Die Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung war bis zur Errichtung der ersten Hochquellenwasserleitung die Wiener Wasserversorgung mit dem am weitesten verzweigten Rohrnetz in der Stadt Wien. Gewonnen wurde das Grundwasser im Uferbereich des Donaukanals in der Spittelau.
Ausgangslage: Hauptsächlich erfolgte die
Wasserversorgung der Stadt Wien durch Hausbrunnen. Da
mangels einer Kanalisation die Qualität des Grundwassers
aber immer schlechter und dieses damit immer häufiger
Auslöser für Krankheiten und Epidemien wurde, wurden
zunehmend von Westen und Süden her Wasserleitungen in die
Stadt errichtet. Nutznießer dieser Anlagen waren in den
meisten Fällen vor allem der kaiserliche Hof, der Adel und
die Klöster. Die breite Masse der Wiener Bevölkerung hatte
nur an wenigen Auslaufbrunnen in der Stadt die Möglichkeit,
sich mit Trinkwasser besserer Qualität, das ihr dort meist
kostenlos überlassen wurde, zu versorgen.
Die erste Wasserleitung mit etwas größerer Flächendeckung
war die zwischen 1803 und 1804 errichtete
Albertinische Wasserleitung, die Quellwasser aus dem
Raum Hütteldorf nach
Wien leitete.
Geschichte: Den Entschluss, die nach ihm benannte
Wasserleitung zu errichten, fasste Kaiser Ferdinand im Jahr
1835. Baubeginn war im Jahr 1836, die Bauaufsicht über die
Arbeiten hatte die Niederösterreichische Landesregierung.
1841 nahm das Wasserwerk seinen Teilbetrieb auf.
Aus finanziellen Gründen wurde das Wasserwerk 1843 der Stadt
Wien übergeben, die unmittelbar danach wegen der zu geringen
Ergiebigkeit der Anlage zunächst die Saugkanäle verlängerte
und anschließend auch die Pumpanlage erneuerte.
Mit der Inbetriebnahme der Ersten Wiener
Hochquellenwasserleitung 1873 wurde die
Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung zunächst stillgelegt, später
wegen Wassermangels infolge zu geringer Quellschüttung der
Hochquellwasserleitung aber noch zweimal, nämlich während
der Wintermonate 1876/1877 und 1877/1878, in Betrieb
genommen. Die gänzliche Auflassung des Wasserwerks wurde
1907 durch den Gemeinderat beschlossen.
Das zu einem Lager umgebaute Pumpenhaus wurde erst 1965
abgerissen, um der
Müllverbrennungsanlage Spittelau Platz zu
machen.
Finanzierung: Finanziert wurde die Errichtung der
Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung aus dem Baufonds, in welchen
das Krönungsgeschenk des Erzherzogtums Niederösterreich,
Wasserankaufskapitalien sowie sonstige Zuschüsse eingebracht
wurden.
Unter dem Titel „Wasserankaufskapitalien“ gingen jene Mittel
in den Baufonds ein, welche die Abnehmer – ursprünglich die
18 Vorstadtgemeinden für die auf ihrem Gemeindegebiet
errichteten Auslaufbrunnen sowie die Besitzer öffentlicher
Bauten, nach der Erweiterung der
Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung auch private Abnehmer – als
Einmalerlag pauschal pro geliefertem Eimer Wasser pro Tag zu
bezahlen hatten. Zusätzlich wurde ein jährlicher
Regiekostenbeitrag erhoben.
Nach der Eröffnung der Ersten Hochquellenwasserleitung
wurden die so erworbenen Wasserbezugsrechte von Privaten
entweder mittels einer Barentschädigung abgelöst oder durch
Hochquellenwasser ersetzt.
Die wichtigsten Hauptabgabestellen waren bis zuletzt die
Auslaufbrunnen. Für deren Anschluss an die
Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung mussten die 18
Vorstadtgemeinden insgesamt 415.025 Gulden, deren Zahlung in
Raten möglich war, aufbringen.
Da diese Summe wegen der möglichen Ratenzahlung während der
Bauzeit nicht in voller Höhe zur Verfügung stand, war der
Baufonds 1843 erschöpft. Die Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung
wurde daraufhin der Stadt Wien übergeben mit der
Verpflichtung, für den weiteren Ausbau zu sorgen und die
noch offenen Rechnungen zu übernehmen. Die Stadt erhielt im
Gegenzug dazu das Recht, das Wasser auch an Private zu
verkaufen.
Technik: Das Pumpenhaus der Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung wurde auf dem Areal der heutigen Müllverbrennungsanlage Spittelau errichtet. Die zugehörigen Saugkanäle befanden sich nördlich davon auf dem Areal zwischen Donaukanal und der Kaiser-Franz-Josephs-Bahn, die in diesem Abschnitt am 23. Juni 1870 eröffnet wurde.
Anlage zur Wassergewinnung: In der ersten
Ausbaustufe wurde auf einem Holzrost ein 38 Meter langer,
aus Stein gemauerter Saugkanal errichtet. Seine Sohle lag
2,6 Meter unter dem örtlichen Wasserspiegel des
Donaukanals. Erwartet
wurde eine Fördermenge von 5.600 Kubikmeter, die während der
Wintermonate allerdings meist beträchtlich unterschritten
wurde.
Nach der 1843 erfolgten Übergabe an die Stadt Wien wurde der
Saugkanal auf eine Länge von 342 Metern ausgebaut. Damit
wurde zwar erwartungsgemäß eine Steigerung der
Förderleistung erzielt, allerdings hatte sich unterdessen
auch der Pro-Kopf-Wasserverbrauch erhöht, so dass die
Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung den Wasserbedarf weiterhin
nicht decken konnte.
Zwischen 1853 und 1854 wurde der Beschluss verwirklicht, die
Fehlmenge durch künstlich gefiltertes Wasser aus dem
Donaukanal auszugleichen. Zu diesem Zweck wurde ein
Filtrationsbecken von 190 Meter Länge und an jedem Ende je
ein gemauertes Sammelbecken errichtet. Eines der
Sammelbecken war mittels einer Rohrleitung mit dem
Donaukanal verbunden, während das zweite über eine weitere
Rohrleitung und einen alten Saugkanal mit dem Pumpenhaus
verbunden war, um dort das gefilterte Wasser in das Rohrnetz
einzuspeisen. Als Filter diente Schotter, mit dem das Becken
gefüllt war.
Mit dieser Filteranlage war es endlich möglich, ausreichend
Trinkwasser in zunächst guter Qualität zu liefern.
Allerdings verlor die Filteranlage bald an Wirkung und da
bei der Errichtung der Anlage keine Möglichkeit eingeplant
worden war, die Filter zu erneuern, sank die Wasserqualität
rasch ab.
In der letzten Ausbaustufe 1859 wurden neu errichtete
Saugkanäle bis auf die wasserundurchlässige Bodenschicht in
rund 5 Metern Tiefe unter den Wasserspiegel abgesenkt.
Zusätzlich wurde ein 4 x 8 Meter großes Saugbecken für die
Pumpen errichtet. Zwischen 1860 und 1862 wurde ein daran
anschließender 455 Meter langer Saugkanal und 1869 ein
weiterer 80 Meter langer Saugkanal errichtet. Die
ursprünglich errichteten Saugkanäle dienten nur noch als
Transportleitung.
Anlage zur Wasserförderung: Das Maschinenhaus der
Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung war ursprünglich mit zwei 45
Kilowatt starken Watt’schen Dampfmaschinen ausgerüstet. Für
die 1859 erfolgte Aufstellung einer weiteren, 74 Kilowatt
leistenden Woolf’schen Compound-Pumpe musste das
Maschinenhaus erweitert werden.
Anschließend daran und an die Errichtung des Saugbeckens
wurden die beiden alten Pumpen tiefer gesetzt. Zwischen 1868
und 1869 wurden diese Pumpen in Woolf’sche Compound-Pumpen
umgebaut.
Die doppelt wirkenden Pumpen hatten eine Förderhöhe von rund
55 Metern zu überwinden. Die Saugrohre hatten eine Nennweite
von 30 Zoll (entspricht heute DN 750), abgeleitet wurde das
Trinkwasser durch zwei Rohrleitungen mit je 14 Zoll
Nennweite. Gegen auftretende Druckstöße wurden Windkessel
eingebaut sowie ein Turm mit Entlüftungs- und
Ausgleichsrohrleitungen am
Währinger Wasserbehälter
errichtet.
Anlage zur Wasserverteilung: Vom Maschinenhaus in
der Spittelau wurde das Wasser durch zwei Rohrleitungen mit
je 14 Zoll Nennweite (vergleichbar DN 350) an insgesamt drei
Wasserbehälter verteilt.
* Das Wasserreservoir Währing im heutigen Anton-Baumann-Park
war das kleinste. Es fasste lediglich 141.250 Liter. Der so
genannte Währinger Wasserturm diente nicht als
Wasserbehälter zur Drucksteigerung im Leitungsnetz, sondern
beinhaltete lediglich vier Steigrohre zur Entlüftung und zum
Ausgleich der von den Pumpen ausgehenden Stoßwirkung. Hier
wurden die 14 Zoll starken Druckrohre unterbrochen und deren
vier Enden mit den Steigrohren verbunden.
* Das Wasserreservoir Neulerchenfeld befand sich in der Nähe
der Breitenfelderkirche und fasste etwa 339 Kubikmeter
Wasser.
* Das Wasserreservoir Schmelz befand sich in der Nähe der
ehemaligen Westbahnlinie im Bereich des heutigen
Urban-Loritz-Platzes und fasste 1.017 Kubikmeter Wasser.
Das Leitungsnetz mit einer Nennweite von 3 bis 14 Zoll
Durchmessern hatte insgesamt eine Länge von rund 93
Kilometern, versorgte 264 Auslaufbrunnen und über 700
öffentliche und private Häuser in allen Stadtteilen außer
der Leopoldstadt und
Landstraße. Außerdem wurden in
Währing,
Hernals,
Neulerchenfeld,
Sechshaus und
Gaudenzdorf
16 Brunnen und 8 Gebäude an das Leitungsnetz angeschlossen.
Um Margareten und
Wieden mit Wasser versorgen zu
können, wurde in der Nähe der heutigen Brückengasse der
Wienfluss unterquert.
Wasserqualität: Die Wasserqualität war schlecht.
Während es sich bei dem mittels der Saugkanäle gewonnenen
Wasser um Bodenfiltrat handelte, wurde das dem
Donaukanal direkt
entnommene Wasser künstlich in einer Filteranlage, deren
Filterwirkung bald nachließ und deren Erneuerung nicht
möglich war, gefiltert. So fanden sich bei Untersuchungen
Schuppen von Schmetterlingen, Fasern von Schafwolle und
sogar Vogelfedern. Ebenso wenig möglich war das Bekämpfen
von Krankheitserregern im Wasser.
Vor allem während der Sommermonate war eine häufig
auftretende Trübung ein weiteres Problem. Außerdem erwärmte
sich das Wasser oft auf Temperaturen bis zu 20 Grad Celsius.
Trotz der zahlreichen Wasserleitungen, die Wasser in
allerdings nur geringen Mengen und meist nur für einen
eingeschränkten Personenkreis aus dem südlichen und
westlichen Umland der Stadt lieferten, blieb die
Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung mangels brauchbaren
Alternativen trotzdem bis zur Eröffnung der I. Wiener
Hochquellenwasserleitung in Betrieb.
Überbleibsel:
* Als bauliche Gedenkstätte an die
Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung blieb der unter
Denkmalschutz stehende
Währinger
Wasserturm am Wiener Gürtel im 18. Wiener Gemeindebezirk
Währing erhalten.
* Ein weiteres Andenken an diese Wasserleitung ist der
Austriabrunnen auf der
Freyung. Dieser wurde anlässlich der
Fertigstellung der Wasserleitung im Jahr 1846 geweiht und
mit täglich 180.800 Liter Wasser dotiert.
* Eine Figurengruppe, welche sich ursprünglich auf dem
Pumpenhaus der Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung befand und ab
1973 auf dem Gelände des
Wasserbehälters Rosenhügel
aufgestellt war, wurde gemeinsam mit dem im
Wasserleitungsmuseum Kaiserbrunn (Kaiserbrunn liegt in der
Gemeinde Reichenau an der Rax, im niederösterreichischen
Höllental und wird von der Schwarza durchflossen) ausgestellten Kaiserwappen
anlässlich der Eröffnung der Wiener Wasserwelt auf der alten
Schieberkammer des ehemaligen
Wasserbehälters Schmelz
(jetzt: Meiselmarkt) aufgestellt.
* Als Flurname erhalten blieb die Wasserleitungswiese in der
Spittelau nördlich der Müllverbrennungsanlage und in
weiterer Folge erhielt auch der dort für die Wiener
U-Bahn
errichtete Betriebsbahnhof den Namen Betriebsbahnhof
Wasserleitungswiese.
* Schutzengelbrunnen
Quelle: Text: Wikipedia, Bilder: gemeinfrei und Peter Gugerell, gemeinfrei.
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Günter Nikles
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