Das Alte Landgut war ein Anwesen im späteren 10. Wiener Gemeindebezirk, Favoriten. Es umfasste im Biedermeier (erste Hälfte des 19. Jh.) einige der wenigen Gebäude auf den damals noch völlig unverbauten, oft landwirtschaftlich genutzten Hängen des Höhenzuges Wienerberg / Laaer Berg. Die frühere Ziegelei wurde in der Folge für kurze Zeit zum sehr bekannten Vergnügungsetablissement, später teils als Gasthaus, teils als Fabrik genutzt, bevor die Gebäude abgerissen wurden. Die Lage des Betriebes ist nicht identisch mit der heutigen Haltestelle Altes Landgut, dem Verteilerkreis Favoriten.
„Fortifikations-Ziegelschlag“: Der 10. Bezirk
entstand 1874 außerhalb des bis zur Jahrhundertwende
bestehenden Linienwalls und südlich der Südbahn aus einer
Ansiedlung, die mit der Errichtung des ersten
Südbahnhofs ab
1838 entstand. Das gesamte übrige Areal an Nord- und Südhang
des Wienerberges war damals unverbaut. Dort befanden sich
lediglich einige Einzelbauwerke wie die christliche
Steinsäule Spinnerin am Kreuz und mehrere Ziegelwerke.
Wegen Ziegelmangels und steigender Baustoffpreise entschloss
sich 1802 die k.k. Fortifications Districts Direction, die
für militärische Befestigungsanlagen zuständig war, eine
heereseigene Ziegelei zu errichten. Dazu erwarb sie vom
Inzersdorfer Gutsherrn Peter Joseph de Traux de Wardin (aus
luxemburgischem Adel, 1803 von Kaiser Franz II. in den
Reichsfreiherrenstand erhoben,) 24,5 Joch (14,1 ha)
Ackergrund „in den oberen und mittleren Muhren“ außerhalb
des Favoritenlinie genannten Tores im
Linienwall. Diese
Fläche liegt heute im nach Süden leicht ansteigenden Gebiet
südlich des Reumannplatzes. Der Begriff Ziegelschlag stammt
von der händischen, handwerklichen Ziegelherstellung mittels
Modeln genannter Gussformen.
Die Ziegelei wurde etwa zwischen den heutigen
Verkehrsflächen Inzersdorfer Straße,
Favoritenstraße,
Troststraße und Ettenreichgasse angelegt. Im Gegensatz zu
den privaten Ziegelschlägen auf dem
Wienerberg war der
Fortifikations-Ziegelschlag ein Großbetrieb. Im Zentrum der
Anlage befand sich die Ziegelgrube, westlich davon sieben
Trockenhütten, die gedeckt, aber an allen Seiten offen
waren, zwei Pumpbrunnen, die die Wasserversorgung
sicherstellten, und der Doppelziegelofen, der alle anderen
Gebäude überragte. Dort waren auch die Brennhäuser und die
Arbeiterunterkünfte. Im Norden, an der Stelle der heutigen Inzersdorfer Straße, lag das langgestreckte, etwa 100 m
lange Hauptgebäude der Produktionsanlage, in dessen
westlichem Gebäudeteil sich das Ziegelofen-Wirtshaus befand.
Die gesamte Anlage hatte die Inzersdorfer
Konskriptionsnummer 151, gehörte aber zur Steuergemeinde
Wieden und war kirchlich der Pfarre Oberlaa zugehörig. Im
Ziegelschlag waren sowohl Soldaten als auch Zivilisten
tätig, die hier mit ihren Familien wohnten; das Wirtshaus
wurde einem Pächter überlassen. Da sich Pläne zum Bau neuer
Befestigungsanlagen für Wien, die ursprünglich zur Gründung
des Ziegelschlags geführt hatten, im Laufe der Zeit
zerschlugen, trachtete man ab 1829, einen Käufer oder
Pächter dafür zu finden, und legte den Ziegelofen still.
1831 gelang es, einen Pächter für das Anwesen zu finden.
Leander Prasch war aber nur an dem weiter geöffneten,
gut gehenden Ziegelofen-Wirtshaus interessiert, ließ die
Gebäude zur Ziegelproduktion verfallen und kaufte
schließlich 1834 günstig das ganze Gelände. Nachdem er schon
als Pächter in einem der Trockengebäude eine Kegelbahn
eingerichtet hatte, ließ er als nunmehriger Besitzer alle
Werksgebäude abtragen und baute unter Einbeziehung des alten
Wohn- und Wirtshausgebäudes das neue Casino im Landgut.
Damit entsprach er dem damaligen Bedarf an luxuriösen
Vergnügungslokalen in Grünlage außerhalb Wiens, wie sie in
den 1830er Jahren mehrfach entstanden, zum Beispiel das
Tivoli in Meidling, Dommayers
Casino in Hietzing, das Colosseum und das Universum in der
Brigittenau.
Ausgerichtet war das Lokal auf höhere und vermögende Kreise,
die sich im Zuge einer sogenannten Landpartie der Musik- und
Tanzunterhaltung widmeten. Es bestand aus einem
Restaurationsbetrieb mit einem weitläufigen Sitzgarten und
einer charakteristischen Säulenhalle mit überdachtem
Obergeschoß im Nordwesten des Gartens. Dort befanden sich
eine Loge für das Orchester und die Tanzfläche. Über Stiegen
konnte man eine Aussichtsterrasse erreichen, von der sich
ein herrlicher Rundblick auf Wien und seine Umgebung
eröffnete. Anstelle der Trockenhütten des ehemaligen
Ziegelschlags befand sich jetzt eine gigantische
Doppelschiffschaukel als Attraktion. Weiters gab es eine
Kegelbahn und Billardtische. Ein weiterer Anziehungspunkt
war ab 1841 die Südbahn, die vom Gloggnitzer Bahnhof wegfuhr
und vom Landgut aus gut beobachtet werden konnte, da man die
Rauchsäulen der Dampflokomotiven weithin sah.
Immer wieder wurden Ballfeste unter einem bestimmten Motto
veranstaltet, und es spielten laufend führende Musiker, wie
Joseph Lanner, Friedrich Fahrbach oder Franz Morelly. Neben
Feuerwerken gab es am Abend ein zwei Stock hohes Gerüst in
Menschengestalt, das durch Öllämpchen illuminiert war.
Leander Praschs Casino im Landgut war eines der führenden
Vergnügungsetablissements im Vormärz. Wie die anderen Lokale
dieser Art wurde es aber im Betrieb zu aufwändig, und als
sich der Publikumsgeschmack wandelte und andere
„Sensationen“ lockten, schloss Prasch 1844 sein
Etablissement und verkaufte es. Er selbst eröffnete nunmehr
auf der Wieden (im späteren 4.
Bezirk) ein bald sehr bekanntes Kaffeehaus.
Das Alte Landgut: 1844 kaufte der Gutsbesitzer
Laurenz Felser das Lokal und führte es in sparsamerer Form
als Gasthof zum Landgut bis 1851. Danach war das Anwesen im
Besitz des Spodium-Fabrikanten Eduard Wagner, der das
Wirtshaus an der Himberger Straße, der heutigen
Favoritenstraße, weiterführte, dahinter aber seinen Betrieb
einrichtete, in dem Knochen an der Luft zu Asche verbrannt
wurden. In den 1870er Jahren gastierte im Gasthof jeden
Mittwoch das bekannte Drexler-Ensemble mit seiner Wiener
Musik. Die Spodiumfabrik wurde stillgelegt.
Nach der Bezirksgründung von Favoriten erhielt das Gasthaus
die Adresse Himberger Straße 92 (identisch mit
Favoritenstraße 166, Ecke Troststraße). Im Hinterhof
entstanden in den 1880er Jahren eine Seifensiederei, eine
Sparbutterfabrik und eine Teerfabrik. Ab 1889 befand sich
vor dem Wirtshaus zum Landgut die südliche Endstation einer
Pferdetramwaylinie; 1900 wurde die Strecke elektrifiziert,
1914 reichte sie im Süden bereits bis zur Donauländebahn und
wurde wie heute von der Straßenbahnlinie 67 (bzw. 167)
befahren, die im Stadtzentrum ihre Endstation an der
Ringstraße, bei der Oper, hatte.
1901 erwähnt der Sozialreporter Max Winter die
heruntergekommenen Gebäude des Wirtshauses und der
dahinterliegenden Fabriken und bezeichnet sie als Beispiel
des trostlosen Ambientes im vernachlässigten Arbeiterbezirk.
Kurz danach verschwanden sie endgültig. Ein Gasthaus Zum
neuen Landgut entstand stattdessen weiter südlich an der
Ecke der Favoritenstraße zur Schleiergasse, wurde aber in
den 1920er Jahren Gastwirtschaft zum Alten Landgut genannt.
Dadurch geriet die Erinnerung an den tatsächlichen Standort
des einst berühmten Vergnügungslokals der Biedermeierzeit
bald in Vergessenheit.
Zwei Straßen erinnern heute noch an das Alte Landgut, die
Landgutgasse im nördlichen Favoriten und das Alte Landgut
beim Verteilerkreis Favoriten, beide relativ weit entfernt
vom tatsächlichen Standort des Etablissements.
Quelle: Text: Wikipedia, Bilder: Buchhändler, gemeinfrei.
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