldzuges 1794 zumeist eine Folge der Anordnungen Mack's:
Die Niederlande waren verloren; alle Früchte der blutigen Kämpfe dieses
Jahres entschwanden. Coburg legte das Kommando nieder und am 28.
August übernahm es Clerfayt. Auch Mack trat zurück und wurde durch den
Prinzen Waldeck ersetzt. Graf Moriz Dietrichstein hatte an allen Schlachten
dieses Feldzuges rühmlichen Antheil genommen. Er wurde im Herbste auch
in den Kämpfen am Ober- und Niederrhein verwendet und nahm an dem
Feldzuge 1795 und 1796 Theil. Ein Zeugniß des FML. Schottendorf
ddo. Trient, am 17. August 1796 lautet: „Bei der am 29. Juli 1796
unternommenen ersten Vorrückung zum Entsatze von Mantua, wobei ich die
auf dem rechten Etschufer vorrückende Kolonne befehligte, gelangte ich nach
Erstürmung des verschanzten Lagers bei Brentino an den Ausgaug des
Etschthales bei Canale. Die auf dem hohen Felsen bei Rivoli am Ufer des
Flusses befindliche feindliche Batterie, welche das Thal in seiner ganzen
Breite bestrich, hinderte nicht nur meinen ferneren Marsch und meine Vereinigung
mit den über den Monte Baldo vordringenden Kolonnen, sondern
auch die Schlagung der Pontonsbrücke bei Dolce, wodurch erst die gemeinschaftliche
Vorrückung und Zurücktreibung des Feindes gegen Castelnuovo
bewirkt werden konnte. Es wurde also dringendst nöthig, diese Batterie
durch eine kombinirte Attaque sogleich zu erobern. Hier war es, wo der
Hauptmann des General-Quartiermeister-Stabes, Graf Moriz Dietrichstein,
der eben mit Befehlen des kommandirendm Feldmarschalls an mich abgeschickt
kam, aus eigenem Antriebe mit 200 Freiwilligen, ungeachtet des
heftigsten feindlichen Feuers vier Schluchten überstieg und endlich mit der
äußersten Anstrengung und Tapferkeit den hohen Felsen hinankletterte, und
da ich zu gleicher Zeit ein paar Bataillons rechts auf den gegen die
Schanze zirkelförmig hinlaufenden Bergrücken beordert hatte, so wurde der
Feind durch diesen Front- und Flankenangriff gezwungen, seine Kanonen
zu vernageln und die Batterie in größter Eile zu verlassen. Nun erst
konnte die Pontonsbrücke geschlagen und eine Kolonne auf den Anhöhen
von Rivoli aufgestellt werden. Da der Hauptmann Graf Moriz Dietrichstein
sich durch diese freiwillige tapfere Handlung ein wesentliches Verdienst
erworben und mir stets mit Rath und That an die Hand gegangen, finde
ich mich bewogen, ihm dieses Zeugniß zum Beweise meiner vollkommenen
Zufriedenheit zu ertheilen."
Graf Franz war bereits 1794 zum Obersten und 1796 zum
General-Major avancirt. Von dieser Zeit an betrat derselbe die diplomatische
Laufbahn. Wir werden später auf seine Geschicke zurückkommen.
Graf Moriz wurde im September 1796 Major und zum Flügeladjutanten
des FZM. Baron Alvinzy bestimmt. In dieser Verwendung
wirkte er bei den Kreuz- und Querzügen in Kärnthen, Krain, Tirol, Friaul
und in Italien. Er war thätig bei den Arbeiten Alvinzy's zur Regulirung
der Insurrektion in Tirol und nahm an den Versuchen des FZM.,
Mantua zu entsetzen, insbesondere den Schlachten von Bassano und Arcole
und an der unheilvollen Schlacht bei Rivoli (14. und 15. Jänner 1797)
Theil, nach welcher Alvinzy sich nach Tirol zurückziehen mußte. Der
FZM., dessen Gesundheit natürlich tief erschüttert war, legte das Kommando
nieder, welches Erzherzog Karl nach den glorreichen Erfolgen des
Feldzuges in Deutschland übernehmen mußte. Doch in Italien war nichts
mehr gut zu machen; der Waffenstillstand von Judenburg setzte den erbitterten
Kämpfen in Kärnten und Steiermark ein Ziel. Dem letzten Theile
dieser Kriegsperiode wohnte Graf Moriz nicht mehr bei. Er kam schon im
März 1797 zum FML. Baron Mack, der am Rhein stand, als Flügeladjutant
und war dessen Begleiter auf den militärischen Bereisungen am
Rheine, in Innerösterreich, an den italienischen Grenzen, nach Triest, Venedig,
nach Mailand, in's französische Hauptquartier, dann wieder an den
Inn und nach Baiern, auch weilte er eine Zeit lang in Wien. Nach dem
Friedensschlusse von Campo formio wurde er (April 1798) als zweiter
Major in das in Oberösterreich garnisonirende Infanterie-Regiment
Lacy, in welchem er 1791 seine militärische Laufbahn begonnen hatte,
eingetheilt. (Fortsetzung folgt.)
*) Von den vier Töchtern starben drei in frühester Kindheit; die 1763 geborene
„himmlische" Therese war die innigste Liebe, die letzte große Flamme des edlen Kaisers
Josef; er vermälte sie 1787, als er in den Türkemrieg zog, seinem vertrauten Reisebegleiter
und Kammerherrn, Grafen Philipp Kinsky. Der stolze finstere Mann glaubte
sich aber verletzt, wähnte sich zum Deckmantel (oder wie die Wiener sagen „zum Elefanten")
mißbraucht, glaubte an ein mehr als platonisches Verhältniß zwischen Theresen
und dem Kaiser, schied gleich nach der Trauung von ihr, eilte nach Venedig und Rom
und hat sie niemals berührt. Die vornehmsten, edelsten Männer warben um die Herrliche,
die, so wie Kinsky, auch ihrerseits sogleich an Scheidung dachte, aber der Katholizismus
Beider stand unerbittlich im Wege. Endlich nach Jahren gab der Nuntius
Severoli in Wien den Einschlag, sie möchte konstatiren, die Trauung sei unter den
heftigsten (von Theresen überhaupt ungeheuer gefürchteten) Gewitterschlägen geschehen
und sie sei dabei stets halb ohnmächtig und fast ganz bewußtlos gewesen. Der Kopulant,
der in der Nikolsburger Schloßkirche die Trauung verrichtete, der Mutterbruder
Graf Leopold Thun, letzter Fürstbischof von Passau, gab das nicht sehr pflichtgemäße
Attest:, Er habe gar nicht gehört, daß die ohnmächtige das so wesentliche Ja! ausgesprochen
habe". Damit ließen die anderweitig mit klingenden Gründen mächtig bearbeiteten
Römlinge sich genügen, Kinsky's Ehe ward als wesentlich defekt, ja null erklärt
und nun vermälte sich Therese l807 mit dem Grafen Max Meerveldt, der 1797 den
ersten Waffenstillstand mit Napoleon vor dem Frieden zu Camposormio zu Leoben schloß
und zuletzt noch in der Schlacht bei Leipzig, wo er gefangen wurde, von Napoleon an
Kaiser Franz zum Behuf einer Unterhandlung abgeschickt wurde. Er starb, in verschiedenen
Missionen gebraucht, 1815 als Gesandter in London. Die himmlische Therese
folgte ihm 1821, 53jährig, ins Grab.
Oesterreichischer Soldatenfreund vom 18.4.1868, Seite 3 und 4:
Aus dem Leben des letzten Dietrichstein.
Von Julius Ebersberg.
(Fortsetzung.)
Sie wurden nunmehr über Mailand nach Briancon gebracht, woselbst
sie im vollsten Sinne des Worte! als Gefangene behandelt wurden. Später
ging dem General und seinen Offizieren ein Schreiben des französischen
Kriegsministers zu, welches lautete:
„Si le généneral Mack et ses offciers d'état-major veulent etre
prisonniers sur parole, ils jouiront dans l'interieur de la republique
de toute la liberté, dont les prisonniers de Guerre sont susceptibles."
Die Gefangenen unterwarfen sich diesem Gesetze, um die Gesundheit
des Generals durch Mangel an Luft und Bewegung nicht ganz zu Grunde
zu richten. Aber man verstattete ihnen solche Freiheiten nur einen einzigen
Tag. Schon am nächsten wurden sie, ohne den geringsten Anlaß gegeben zu
haben, wieder in strengste Haft gebracht.
Der Aufenthalt in Briancon, dem traurigsten Gsrnisonsort in ganz
Frankreich, von dem es schon in dem alten Soldatenliede heißt:
Briancon
Chien de garnison, -
wurde den Gefangenen möglichst verbittert. Die kleine Stadt ist sehr stark
befestigt und von mehreren Forts umgeben, welche alle sehr hoch, theils
am linken, theils am rechten User der auf dem benachbarten Mont de Genévre
entspringenden Durance gelegen sind. Die ganze Umgebung von
Briancon ist vollständiges Hochalpenland und hat ein äußerst rauhes Klima.
Die Forts stehen durch unterirdische Felsengänge in Verbindung.
In dem höchsten dieser Forts war Graf Dietrichstein in einer dunklen
engen, feuchten Zelle verwahrt und dieser Aufenthalt wirkte endlich
auch auf seine sonst felsenfeste Gesundheit, da der Winter von 1799 ungewöhnlich
kalt und stürmisch war. Nach zwei Monaten traf der Befehl von
Paris ein, Mack und seine Offiziere nach Dijon zu bringen, woselbst sie
im Mai eintrafen und in dem dortigen Schlosse streng bewacht wurden.
Auf alle ihre Reklamationen über diese unwürdige Behandlung erfolgte
keine Antwort. Später aber trat denn doch eine Milderung in der Strenge
ihrer Überwachung ein und der Divisions-General Meynier gestattete den
Gefangenen mancherlei Freiheit. Die Haft in den feuchten Zellen der Forts
in Briancon hatte die Gesundheit nicht nur des Grafen Dietrichstein, sondern
auch des Baron Reischach und des Majors Frey ernstlich erschüttert.
Die Gemüthsbewegung, der Schmerz und Kummer über diese unglückliche
Gefangenschaft trug bei, ihre Leiden zu steigern. Sie drangen auf eine
Untersuchung durch die Officiers de Santé und das Ergebniß derselben war
ein ärztliches Zeugniß, das den Leidenden Bewegung im Freien, Genuß
frischer Luft und Gebrauch von Bädern empfahl. Der erwähnte Divisions-General
Meynier, Kommandant der 18. Militär-Division, deren Hauptquartier
in Dijon war, gab nun den Gefangenen die Erlaubniß, durch drei
Wochen das Schloß zu jeder ihnen beliebigen Tageszeit zu verlassen, ohne
alle Überwachung die Stadt und ihre Umgebung zu bewandeln und die
Bäder zu gebrauchen. Diese Erlaubniß ward sogar auf Ansuchen Dietrichsteins
noch um 14 Tage verlängert. Spaziergänge und der Gebrauch der
Bäder äußerten auch die erwünschte Wirkung. Die Herstellung der Leidenden
erfolgte vollständig. Aber die peinliche Ungewißheit über die Dauer
ihrer widerrechtlichen Gefangenschaft erhielt ihr Gemüth fortwährend in
qualvoller Erregung. So verstrichen sieben Monate, als im November 1799
Napoleon Bonaparte, der am 15. Oktober aus Aegypten zurückgekehrt war,
am 18. Brumaire die bekannte merkwürdige Regierungsveränderung bewerkstelligt
und das Direktorium gestürzt hatte, den General Mack und seine
Offiziere so schnell als möglich nach Paris zu bringen befahl; die Motive
zu diesem Befehl wurden den Gefangenen nicht bekannt gegeben und es
blieb ihren eigenen Conjekturen überlassen, ob diese neue Phase ihres Geschickes
eine Unheil drohende oder Glück verheißende sein möge. Die Reise
von Dijon nach Paris ward am 22. November angetreten und war auf
das Anständigste besorgt. Man bedurfte dazu sieben Tagreisen und traf am
29. in Paris ein. Hier schienen die Auspizien sich recht günstig zu gestalten.
Der General durfte nach Belieben ein Hotel zur Wohnung wählen
und wechseln. Er war keiner lästigen Ueberwachung unterworfen, sondern
konnte nach Belieben ausgehen, Landparthien in die Umgebungen machen
(bis auf zwei Meilen weit). Dasselbe war der Fall mit den Offizieren,
welche mit aller Rücksicht als «prisonniers de guerre sur parole" behandelt
wurden. Sowohl durch den Kriegsminister Carnot als durch den Kommandanten
von Paris, Divisionsgeneral Moreaud, ward ihnen alle Freiheit
der Bewegung gestattet, die unter solchen Umständen möglich ist; aber das'
konnte sie doch nicht vergessen machen, daß sie nun seit länger als einem
Jahre und zwar widerrechtlich als Gefangene erklärt, ferne von der Heimat
verweilen mußten, statt wieder in den Dienst der kaiserlicyen Armee eingetreten,
an den rühmlichen Kämpfen des Feldzuges 1799 Antheil zu
nehmen.
Die Stimmung des ersten Konsuls schien bei der Berufung der Gefangenen
nach Paris eine ihnen günstige zu sein, und es wurde Mack sofort
eine Audienz bei demselben verheißen. Es vergingen indessen wieder ein paar
Monate, ehe sie wirklich stattfand, und während dieser Zwischenzeit war bei
dem ersten Konsul eine ganz andere Stimmung eingetreten. Er empfing
den General zwar sehr höflich und gütig, erklärte aber zugleich, daß er
seine Sache immer als gleichbedeutend mit jener des Generals Lafayette
betrachte, welcher bekanntlich 1792 aus Mißtrauen in seine Gesinnung von
der Nationalversammlung in Anklagezustand versetzt (was damals als ein
Todesurtheil gelten mochte) und durch die in Folge dieses Anklagedekretes
in seiner Armee selbst ausgebrochene Insubordination persönlich bedroht, mit
24 Personen seines Generalstabes auf österreichisches Gebiet geflohen
war, wo man ihn angehallen und zuerst in preußischen Festungen, dann in
Olmütz als Kriegsgefangenen in Gewahrsam gehalten hatte.
General Mack erwiderte, daß dieser Vorgang nicht mit seinem Geschicke
verglichen werden könne und dürfe. Lafayette sei ganz unangemeldet, ohne
alle Bedingnisse, mithin auf Diskretion, bei einer feindlichen Armee erschienen.
Er (Mack) aber habe sich fünf Stunden lang den Dolchen der neapolitanischen
Meuchelmörder ausgesetzt, um sich erst die Versicherung Championet's
zu seiner freien Abreise nach Deutschland zu verschaffen, welche
ihm derselbe mit ritterlicher Courtoisie zugestanden habe. Diese Uebereinkunft
sei von Championet auch eingehalten geblieben. Erst bei der Ankunft in
Bologna sei dieser Vertrag durch von Paris eingetroffen Depeschen für
ungütig erklärte und wider alles Völkerrecht gebrochen worden. Der erste
Konsul trat dieser Anschauung durchaus nicht bei, sondern erklärte, daß er
nur auf eine Auswechslung gegen drei gefangene französische Generale (darunter
Perignon und Grouchi) eingehen könne, worüber er auch bereits Verhandlungen
eingeleitet habe, die jedoch keinen Erfolg hoffen ließen, da der
kaiserliche Hof beharrlich die Gefangenhaltung des Generals Mack und seiner
Offiziere als völlige Verletzung deS Völkerrechtes betrachte, durch welche
das Begehren einer Auswechslung nicht gerechtfertigt werde.
Mack stellte nun den Antrag, daß, wenn der erste Konsul ihm und
seinen Offizieren die Erlaubniß, nach Wien zu gehen, ertheilen wolle, er
sich mit seinem Ehrenworte verpflichte, in drei Monaten sich wieder in Paris
zu stellen, wenn er nicht für die drei französischen Generäle die Rückkehr
nach Frankreich sollte erwirken können. Bonaparte willigte allsogleich in
diesen Antrag mit dem Beisätze, daß er unverweilt den diesfälligen Befehl
an den Kriegsminister gelangen lassen werde. Somit entließ der erste Konsul
auf das freundlichste den General, der seinerseits sich beeilte, noch am selben
Tage (27. Ventose An 8 — 18. März 1800) seinen Revers bei dem
Kriegsminister zu deponiren, mit dem Ersuchen, für seine endliche Abreise
von Paris Sorge zu tragen. Aber es vergingen Tage und Wochen, ohne
daß ihm mehr eine Nachricht darüber zuging; so blieb endlich kein Zweifel,
daß der erste Konsul abermals nur ein leeres Versprechen gegeben und nicht
daran gedacht habe, es zu halten. Unter diesen Umständen hielt Mack sich
berechtigt, seinen ausgestellten Revers für null und nichtig zu erklären. Er
benachrichtigte hievon den Kriegsminister mit dem Beisatze, daß, wenn die
Erlaubniß zur Abreise nicht längstens bis halben April erfolge, er seinen
ganzen Antrag als gefallen ansehe, und sich blos wieder auf seine früheren
Reklamationen von Gerechtigkeit gegen seine unrechtmäßige Gefangenschaft
beziehe.
Von diesem Augenblicke reiste auch der Gedanke in ihm, sich selbst
Recht zu verschaffen und einen Versuch zur Flucht zu wagen. Er hielt es
für unerläßlich nöthig, seinen Offizieren aus diesem Plane und den Vollzugsanstalten
ein undurchdringliches Geheimniß zu machen. Er meinte, sie
würden aus Liebe zu ihm und aus Besorgniß, daß er sowohl durch seine
Kränklichkeit als durch die mit einem solchen Fluchtversuche verbundenen
Gefahren zu Grunde gehen könne, ihre Zustimmung versagen. Der General
verließ am 16. April Abends 6 Uhr in einem Postkabriolet Paris. Schon
acht Tage vorher hatte er einen Paß für seinen Stallmeister Wallis, dem
er versprochen hatte, ihn nach Wien zu schicken, von dem Polizeimimster
verlangt und erhalten. Mit diesem Passe gelangte er unverfolgt und ohne
Beanständung über die Grenze und über Frankfurt nach Wien. Die
zurückgelassenen Offiziere erhielten erst nach sechs Tagen Kenntniß von der
Flucht des Generals.
Graf Dietrichstein erstattete am 22. dem Kriegsminister einen Bericht
über Dasjenige, was ihm über das Ereigniß bekannt war. Dieser Brief
lautet im Original:
(französischen Text entfernt)
Oesterreichischer Soldatenfreund vom 22.4.1868, Seite 3 und 4:
Aus dem Leben des letzten Dietrichstein.
Von Julius Ebersberg.
(Fortsetzung.)
Graf Moriz vermälte sich noch im Laufe dieses Jahres (22. September [1800]),
der Neigung seines Herzens folgend, mit der Gräfin Therese von
Gilleis, an deren Seite er 60 Jahre in glücklicher Ehe lebte. In demselben
Jahre trat er auch nach einer fast zehnjährigen, rühmlichen kriegerischen
Laufbahn aus dem Militärdienste, entschlossen, sein künftiges Dasein seiner
Häuslichkeit und den Künsten und Wissenschaften zu widmen — ein Wirkungskreis,
umfassend genug, allen Bedürfnissen seines Geistes und Herzens
zu genügen. Die Jahre, welche der thätige und geistreiche Mann in dieser
Richtung verbrachte (von 1800—1813) waren keine verlorene Zeit.
Allein auch manche trübe, schwere Wolke wälzte sich auf den sonst
so heiteren Lebenshimmel des Grafen. Sowohl in patriotischer Beziehung
als in seinem Familienkreise brachten ihm diese Jahre bittere Stunden.
Der unselige Feldzug 1805 und die Folgen, schwere feindliche Invasion,
konnten nur die schmerzlichsten Eindrücke in ihm erregen. Tiefgebeugt sah
er das Mißgeschick Oesterreichs und sein Mitgefühl ward noch umsomehr
erregt, als Mack, an dem er als treu ergebener Freund hing, und dem er
als seinen ehemaligen Feldherrn diese Anhänglichkeit bis zum Grabe
bewahrte, dießmal einem noch niederschmetterndern Mißgeschicke verfiel als
in dem neapolitanischen Feldzuge. Graf Moriz zählte die Ereignisse dieses
JahreS zu den trübsten Erinnerungen seines Lebens. Im Jahre 1808 starb
in dem hohen Alter von 80 Jahren sein fürstlicher Vater.
Der Ober-Stallmeister, von dessen Humor und Freimüthigkeit gleichzeitige
Quellen viel zu erzählen wissen, hatte im Jahre 1802 [23.07.1802] — 74jährig
— zu jedermänniglich Verwunderung in Wien, wie die handschriftlichen
Memoiren des schlesischen Grafen Wengersky, der damals längere Zeit in
Wien Aufenthalt machte, bezeugen, „eine gar nicht Geborne", seine frühere
Maitresse Anna Baldauf, in Wien als „Nannerl" sehr wohl bekannt,
auch schon eine Fünfundvierzigjährige geheiratet. Die Familie hatte ihn
deshalb seit 1805 wegen Geistesschwäche unter Kuratel gesetzt; die Fürstin
„Nannerl" überlebte ihren alten Herrn noch sieben Jahre bis 1815 [25.02.1815]. Nach
dem Tode des Oberst-Stallmeisters trat der älteste Bruder des Grafen
Moriz, Graf Franz Josef in die fürstliche Linie ein.
Es wurde bereits oben erwähnt, daß Graf Franz schon 1796 zum
Generalmajor avancirt war, dann aber als solcher die diplomatische Karriere
betrat, indem er zuerst in Berlin, dann in Petersburg, wo noch
Kaiser Paul regierte, die Thugut'sche Politik bis in ihre letzten Konsequenzen
vertrat. 1797 vermalte er sich in Paulslust mit der Gräfin Alexandrine
von Schuwaloff; am 28. März 1798 ward ihm sein einziger (legitimer)
Sohn Graf Josef Franz geboren. Im Jahre 1800 nahm Graf Franz
wieder am Feldzuge in Deutschland Theil und schloß den Waffenstillstand
von Parsdorf mit dem französischen General La Horie. 1801 erfolgte der
Sturz seines Freundes Thugut und seines Sistems. Dem Grafen Franz
Dietrichstein ward wiederholt das Portefeuille des Aeußern angeboten, er
lehnte es aber, da das Sistem Thugut's, dem er zu Nikolsburg ein schönes
Denkmal errichtet hatte, nicht mehr gelten sollte, unbedingt ab, nahm
noch 1801 seinen Abschied und zog sich in das Privatleben zurück, dem
Lorbeer des Kriegers und dem Eichenlaub des verdienten Staatsmannes nun
in einer unabsehbaren Reihe humanistischer Großthaten die Bürgerkrone
hinzufügend. Wer zählt die Thränen der Unglücklichen und Bedrängten,
die seine unermüdliche milde Hand getrocknet? Die ihm statutenmäßig
gebührende Pension als Ritter des Maria Theresien-Ordens z. B. widmete
er stets der Unterstützung der Hinterbliebenen anderer Ordensritter; da ihn
aber der Gedanke quälte, daß diese Beihülfe nach seinem Tode mit Erlöschen
der eigenen Pension aufhören würde, stiftete er 1854, kurz vor seinem
Tode, ein Kapital von 24.000 fl. zu dem Zwecke, daß die Interessen „auf
immerwährende Zeiten zur Unterstützung hülfsbedürftiger Witwen, Waisen
oder Verwandten verstorbener Maria Theresien-Ordensritter nach dem Ermessen
des jeweiligen Ordenskanzlers verwendet, werden sollen." In den
Kriegsjahren gegen Napoleon führte er eine höchst merkwürdige Korrespondenz
in Staatesachen mit Kaiser Franz, sagte aber dabei so starke und so
unumwundene Wahrheiten, daß eines schönen Morgens der Oberstkämmerer
des Kaisers, Graf Wrbna, ihn aus allerhöchsten Befehl einlud, dem Briefwechsel
ein Ende zu machen. Noch im Jahre 1811 sollte er das goldene
Vließ erhalten, schlug es aber aus und zwar aus dem Grunde, „weil der
Bankeroterklärer Graf Wallis es auch erhalten habe."
Graf Moriz trat erst auf dem Wiener Kongresse 1813 wieder in
die Oeffentlichkeit, als er am 20. September in seiner Eigenschaft als k. k.
Kämmerer dem Könige von Dänemark während dessen Anwesenheit in Wien
als Dienstkämmerer zugetheilt wurde, da man sämmtlichen Souveränen und
Prinzen einen Hofstaat aus einheimischen Kavalieren bildete.
Merkwürdig ist es, daß diese zufällige und temporäre Anstellung den
Ausgangspunkt der bald folgenden Berufung des Grafen zu wichtigen Hof-
und Staatsdiensten bildete. König Friedrich VI. von Dänemark, ein anerkannt
geistvoller Monarch, höchst liebenswürdig im Umgange, von dem
Wunsche beseelt, sich mit Allem bekannt zu machen, was Wien in Beziehung
auf Künste und Wissenschaften Interessantes bot, erkannte in dem
Grafen Dietrichstein den Mann, der völlig geeignet war, die Befriedigung
dieses Wunsches herbeizuführen. Friedrich VI. lenkte die Aufmerksamkeit des
Kaisers aus die bedeutenden Kenntnisse und Begabungen des Grafen, was
sicherlich wenigstens mittelbar von Einfluß auf die ehrenvolle Anstellung
war, welche das Jahr 1815 ihm brachte. Am 26. Juni d. J. unterrichtete
den Grafen ein Handbillet des Erzherzogs Rainer, daß der Kaiser ihn
mittels Allerhöchster Entschließung vom 20. i. M. als ein besonderes
Merkmal des Allerhöchsten Zutrauens in seine Person zum Kammerherrn
bei dem Prinzen von Parma
*)
mit dem Beisatze zu ernennen geruhten,
daß er bei diesem Prinzen die Dienste eines Obersthofmeisters zu verrichten
und über ihn zu wachen habe und daß die „gänzliche" männliche Dienerschaft
des Prinzen unter seinen Befehlen stehen solle.
Graf Dietrichstein, wenngleich sehr geehrt durch die auf ihn gefallene
Wahl, fühlte das ganze Gewicht der großen Verantwortung, die sie ihm
auferlegte. Ein Brief von ihm an den damaligen Oberstkämmerer Grafen
von Wrbna spricht seine Anschauungen darüber mit Wärme aus. Daß
diese Berufung als eine glückliche angesehen wurde, darauf deutet ein
Artikel der „Allgemeinen Zeitung" vom 15. August 1815: „Wien, 9.
August.- Der kleine Napoleon besucht seine Mutter gewöhnlich zwei
Mal die Woche in Begleitung seines Ajo, des Grafen Moriz Dietrichstein,
welcher diese Stelle seit einigen Wochen nach dem Wunsche des Kaisers
angetreten hat. Gewiß hätte die Wahl kaum auf einen Würdigeren als auf
den vertrauten Freund unseres verewigten Collin fallen können, welcher
mit der heißesten Liebe für sein Vaterland, einen gebildeten Verstand und
vorzüglichen Geschmack an den Wissenschaften verbindet, und welcher daher
seinen lebhaften Zögling auf das wahrhaft Edle und Schöne hinleiten wird.
Dieses ist umsomehr zu wünschen, da man von dem jungen Prinzen schon
viele Aeußerungen gehört hat, welche auf besonderen Scharfsinn und
Forschungsgeist hindeuten."
In der That war dieses Kind schon zu jener Zeit geistig sehr entwickelt
und seine Fragen sowohl als raschen treffenden Antworten oft
erstaunungswürdig.
Die Lieblichkeit seiner Erscheinung ist gewiß noch Allen erinnerlich,
die den Knaben damals sahen, denn sie machte wirklich Epoche. Zugleich
sprach sich in diesen kleinen Zügen unverkennbar schon sehr viel Charakter aus.
*)
Diesen Titel führte damals der Sohn Napoleons und der Erzherzogin Maria
Louise, Herzogin von Parma, Piacenza und Guastalla, als ihr präsumtiver Thronerbe.
Auf dem Kongresse aber hatte dieser Anspruch Proteste gefunden, sie wurden berücksichtiget,
und Kaiser Franz ließ 1818 aus der Herrschaft Reichstadt und anderen vormals
pfalzbaierischen Besitzungen in Böhmen einen Komplex bilden, dessen Nutzgenuß
dem Prinzen von Parma für seine Lebenszeit zufallen sollte, jedoch erst dann, wenn
diese Besitzungen, die dem Großherzog von Toskana gehörten, durch den Heimfall
Luccas an Toskana Privatdomänen des Kaisers geworden wären. Am 22. Juli 1818
erhielt der Prinz (s. u.) den Titel eines Herzogs von Reichstadt mit dem Rang unmittelbar
nach den Erzherzogen des kaiserlichen Hauses und das Wappen der alten
österreichischen Badenberger, Herzoge von Mödling, die zwei übereinander schreitenden
Löwen. —
(Fortsetzung folgt.)
Oesterreichischer Soldatenfreund vom 29.4.1868, Seite 3, 4 und 5:
Ans dem Leben des letzten Wietrichstein.
Bon Julius Ebersberg.
(Fortsetzung.)
Wenngleich die Erziehung des Prinzen dem Grafen ganz anheim
gegeben war, so hielt er es doch stets für seine Pflicht, sowohl dem Kaiser
Franz als der Mutter seines Zöglings strenge Rechenschaft über die Führung
derselben zu geben. Ausführliche Vorträge an den Kaiser in dieser
Richtung, die sich unter den Papieren des Grafen finden, beweisen die
gewissenhafte Sorgfalt, mit welcher er die geistige und moralische Entwicklung
des ihm anvertrauten Knaben leitete und überwachte. Diese Bestrebungen
wurden auch im höchsten Grade anerkannt, sowohl von Seite des
Kaisers Franz, welcher dem Grafen freien Zutritt in allen Gelegenheiten,
wo eine Frage der a. h. Entscheidung zu unterbreiten war, gestattete, als
auch von Seite der Erzherzogin Maria Louise, die Dietrichstein in jeder
Beziehung ihr vollstes Vertrauen zuwendete, und zwar nicht nur in dem,
was die Erziehung ihres Sohnes betraf, sondern auch in Hinsicht ihrer
Geschäfte. Schon 1816 wurde der Graf mit der diplomatischen Vertretung
der Herzogin von Parma offiziell betraut. Während der ganzen sechzehnjährigen
Periode seiner verantwortungsvollen Amtsführung stand er in regelmäßigem
schriftlichen Verkehre mit der hohen Frau, deren zahlreiche Privatgeschäfte
er in Wien gleichfalls besorgte. Auch nach dem Tode des Herzogs
von Reichstadt dauerte dieser Briefwechsel fort, und es befinden sich in
den Händen der Tochter des Grafen (Prinzessin Oettingen-Wallerstein) bei
650 eigenhändige Schreiben der hohen Frau, die zahllose Beweise der gnädigen
Gesinnungen, der zartesten Rücksichten, ja der innigsten Freundschaft
liefern, deren der Graf von dieser seiner Gebieterin gewürdigt wurde.
Als im Jahre 1823 Matthäus von Collin starb, wurde nach dem
Vorschlage Dietrichstein's Regierungsrath von Oberaus berufen, dessen Rolle
zu ersetzen. Da der Prinz schon von Jugend an die bestimmteste Vorliebe
für den Militärstand und seinen Willen, sich demselben zu widmen, ausgesprochen
hatte, so erhielt Freiherr von Oberaus die Weisung, den ihn
betreffenden Studienkreis zu theilen, und zwar in den Unterricht der eigentlich
klassischen Gegenstände und in jenen der Geschichte, so der allgemeinen,
als insbesondere jener seines Vaters, nach welcher der Jüngling mit glühender
Wißbegierde verlangte. Der Auftrag des Kaisers Franz ging dahin,
den Prinzen mit jedem historischen Wissen bekannt zu machen, welches einem
Militär höheren Ranges nöthig ist. Mit dem Studium der Geschichie wurde
daher jenes der politischen Wissenschaften und der Statistik in voller Ausdehnung verbunden.
Seit der Herzog von Reichstadt das 16. Jahr erreicht hatte, machte
es sich Dietrichstein zur Pflicht, ihm alle Werke ohne Ausnahme in die
Hände zu geben, die über die Geschichte Napoleon's und die französische
Revolution erschienen waren. Der Graf sprach auch oft und viel mit ihm
darüber, und es wurde ihm mit Vorsicht, aber nach der vollen historischen
Wahrheit über diese Gegenstände Aufklärung gegeben.
Im August 1828 wurde der Prinz zum Hauptmann im Kaiser-Jäger-Regimente
ernannt und wohnte als solcher dem zu jener Zeit gehaltenen
Lager in Traiskirchen bei. Natürlich erwachte der Wunsch nach Selbständigkeit
nach und nach in dem feurigen Jünglinge immer mehr. Dietrichstein
hielt es aber im Gegentheile für höchst wichtig, die Periode der Emancipation
seines Zöglings nicht zu früh eintreten zu sehen, sowohl weil er seine
wissenschaftliche Bildung noch vollendet sehen wollte, als auch darum, weil
bei dem ungeheuren Wachsthume des Prinzen, welches einmal in einem
Jahre 4 Zoll betrug, zu fürchten war, daß seine physischen Kräfte mit den
körperlichen Anstrengungen, denen er sich bei seiner Leidenschaft für den
Militärdienst hingeben würde, nicht gleichen Schritt halten könnten. Der
Graf fand sich daher veranlaßt, in diesem Jahr- ein ausführliches Exposé
über den Herzog von Reichstadt dem Kaiser Franz und der Mutter seines
Zöglings vorzulegen, worin er sich mit dem größten Freimuth über Gegenwart
und Zukunft demselben ausspricht, welch' letztere allerdings bei der
ganz exceptionellen Stellung desselben mancher Besorgniß Raum gab.
Die Gründe des Grafen fanden Anerkennung und der Prinz blieb
noch bis zum Monat Juni 1831 in seiner bisherigen Umgebung. Im
Winter 1830/31 erschien der Herzog von Reichstadt, den man bis jetzt
nur bei Hofe gesehen halte, auch in den Zirkeln fremder Botschafter, und
erregte sowohl durch seine gewinnende äußere Erscheinung, als durch seine
Liebenswürdigkeit und sein taktvolles Benehmen das größte Interesse.
Zu jener Zeit war auch Marschall Marmont, in Folge der Juli-Revolution
nach Wien gekommen — der Gegenstand der Aufmerksamkeit
des Prinzen, und er wünschte die Bekanntschaft dieses berühmten Feldherrn
seines Vaters zu machen. Dies geschah auf einem Balle des englischen Botschafters,
wo Graf Dietrichstein den Marschall dem Herzoge vorstellte. Dieser
begrüßte Marmont mit Zuvorkommenheit und äußerte, daß er in Bezug auf
die Kriege des Kaisers Napoleon viele Fragen an ihn zu richten habe.
In Folge dieser Aeußerung erschien Marschall Marmont sofort bei dem
Prinzen, dem er mit Bewilligung Franz I. durch länger als drei Monate
geregelte Vorlesungen über die Feldzüge Napoleons hielt.
Wenn auch der Marschall anfänglich mit einigem Mißtrauen von dem
Herzoge von Reichstadt betrachtet wurde, wegen der traurigen Berühmtheit,
die er durch die Kapitulation von Paris erlangt hatte, so trat dieses
Gefühl doch nach und nach in den Hintergrund, je mehr das Interesse
an jenen Vorträgen wuchs und der Gang der Ereignisse sich vor den Blicken
des Prinzen entrollte.
Unter den Personen, die in jener Periode noch in nähere Berührung
mit ihm traten, ist vor Allem der damalige Oberst Baron Prokesch zu
nennen, dessen geistvoller Umgang den Herzog von Reichstadt sehr anzog.
Verkehr hatte er auch mit dem Fürsten Dietrichstein, der, wenngleich damals
schon ein Greis, doch durch seinen lebhaften Geist und sein eminentes Wissen
wohl geeignet war, auf ein junges Gemüth zu wirken, sowie er selbst sich
mit Wärme für den begabten jungen Mann interessirte, was er in einem
Briefe an ihn mit den Worten bezeichnet: „Votre printemps console mon hiver."
Der Sommer 1831 war der Zeitpunkt, der für die Trennung des
Prinzen von seiner bisherigen Umgebung bestimmt war. Am 18. Mai
jenes Jahres vermälte Graf Dietrichstein seine einzige Tochter Julie (geboren 1807)
mit dem Prinzen Karl zu Oettingen-Wallerstein, Die Trauung
erfolgte in der Hofburg-Pfarrkirche und der Herzog erbot sich selbst, die
Tochter seines langjährigen Erziehers und Freundes zum Altar zu geleiten.
Gewiß kann sich kein zweites Ehepaar rühmen, einen historisch merkwürdigeren
Brautführer gehabt zu haben! wie auch hinwieder der Herzog nicht
in zarterer Weise dem Grafen einen öffentlichen und verbindlicheren Beweis
von Anerkennung und Anhänglichkeit geben konnte. In der That hatte das
Verhältniß des Prinzen zu dem Grafen in dem Grade, als Ersterer an
Einsicht gewann, an Innigkeit zugenommen; auch urkundliche Bestätigungen
liegen dafür vor.
So z. B. schrieb der Prinz in demselben Jahre 1831 bei Gelegen
heit einer kleinen nach Graz unternommenen Reise in sein Journal:
„Jai été de parfait accord avec le comte, et jái acquis pendant
ce petit voyage la parfaite conviction de l'amour qu'il me
porte et de la justesse de ses vues sur mon avenir."
Am darauf folgenden 11. Juni schrieb er dem Grafen folgendes Billet:
„Je m'empresse de vous annoncer , Monsieur le comte, que
i'Empereur souhaite vous parler demain á 11 1/2 du matin. Je
crois qu'il veut vous parler de mon prochain avenir et mon coeur
déplore d'àvance le moment qui m'arrachera á la solicitude paternelle
que vous m'avez vouè depuis seize ans. Comptez, Monsieur
le comte sur mon amour et sur ma reconnaissance qui
peuvent en etre la seule récompense."
Am 14. Juni erfolgte die Trennung des Grafen von dem Prinzen,
der nun eine militärische Begleitung (GM. Graf Hartmann, Rittmeister
Baron Moll und Hauptmann Standeiski) bekam. Kurze Zeit nachher erhielt
der Graf von seinem ehemaligen Zögling ein, mit der größten Zartheit der
Empfindung ausgedachtes Geschenk. Es war sein Bild von der Meisterhand
Daffinger's in Aquarell gemalt, und stellt den Prinzen vor, wie er eben
auf ein Blatt Papier die Worte niederschreibt:
Éternelle reconnaissance!
Der Graf besuchte auch später noch den Prinzen sehr häufig und
ihr gegenseitiger Verkehr war ein sehr herzlicher. Am 23. September
schrieb der Herzog dem Grafen:
„La manoeuvre d'hierb m'a empeché Monsieur le oomte de
vous offrir moi-meme mes voeux les plus sinoérss. (Am 22. war
nämlich der Namenstag des Grafen.) La reconnaissance que je vous
porte est gravée dans mon coeur en lettres ineffacables, J'ose
espérer que mon attachement ne vous est pas indifférent, veuillez
bien y compter avec toute l'assurance que vous .. pouvez poser
sur votre propre ouvrage."
Außer diesen Beweisen der Liebe und Dankbarkeit seines Zöglings
hatte sich Graf Dietrichstein auch von Seite seines Monarchen der ehrendsten
Anerkennung seiner Leistungen zu erfreuen. Schon im Jahre 1818 zum
wirklichen geheimen Rathe ernannt, erhielt er nach Vollendung der Erziehung
des Herzogs am 3. November 1831 das Großkreuz des Leopold-Ordens mit
einem eigenen Handbillete des Kaisers.
Der Herzog, im Juli 1830 zum Major im Infanterie-Regimente
Salis Nr. 25 ernannt, im November desselben Jahres Oberstlieutenant bei
Nassau-Infanterie Nr. 29, widmete sich vom Sommer 1831 an, wo er zu
Prinz Waja Nr. 60 übersetzt ward, bei welchem Regimente er im Frühjahre
1832 zweiter Oberst wurde, dem aktiven Dienste mit rastlosem Eifer
und wahrer Leidenschaft, ohne Rücksicht auf seine körperlichen Kräfte. Gegen
das Frühjahr 1832 erschienen auch leider die ersten Anzeichen der Krankheit,
die im Anfange wohl nicht wichtig erkannt, bald reißende Fortschritte
machte, denn Fieberanfälle und ein bedenklicher Husten gaben Zeugniß eines
sehr ernsten Zustandes.
Der Schmerz Dietrichstein's, seinen Zögling dahin siechen zu sehen,
war groß. Bald schwand alle Aussicht auf Genesung, obschon der Plan
einer Reise in das milde Klima Neapels die Hoffnung des Kranken aufrecht
erhielt. Während der Krankheit des Herzogs war der Graf jeden Tag bei
ihm, in der Stadt und in Schönbrunn. Seine Gegenwart tröstete den
Kranken, der dessen aufrichtige Zuneigung kannte. Durch eine unaufschiebbare
Pflicht (die Geburt seines ersten Enkels) nach München gerufen, war selbst
die Abreise des Grafen dem Herzoge noch zum Troste. „Ich bin also nicht
in so großer Gefahr", sagte dieser auf die Nachricht davon; „wäre ich es,
so würde er mich nicht verlassen." In München ereilte Dietrichstein die
traurige Kunde von dem Hinscheiden des geliebten Prinzen, der nach schweren
und schmerzlichen Leiden, der Lungensucht und Abzehrung erlag. Er
starb in Schönbrunn am 22. Juli, dem vierzehnten Jahrestage der ihm
gewordenen Verleihung des sehr bescheidenen Titels eines Herzogs von
Reichstadt, und durch ein bedeutungsvolles Zusammentreffen der Umstände —
in demselben Gemache des Schlosses zu Schönbrunn, welches sein Vater
zwei Mal zur Zeit seines höchsten Ruhmes im Siegers-Glanze bewohnt,
wo er Maria Louisens Bildniß zuerst erblickt hatte!
Graf Moriz Dietrichstein überlebte seinen Zögling zwei und dreißig
Jahre, er diente dem Staate als Hofmusikgraf (1819 —1826), Hoftheater-
Direktor (1821—1826), Präfekt der Hofbibliothek (1826—1845),
Direktor der Münz- und Antiken-Sammlungen (1834—1848), Obersthofmeister
(1834—1845), Oberstkämmerer (1845—1848) und Obersthofmeisters-Stellvertreter
(1846—1848) u. s. w. noch bis zum 1. Dezember 1848,
also bis in sein 74. Jahr. Wie schon Eingangs, sei hier nochmals auf
dies Weidmann'sche Büchlein verwiesen, welches den hohen Verdiensten
Dietrichsteins in diesen Aemtern, seiner bis in die letzten Lebenstage bewährten
fördernden Theilnahme für Kunst und Wissenschaft Gerechtigkeit widerfahren
zu lassen bestrebt ist.
Wir schließen der Erinnerung an diesen vollendeten Edelmann und
seinen Zögling wohl nicht unpassend ein interessantes Gutachten au, welches
1818 bei den Berathungen über die künftige Stellung des jungen Prinzen
Franz Josef Karl (der Hauptname Napoleon war in die Brüche
gegangen) abgegeben wurde. Dasselbe zeigt offenkundig, wie viel Kopfzerbrechens
man sich damals im geheimen Haus-, Hof- und Staats-Archive um
einen Titel machte und lautet wie folgt:
Es handelt sich darum, dem ehemaligen Könige von Rom, nachherigen
Prinzen von Parma, einen Titel beizulegen, da seine Zukunft zu gleicher
Zeit auf die ehemals zweibrückischen, darauf würzburgisch-toskanischen Herrschaften
in Böhmen gegründet werden soll, die 1668 der letzte Herzog von
Sachsen-Lauenburg-Reichstadt von seiner Mutter Magdalena Lobkowitz,
Witwe Kollowrat, ererbt, und die seine Tochter, die Großherzogin von
Toskana, Witwe des letzten Medici, ihren Nachkommen erster Ehe von
Pfalzneuburg und durch diese dem Hause Zweibrücken hinterließ. Um die
Wahl der verschiedenen möglichen Titel zu erleichtern und sie gehörig zu
motiviren, dürften einige allgemeine Sätze vorausgeschickt werden:
Obgleich dieses Kind unter dem rapidesten Wechsel des Glückes und
der Ereignisse, wie es bei der dermaligen Gestaltung der Dinge in Europa
durchaus nicht vorherzusehen ist, schwerlich das traurige Schicksal haben
kann, welches durch den Tod oder Staatsgefangenschaft viele unschuldige
Kinder nicht nur im Serail Jspahan und in Rußland fanden, sondern auch
im Internektionskrieg der rothen und Weißen Rose, — in Schweden — in
Frankreich großen Zwiespalt zwischen Orleans und Burgund, welches die
kastilianische Bertrandilla und alle die kindlichen und jugendlichen Pseudos
betraf, unter denen ganz gewiß viele echte unterdrückt und ermordet wurden,
bleibt es doch eine ausgemachte Wahrheit, daß dieses Prinzen Ruhe
und Wohlfahrt um so ungetrübter und gesicherter sein werde, je unschuldiger,
ja unbedeutender sein Dasein ist.
(Schluß folgt.)
Oesterreichischer Soldatenfreund vom 2.5.1868, Seite 4 und 5:
Aus dem Leben des letzten Dietrichstein.
Von Julius Ebersberg.
(Schluß.)
Der Prinz soll kein Prinz vom Geblüte, sondern Partikulier, er soll
nach den Prinzen des Hauses der erste Privatmann sein, daher wohl von
allen altfürstlichen Titeln nur der herzogliche für ihn zu passen scheint.
Der landgräfliche ist im Hause Hessen und im uralten (Habsburg gleichen
und doch neufürstlichen Hause) Fürstenberg, der markgräfliche ist
seinem Ursprung und Wortlaut zu sehr Amtstitel und erinnert zu ausschließend
an den ehemaligen deutschen Reichsverband.
Der zu wählende Titel soll zuförderst den Bourbons keine Apprehension
geben, daher kein Titel einer Seitenlinie des herzoglich lothringischen
Hauses zu brauchen ist, der französischen von Mercoeur, Commercy, Bauvillars,
Joinville, Chasteler u. s. w. gar nicht zu erwähnen, wäre auch von
den deutschen lothringischen Nebenlinien, Graf von Egisheim, Dachsburg,
Falkenstein, Bolanden u. s. w. schlechterdings verwerflich. Die Lothringer
waren, als angebliche Carolinger, französische Kronprätendenten. Wie viel
Blut floß nicht über diese Prätension, als die Guisen ihren Ehrgeiz unter
dem Mantel der Religion nnd der Adelsrechte mit aller Kraft der Ligne
verfochten? Kein noch so veralteter oder ohnmächtiger Anspruch ist unbedeutend,
so bald die Macht hinzutritt und die günstige Stunde. Auch wäre es
unklug, an die alte Abhängigkeit der Lothringer als Hausoffiziere der Krone
Frankreichs zu erinnern, wie Napoleon es that in seiner größten Wuth
zwischen den beiden Schlachten von Regensburg und von
Aspern. Geben die
Bourbons einmal Ursache zum Mißvergnügen, etwa wegen italienischer Differenzen
oder durch eine noch weiter gehende Hinneigung zu Rußland, so ist
es immer Zeit, ihnen mit dieser Ruthe zu drohen und den Prinzen etwa
zum Erzherzog Rainer nach Mailand zu schicken zur Ausbildung für die
Verwaltung und den Kriegsstand.
Ein genealogischer Titel ist, wie wohl er seiner Natur nach dauernder
ist, ein fast noch bestimmterer Anspruch als die unmittelbaren Länder-Titel.
Philipp III. büßte seine Sorglosigkeit gegen den Namen Braganza durch
den Verlust Portugals in einer einzigen Stunde. Als das Haus Hannover
ein halbes Jahrhundert auf dem englischen Throne saß, war der Titel
„Jakob III. König von Großbritannien" fast ebenso lächerlich wie der Titel
„Ludwig XVIII. König von Frankreich und Navarra" (1795—1814) es
durch volle achtzehn Jahre war, aber der Name Stuart zeigte seine Bedeutendheit
noch in den letzten irländischen Unruhen. Der Prinz kann also
keinen Titel erhalten, welcher der habsburgischen oder lothringischen Abstammung
approximirt, da beide dem bourbonischen Blut allzunahe verschwistert
sind, beide den Anschein hervorbringen könnten, als wolle ein illegitimer
Anspruch, durch einen Schein von Legitimität im Stillen bekräftiget und für
gewisse politische Konjunkturen vorbehalten werden. Auch in das Wappen
des Prinzen dürfte nichts von dem Habsburg-Lothringischen aufgenommen
werden, sondern selbes hätte wohl nur aus dem Wappenschilde zu bestehen,
welcher dem, dem Prinzen neu zu verleihenden Titel und seinen Besitzthümern
anklebt oder längst erloschenen Häusern zugestanden hat.
Im Erzhause existirten sehr viele uneheliche oder natürliche Kinder
schon von Rudolf von Habsburg, die von Schenkenberg, Grafen von Löwenstein,
von Friedrich dem Schönen, die im geistlichen Stande starben, eine
große Anzahl von Erzherzog Sigmund, die bloß verschiedene adelige Namen
und Titel führten, von Greiffenstein, von Fernstein u. s. w. Von Max I.
natürlichen Kindern, — unter welche mancher Geschichtschreiber auch den
mit dem galanten Kaiser in Wiener-Neustadt in einem Grabe (?) bestatteten
Sigmund von Dietrichstein zählt — führte Georg, Erzbischof von Valenzia,
der Allererste den Namen ab Austria, den nachher die in der
spanisch-österreichischen Linie außerehelichen Descendenten bekamen. Doch diesem
Prinzen einen ähnlichen Titel beilegen, hieße die Legitimität seiner Geburt
und der Ehe zwischen Napoleon uud Louise nach römischen und bourbonischen
Grundsätzen, die selbe stets verwarfen, selbst in Zweifel ziehen?
Das einzige Beispiel einer ungleichen Ehe
*)
oder Mißheirat im Kaiserhause ist jenes des Erzherzogs Ferdinand mit Philippine Welser. Die
daraus hervorgegangenen Söhne hießen Markgrafen von Burgau, aber auch
dieser Fall ist unendlich verschieden, selbst im Ausgange, denn Beide, Karl
und Andreas, erhielten durch die Akte von 1561 gewissermaßen ein Nachfolgerecht
in die deutschen Kreis- und Reichslande, nach dem Abgange des
gesammten österreichischen Mannsstammes, welches hier wieder nicht der
Fall ist.
Wären die Schicksalswürfel ganz anders gefallen, so hätte vielleicht
die Verbindung des Hauses Habsburg mit den nagelneuen Geschlechtern
Medici und Sforza am ehesten einige Analogie mit dem vorliegenden Falle
nach sich ziehen können, allein die Folgereihe der Umstände hat es nicht
also gefügt.
Es handelt sich also um eine ganz neue Schöpfung. Diese dürfte
folgende Erfordernisse haben:
a) der neue Titel müßte des Prinzen Eigenschaft als Unterthan, mit Ausschluß jeglicher Souveränitätsrechte bezeichnen;
b) keinem der oben angeführten genealogischen oder publizistischen Gedenken mehr oder weniger unterliegen;
c) von keinem Gebiete hergenommen sein, welches einst Napoleon gehörte;
d) füglich auch nicht aus
Ungarn oder aus dessen Nebenreichen, weil dieses wiederum anderweitige Verwicklungen mit sich bringen könnte;
e) keinerlei ungegründete Vermuthungen oder Hoffnungen erregen;
f) den neuen Titel auf des Prinzen böhmische Herrschaften zu übertragen, z. B. Herzog von Reichstadt ec. könnte den
Schein mit sich bringen, als waren sie gewissermaßen zu einem Herzogthum für ihn excindirt. Doch ist dieses Bedenken wohl allzuweit hergeholt und
überstudirt. Auch der Herzog von Sachsen-Lauenburg, der bis an seinen Tod 1689 in Reichstadt wohnte, nannte sich von demselben. Es wurden
nun mehrere Tilel zur Auswahl vorgeschlagen, mit Anführung der Gründe dafür und dawider.
1. Herzog von Troppau und Ratibor.
Diesen Titel führte eine von dem großen Ottokar abstammende, durch
päpstliche Bullen legitimirte Dynastie Böhmens, die mehrere Jahrhunderte
fortdauerte. Dieser Titel dürfte das nicht sehr erhebliche Bedenken gegen sich
haben, daß der regierende Fürst von Liechtenstein sich Herzog von Troppau
und Jägerndorf nennt.
2. Herzog von Podiebrad.
Erinnerung an einen heldenherrlichen König von Böhmen, dessen
Nachkommen als Herzoge von Münsterberg und Oels erloschen. Diese Namen
gehören jetzt Preußen an, aber der Name Podiebrad ist zu freier Schaltung
und ist fürwahr ein illustrer Name, ohne alle widrige Nebenbezeichnung.
Seitenlinien der Przemysliden, der einheimischen Dynastie der Czechen, nannten
sich auch: „Herzoge von Olmütz, Brünn, Znaim", aber die Namen
solcher Städte scheinen im gegebenen Falle unschicklich.
3. Herzog von Meran.
Der Titel des 1248 erloschenen, in Burgund, in Baiern, in Franken
und Tirol mächtigen Hauses Andechs. Eine treffliche Benennung, wenn
Meran nicht die alte Hauptstadt Tirols wäre und die Tiroler nicht darin
die Morgenröthe eines eigenen Bestandes, wenigstens eines abgesonderten
Generalgouvernements erblicken würden.
4. Herzog von Gradiska.
Anton Ulrich von Eggenberg, einer von Ferdinand's II. drei Bergen
und drei Steinen (Eggenberg, Werdenberg, Gunstenberg, Liechtenstein,
Dietrichstein, Wallenstein) ward Reichsfürst mit Sitz und Stimme, Herzog
von Krumau, gefürsteter Graf zu Gradiska. 1718 erlosch sein Geschlecht.
Das Wappen ist schön. Gegen den Titel wäre auch wenig einzuwenden.
6. Herzog zu Schaumburg.
Die Grafen zu Schaumburg, reichs- und kreisständisch, mit den Herzogen
von Oesterreich in öfterem Krieg und nur mit Mühe gebändigt, den
Grafen von Cilly und Oettingen, den Burggrafen zu Nürnberg, jetzigen
Königen von Preußen verwandt, 1559 erloschen, besaßen fast das ganze
Land ob der Enns.
6. Herzog von Pütten.
Pütten, bei Neustadt, berühmtes Bollwerk und Vormauer gegen die
heidnischen Hungaren, mater et metropolis civitatum Norici, gab einem
eigenen vielbesungenen Heldengeschlechte den Namen, das 1158 mit Ekbert
unter Barbarossa vor Mailand erlosch und den Grund zur Größe der steirischen
Ottokare legte. Ein arges Bedenken scheint zu sein, daß gerade
Pütten und Froschdorf jetzt der Schlupfwinkel der ganzen bonapartischen
Familie ist.
**)
7. Herzog zu Eppan.
Piano, in einer Seitenlinie auch de Ultimis und von Greifenstein, im
tirolischen Etschthale, ein unächter aber mächtiger Nebenzweig der in London
und in Braunschweig herrschenden Welsen 1273 mit Bischof Egno von
Trient erloschen.
8. Herzog von Cilly.
Dieses 1456 in dem von Ladislaus Hunyady, Sohn des großen
Gubernators und Bruder des Königs Mathias Corvinus, ermordeten Ulrich
ausgestorbene Geschlecht zählt eine Kaiserin; es war Despote Rasciens,
beherrschte mit statthalterischer Gewalt Hungarn, Böhmen und Oesterreich
unter Ladislaus Posthumus. Cilly's Name reicht an die Römerherrschaft
hinauf und ist viel genannt in der Christianisirung Norikums. Ob
aber dieses an Gräueln aller Art reiche deutsche Atridengeschlecht nicht gar
zu homogen dem bonapartischen Stammbaume erscheint?
9. Herzog von Mödling.
Zwei Mal führte diesen Titel mit einem einfachen schönen Wappenschild
eine Seitenlinie der Babenberger. Er dürfte auch keinem erheblichen
Bedenken unterliegen und ist ein vertrauter, angenehmer Laut im Ohr des
Oesterreichers. Die Herzoge von Mödling waren Unterthanen jener in
den Landen ob und unter der Enns und in Steiermark herrschenden Heldendynastie
der Babenberger, die freilich selbst wieder Unterthanen und
Beamte Kaisers und Reichs gewesen sind, denn schon seit dem großen
Friedericianischen Privilegium von 1156 war Oesterreich ein geschlossenes Gebiet.
10. Herzog von Reichstadt.
Ueber diesen unbedenklichen und mehrfach angemessenen Titel ist schon
oben das Nähere erwähnt.
Er ist denn auch wie bekannt fürgewählt und von dem armen
Prinzen sammt dem Mödlinger Wappen von 1818 bis 1832 geführt
worden.
*) Die Vermälung der Erzherzogin Maria Louise mit ihrem zeitherigen Ehrenkavalier
und Minister des Auswärtigen, dem FML. Grafen Adam Neipperg, erfolgte
erst 1822, also vier, jene des Erzherzog Johann mit der nachmaligen Freiin von
Brandhof erst 1827- also neun Jahre, nachdem dieses Gutachten abgegeben war.
**) Im Jahre 1816 erkaufte die Witwe Mürat'S, die Gräfin Lipona, die Herrschaft
Frohsdorf (rectius Froschdorf, ehedem Krotendorf), von welcher sie später der
russische General
Ritter von Yermoloff (Yermaloff, Jermoloff) übernahm. Von diesem brachte sie der französische
Minister Herzog von Blacas, welcher nach dem Sturze der älteren Linie der Bourbons
aus Frankreich ausgewandert war und ihr in das Exil folgte, an sich. Nach seinem
Ableben trat der Herzog von Bordeaux (von der legitimistischen Partei in Frankreich,
König Heinrich V. genannt), in den Besitz der Herrschaft, aus welcher er unter dem
Namen Graf von Chambord mit seinem Neffen, dem ebenfalls vertriebenen Prinzen von Parma, lebt.
Wiener Zeitung vom 4.9.1860, Seite 16:
Gestern starb in
Hietzing Ihre Exzellenz
Frau Gräfin
Theresia von Dietrichstein, geborne
Gräfin von Gilleis, Sternkreuz-Ordens- und Pallastdame,
Gemahlin Sr. Exzellenz des Herrn Grafen Moriz Dietrichstein.
Die Verewigte war am 16. Jänner 1779 geboren,
hatte also ihr 82. Jahr erreicht. Am 22. September 1800
vermählte sie sich. Das feierliche Leichenbegängniß findet
morgen — Mittwoch — in
Hietzing statt.
Weiters im Grab bestattet:
Marie Therese Gräfin von Dietrichstein, geb. Gräfin von Gilleis, * 16.01.1779, † 03.09.1860, Bestattungsdatum: 03.09.1860.
Alexander (Albert Olivier Anton) Fürst von Dietrichstein zu Nikolsburg, Graf Mensdorff-Pouilly, * 15.07.1899 in Weidlingau, † 12.01.1964.
Maria de las Mercedes Fürstin von Dietrichstein zu Nikolsburg, geb. Dose y Obligado, * 18.06.1902 in Buenes Aires, † 21.01.1964 in München.
Olga Alexandrowna Fürstin von Dietrichstein zu Nikolsburg, geb. Prinzessin Dolgoruky, * 28.11.1873 in St. Petersburg, † 03.01.1946.
Quelle: Text:
Wikipedia, Oesterreichischer Soldatenfreund, (erweitert), Bilder: www.nikles.net, Wiener Zeitung vom 28.8.1864, Seite 4, Das Vaterland vom 30.8.1864, Seite 3, Oesterreichischer Soldatenfreund vom 8.4.1868, Seite 3 und 4, Oesterreichischer Soldatenfreund vom 18.4.1868, Seite 3 und 4, Oesterreichischer Soldatenfreund vom 22.4.1868, Seite 3 und 4, Oesterreichischer Soldatenfreund vom 29.4.1868, Seite 3, 4 und 5, Oesterreichischer Soldatenfreund vom 2.5.1868, Seite 4 und 5, Wiener Zeitung vom 4.9.1860, Seite 16 und gemeinfrei.