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Die Bundeshauptstadt

Person - Viktor Tilgner

Viktor Oskar Tilgner (* 25. Oktober 1844 in Pressburg; † 16. April 1896 in Wien, Bestattungsdatum: 18. April 1896) war ein österreichischer Bildhauer und Porträtist. Er ist der Hauptvertreter des Neobarock innerhalb der Plastik der Wiener Ringstraße.

Leben: Viktor Tilgner wurde als Sohn des Hauptmannes Carl und Ida Tilgner in Pressburg geboren, übersiedelte aber schon als Kind nach Wien und war seither mit dieser Stadt verbunden. Sehr früh wurde sein Interesse und Talent vom Bildhauer Franz Schönthaler erkannt, der auch sein erster Lehrmeister wurde.

Auf der Akademie der bildenden Künste Wien begann er zunächst bei Franz Bauer zu studieren, wechselte aber schon bald zum Tiroler Bildhauer Josef Gasser, der durch seine Nähe zu Heiligenplastiken in Tilgner das „barocke“ Interesse weckte und ihn in das praktische Schaffen einführte. Parallel führte ihn der Medailleur Joseph Daniel Böhm in die Kunst des Ziselierens ein.

Viktor Tilgners realistischer Akademismus war von Hans Makart, einem führenden Maler der Ringstraßenepoche, beeinflusst, mit dem er auch 1874 Italien bereiste. Daneben hatte der Bildhauer auch Kontakt mit Johann Strauss und gehörte zum Künstlerkreis rund um Karl Graf Lanckoronski. Stark beeinflusst wurde er auch vom französischen Bildhauer Jean-Baptiste Gustave Deloye, der 1873 im Rahmen der Weltausstellung nach Wien gekommen war.

Viktor Tilgner hatte mehr als die letzten 20 Lebensjahre sein Atelier in einem ehemals als Gewächshaus genutzten Seitentrakt des Palais Schwarzenberg, Heugasse 1 (heute: Prinz-Eugen-Straße 1), Wien-Landstraße; die Wohnung des Künstlers befand sich nächstgelegen auf Wohllebengasse 1, Wien-Wieden.

Tilgner, der trotz eines sich seit geraumer Zeit bemerkbar machenden Herzleidens noch am Tag vor seinem Tode in der Bauhütte am Mozart-Denkmal geweilt hatte, erlag am Vormittag des 16. April 1896 in seiner Wohnung einem Herzinfarkt. Einen Tag nach dem Ableben wurde von ärztlicher Seite dem vom Verstorbenen zu seinen Lebzeiten für den Falle eines plötzlichen Todes geäußerten Wunsch nach einem Herzstich entsprochen. Am 18. April 1896, nach erster Einsegnung in der (überfüllten) Karlskirche, machte der Kondukt Zwischenstation am Wiener Künstlerhaus, wo dessen Vorstand Julius Deininger (1852–1924) sowie Rudolf Weyr (1847–1914), Club der Plastiker, Abschiedsworte sprachen, danach wurde Viktor Tilgner im Beisein der Witwe, Marianne, sowie des Bruders, Oskar, in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt. Am 3. Oktober 1897 wurde Tilgner auf dem Wiener Zentralfriedhof in einem Ehrengrab in stiller Weise wiederbestattet (Gruppe 14 A, Nummer 28). Das bei diesem Anlass gesetzte Grabdenkmal war von der Witwe bei den Mitarbeitern von Tilgners Atelier als deren letzte Arbeit in Auftrag gegeben worden und hatte eine vom Verstorbenen einst angefertigte Skizze zur Grundlage.

Werke: Das Mozart-Denkmal für Wolfgang Amadeus Mozart im Wiener Burggarten gilt als Hauptwerk Tilgners und war gleichzeitig dessen letztes. Sie war ursprünglich für den Platz vor der Albertina geschaffen. Die bewegten Puttenfiguren am Sockel, die die Macht der Mozartschen Musik darstellen, deuten stilistisch schon auf den Jugendstil hin. Es wurde einige Tage nach Tilgners Tod enthüllt.

Sein weiteres Werk umfasste Bauplastiken für die Hofmuseen, das Burgtheater, die Neue Hofburg und die Hermesvilla sowie mehrere Brunnenanlagen (Tilgner-Brunnen im Volksgarten, 1877), Denkmäler (Werndl-Denkmal in Steyr, 1894) und einige Grabmonumente. Bekannt war er auch für seine Porträtbüsten (u. a. Pedro Calderón de la Barca, Shakespeare, Molière, Gotthold Ephraim Lessing, Goethe, Friedrich Schiller, Friedrich Hebbel, Franz Grillparzer und Friedrich Halm für das Burgtheater) und viele Medaillons.

Der Großteil des Nachlasses von Tilgner ging an seine Heimatstadt und ist heute in der Städtischen Galerie Bratislava zu sehen. Seine Werke schmücken alle wichtigen Gebäude der Wiener Ringstraße und anderer Plätze.

(vor 1873:) Friederike Kronau, Büste
1868: Vincenzo Bellini, Büste, Wiener Staatsoper
1872: Leopold V., Statue, Heeresgeschichtliches Museum Wien
1879: Triton und Nymphe, Brunnengruppe, Volksgarten Wien
1879: Peter Paul Rubens, Statue, Künstlerhaus Wien
1880: Wassernymphe, Brunnen, Schloss Süßenbrunn
1882: Brunnengruppe, Amorino auf Delphin, Kaiservilla Bad Ischl
1884: Karl Heiller, Büste
1876: Joseph von Führich, Büste, Kunsthistorisches Museum Wien
1918 Johann Nepomuk Batka d. J., Büste, Preßburg
Christian Daniel Rauch; Statue, Kunsthistorisches Museum Wien
Peter von Cornelius; Statue, Kunsthistorisches Museum Wien
Moritz von Schwind; Statue, Kunsthistorisches Museum Wien
Alexander von Humboldt; Statue, Kunsthistorisches Museum Wien
Leopold von Buch, Statue, Kunsthistorisches Museum Wien
Isaac Newton, Statue, Kunsthistorisches Museum Wien
Carl von Linné, Statue, Kunsthistorisches Museum Wien
Archimedes, Statue, Österreichisches Parlament
Marcus Terentius Varro, Statue, Österreichisches Parlament
Homer, Statue, Österreichisches Parlament
Phidias, Statue, Österreichisches Parlament
Don Juan, Burgtheater
Phaidra, Burgtheater
Falstaff, Burgtheater
Hanswurst, Burgtheater
William Shakespeare, Burgtheater
Pedro Calderón de la Barca, Burgtheater
Molière, Burgtheater
Gotthold Ephraim Lessing, Burgtheater
Johann Wolfgang von Goethe, Burgtheater
Friedrich Schiller, Burgtheater
Friedrich Hebbel, Burgtheater
Franz Grillparzer, Burgtheater
Karl Felix Halm, Burgtheater
Helene Odilon, Volkstheater Wien
Prokop von Rokitansky, Medaillonporträt, Poliklinik Wien
Johann von Oppolzer, Medaillonporträt, Poliklinik Wien
Josef von Škoda, Medaillonporträt, Poliklinik Wien
Josef Hyrtl, Medaillonporträt, Poliklinik Wien
Ernst Wilhelm von Brücke, Medaillonporträt, Poliklinik Wien
Ferdinand von Hebra, Medaillonporträt, Poliklinik Wien
Sigmund (Freund?), Medaillonporträt, Poliklinik Wien
Franz Schuh (Mediziner), Medaillonporträt, Poliklinik Wien
Carl Ferdinand von Arlt, Medaillonporträt, Poliklinik Wien
Otto Braun-Falco, Medaillonporträt, Poliklinik Wien
Johann von Dumreicher, Medaillonporträt, Poliklinik Wien
Gustav Jäger, Medaillonporträt, Poliklinik Wien
Türk, Medaillonporträt, Poliklinik Wien
Treue und Tapferkeit, Figurengruppe, Hofburg
Franz Joseph I. (Österreich-Ungarn), Büste, Hofburg
Elisabeth in Bayern, Büste, Hofburg
Rudolf von Österreich-Ungarn, Büste, Hofburg
1887 Johann Nepomuk Hummel, Denkmal, Pressburg
Ganymed (Mythologie), Brunnen, Pressburg
1873, Charlotte Wolter, Büste
Rudolf Petersen
1892, Mozart, Denkmal, Albertinaplatz
Mater Dolorosa, Kapelle in Mayerling
Ferdinand von Hebra, Büste, Arkadenhof der Universität Wien
1892, Josef Werndl, Denkmal, Steyr
1891, Puttenbrunnen, München
1891 Johannes-Brahms-Büste, Hamburger Kunsthalle
Franz Liszt, Denkmal, Ödenburg
Franz Liszt, Büste, Preßburg (Rudnay - Platz)
Hans Makart, Denkmal – Entwurf
Johann Wolfgang von Goethe, Denkmal Entwurf
Ami Boué, Büste, Galerie im Belvedere, Wien
Neugestaltung des Schwarzenbergplatzes
Bildnis Kaiser Franz Josephs am Kaiser-Franz-Joseph-Obelisk, Stilfser Joch

Skulpturengruppe für The Equitable: Die 1859 gegründete amerikanische Versicherungsgesellschaft The Equitable Life Insurancy Company (heute AXA-Equitable) expandierte in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts nach Europa und Australien. Es wurden fünf moderne und prächtige Gebäude in den Zentren folgender Metropolen errichtet (1891 in Wien, Madrid und Berlin, 1895 in Sydney und 1896 in Melbourne), für deren Dekoration der Hauptportale eine repräsentative Skulptur gesucht wurde. Die Wahl fiel auf den damals in Wien sehr bekannten Bildhauer Victor Tilgner (vermutlich auch deswegen, weil das Design vom österreichischen Architekten Edward E. Raht stammt), der für seine Skulptur eine Gruppe von drei Personen wählte. In der Mitte die sogenannte Equitable, die einer römischen Hebamme gleicht und die ihre Arme schützend über ein Kind auf der linken Seite und eine Frau mit Neugeborenem auf der rechten Seite hält. Die Namen des Werkes sind auf Deutsch „Equitable, Schützerin der Armen und Verwaisten“, auf Englisch „Charity being kind to the poor“ und auf Spanisch „La caridad se compadece de los pobres.“

Die Skulpturen wurden 5-mal in der Arthur Krupp Berndorfer Metallwarenfabrik (Neffe des Alfred Krupp) im Bronzeguss herstellt. Aktuell existieren noch vier Gruppen: in Wien und in Sydney an ihren Originalstandplätzen (Palais Equitable am Stock-im-Eisen-Platz) und in Sydney (City Recital Hall auf der George Str.). Die Statuen in Melbourne (Ursprünglich Equitable Building Ecke Collins und Elizabeth Stasse, dann 1959 an die School of Architecture at the Mount Martha gestiftet und seit 1981 im South Lawn Carpark aufgestellt) und in Madrid (Ursprünglich Palacio de la Equitativa Ecke Sevilla und Alcala Straße, seit 1921 auf Campillo del Mundo Nuevo Platz) wechselten mehrfach ihren Ort. Von der Statue, die für Berlin vorgesehen war, ist keine Information zu finden. Es ist auch nicht bekannt, ob sie jemals ihren Bestimmungsplatz gelangte. (Equitable-Palast Ecke Friedrich und Leipziger Straße. Im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört)

Eine Anekdote zu der Statue in Madrid: Nachdem sich die amerikanische Versicherung 1916 aus Spanien zurückgezogen hatte, fiel das Gebäude in die Hände der spanischen Bank Banesto, die die Skulptur Ende 1920 der Gemeinde Madrid stiftete. Zu diesem Zeitpunkt muss wohl der Ursprung dieser Gruppe in Vergessenheit geraten sein und auf der Suche nach dem Urheber wurde die Signatur der Giesserei Arthur Krupp Berndorfer Metallwarenfabrik auf der Statue entdeckt und fälschlicherweise angenommen, A. Krupp sei der Künstler. Ein nachfolgender Übertragungsfehler (ru = ni) beim Nachnamen führte dazu, dass heute auf der Hinweistafel am Sockel der nicht existierende deutsche Bildhauer A. Knipp als Erschaffer des Werkes erwähnt wird.

Auszeichnungen:
1868: Hofpreis und Stipendium
1868: Füger-Medaille
1874: Karl Ludwig Medaille
1874: Goldmedaille in München (für Büste Joseph von Führich)
1880: Reichel-Preis (für die Brunnengruppe Triton und Nymphe)
1882: Große Goldmedaille Wien (für die Brunnengruppe Amorino auf Delphin)
1883: Professortitel
1888: Ehrenmitglied der Akademie der bildenden Künste Wien
1891: Große Goldmedaille und Ehrendiplom von München (für den Puttenbrunnen)
1897: Tilgnerstraße in Wien-Wieden, 4. Bezirk.
1928: Tilgnergasse in Wien-Liesing, 23. Bezirk.
1970: Tilgnerova (ulica) in Karlova Ves, Plattenbauquartier im Westen von Bratislava.

Weiters im Grab bestattet:
Marianne Tilgner, † 27.03.1902 im 50. LJ., Bestattungsdatum: 30.03.1902, zuletzt wohnhaft: 1., Wohllebengasse Nr. 1.

Arbeiter Zeitung vom 17.4.1896, Seite 4: Viktor Tilgner gestorben. Gestern Vormittags raffte eine Herzlähmnng den be­rühmten Bildhauer Viktor Tilgner in der Blüthe seiner Mannesjahre hinweg. In ihm verliert die moderne Skulptur einen ihrer hervorragendsten Meister und speziell die Gilde der plastischen Künstler Wiens einen ihrer begabtesten Re­präsentanten. Viktor Tilgner war ein schöpferischer Geist, der es verstand, den Formeninhalt seiner an strenge Regeln ge­bundenen Kunst und ihre Grenzen zu erweitern, ohne ihre Grundgesetze zu verletzen. Als er zu wirken begann, warf man ihm vor, daß seine Auffassung eine zu malerische, das heißt daß in seinen Werken zu wenig Pose und zu viel Bewegung sei. Er hat diesen Vorwurf entkräftet durch die Erfolge, die seine naturalistische Richtung errang; er hat bewiesen, daß auch in der Plastik an die Stelle der strengen Einfachheit der Formen die Mannigfaltigkeit der Natur treten kann, ohne das Wesen dieser Kunst zu verändern. Tilgner war ein genialer Künstler, allerdings ein wenig volksthümlicher. Seine bedeutenden Schöpfungen sind zwar, wie fast alle großen Werke der Bildnerei, nicht in Privatmuseen und Galerien eingesperrt, sondern bilden den Schmuck öffentlicher Plätze und Bauwerke, allein die Oeffentlichkeit verbürgt noch nicht die Volksthümlichkeit. Tilgner hat sie freilich nicht gesucht. Sein Talent ist durch mächtige Protektionen geför­dert worden, er hat daher seine Kunst immer nur in den Dienst der Großen und Mächtigen gestellt. Für die klein­lichen, verfeinerten Bedürfnisse der herrschenden Klassen und nicht für den großen Sinn der „geschmacklosen" Menge hat er gearbeitet. Man kann es ihm nicht verargen; für seine Entfremdung vom Volke ist allein die kapitalistische Kultur verantwortlich, die ja so viele Genies verkümmern läßt, aber ganz besonders den Bildhauern die Freiheit des Schaffens raubt und sie in das Joch der Reichen zwingt. Die Bild­hauerei ist eine theure Kunst, und ihr armer Adept braucht einen Mäcen. Fast alle begabten Bildhauer sind gezwungen, sich von einem reichen „Kunstgönner" ins Schlepptau nehmen zu lassen und Zeit ihres Lebens Leibeigene zu bleiben, denen die Aufgabe zufällt, die eitlen Gelüste ihrer Patrone nach dem Ruf von „Förderern der Künste zu befriedigen, Tilgner hatte sehr einflußreiche Protektionen, so einflußreich, daß sie ihm auch über die Klippen auf seiner künstlerischen Laufbahn hinweghelfen konnten ... Von den Werken Tilgner's sin den Wienern am bekanntesten: die Brunnengruppe im Volksgarten, die Phädra und der Falstaff in den Nischen des Burgtheaters, die Rubens-Statue am Künstlerhause, die Dichterbüsten Calderon's, Shakespeare's, Moliere's, Lessing's, Goethe's, Schiller's, Hebbel's, Grillparzer's und Halm's am Burgtheater. Nächste Woche wird sein Mozart-Monument enthüllt werden. Seinen Ruhm begründete die Porträtbüste der Charlotte Wolter; im Porträt hat er überhaupt das Bedeutendste geleistet. Tilgner wurde im Jahre 1844 in Preßburg ge­boren, kam als ganz junger Mensch nach Wien und studierte, nachdem er in sich den Drang zur Kunst entdeckt hatte, zuerst an der Akademie der bildenden Künste, wo er bald als einer der begabtesten Schüler galt. Er erwarb die goldene Fugger-Medaille und mehrere andere Preise. Sein Künstlerruf datirt aber erst aus dem Jahre 1872. Im Jahre 1874 machte er in Gesellschaft Makart's eine Reise nach Italien, die ihm sehr viele Anregungen bot und den Schlußstein zu seiner künst­lerischen Ausbildung legte. 1880 erhielt er für sein Modell einer Brunnengruppe den Reichel-Preis und 1882 die goldene Staatsmedaille. Tilgner hielt sich beständig in Wien auf und wirkte hier als Professor an der Akademie der bildenden Künste. Er war verheiratet, aber kinderlos. Er litt schon seit längerem an einem Herzleiden, aber niemand konnte ahnen, daß es ihn so schnell und so tückisch hinwegraffen werde, kurz bevor sein letztes und größtes Werk der Oeffentlichkcit übergeben wird.

Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) vom 28.3.1902, Seite 25: * (Frau Marianne Tilgner †) Gestern um 8 Uhr Abends ist die Witwe nach dem berühmten Bildhauer Victor Tilgner, Frau Marianne Tilgner, in ihrer Wohnung, Wohllebengasse Nr. 1, in Folge einer Gehirn­blutung plötzlich gestorben. Frau Tilgner. welche auch nach dem Tode ihres Gatten das künstlerisch ausgestattete Heim des Letzteren bewohnte, stand im fünfzigsten Lebensjahre. Der künstlerische Nachlaß Victor Tilgner's selbst ging bereits nach dessen vor sechs Jahren erfolgtem Tode in den Besitz seines Bruders über. Die Ehe der Frau Marianne Tilgner mit dem am 16. April 1596 verstorbenen großen Künstler war ideal glücklich gewesen. Der Tod ihres Mannes wirkte auf sie niederschmetternd, und seither konnte sie sich nicht mehr erholen. Schon damals hatte man ge­fürchtet, daß der Tod des Gatten auch auf ihre Gesundheit nachtheilig wirken könnte. Tilgner hatte sich, wie noch er­innerlich sein dürfte, seine Todeskrankheit durch eine forcirte Entfettungscur zugezogen. Er betrieb den Sport des Keulenschwingens unter Leitung eines bekannten Wiener Athleten. Diesen Leibesübungen widmete er sich mit einem solchen Eifer, daß die Herzmuskeln angegriffen wurden und ein Herzleiden auftrat, das den plötzlichen Tod zur Folge hatte. Der Schmerz über den Tod ihres Gatten hat auch bei Frau Tilgner allmälig ein Herzleiden ent­wickelt. Die Witwe zog sich ganz von der Welt zurück, und so oft es nur die Witterung erlaubt hat, pilgerte sie zu dem Ehrengrabe ihres Gatten auf dem Centralfriedhofe hinaus. Der plötzliche Umschwung war umso auffälliger, als Frau Tilgner früher sehr gesellig und lebensfroh war. Tilgner hatte ja ein überaus gastliches Haus geführt und namentlich in seiner Villa in Perchtoldsdorf die große Zahl seiner Freunde und Verehrer empfangen. Mit Herzlichkeit und vollendeter Würde war seine Gatttn gewöhnt, die Honneurs zu machen. Nach dem Tode ihres Gatten ging sie stets in Trauer. Frau Tilgner war schon seit langer Zeit gichtleidend und hat vor drei Jahren ebenfalls einen Schlaganfall erlitten. Das Leichenbegängniß der Frau Marianne Tilgner findet Sonntag Nachmittags vom Trauerhause, 4. Bezirks Wohllebengasse Nr. 1. aus statt.

Illustrirtes Wiener Extrablatt vom 2.4.1902, Seite 5: An der Seite ihres Mannes, in dem von der Commune dem großen Bildhauer Victor Tilgner gewidmeten Ehrengrabe, wurde Sonntag Nachmittags seine Witwe, Frau Marianne Tilgner, zur ewigen Ruhe bestattet. Der Einsegnung in der Karlskirche wohnten zahlreiche Künstler und Schriftsteller, sowie viele Bekannte der Familie bei. Die Verstorbene welche, wie wir berichteten, einem schweren Herzleiden erlag, stand im 50. Lebensjahre. Das vorstehende Bild der Verblichenen ist nach einem vom Meister Fröschl gemalten Aquarell hergestellt, dem einzigen Bildniß, das von Frau Tilgner vorhanden ist.

Arbeiter Zeitung vom 19.4.1896, Seite 4: Viktor Tilgner wurde gestern zu Grabe getragen. Wien ehrte ihn im Tode, wie es ihn im Leben geehrt. Eine unabsehbare Menschenmenge, bunt alle Gesellschaftsschichten durcheinandergewürfelt, bildete längs des Weges, den der Zug nahm, Spalier. Ungezählte Kränze schmückten den Sarg, und in sechs Kranzwagen wurden die Blüthengewinde dem todten Meister der Plastik nachgeführt. Vor dem Künstlerhause nahmen die Kollegen von Tilgner Abschied, auf dem Wiener Zentralfriedhofe sprach Nikolaus Dumba dem Schöpfer des Mozart-Denkmals Worte des Abschieds nach. Tilgner's Leichnam wurde in einem Ehrengrabe der Stadt Wien bestattet.

Quelle: Text: Wikipedia (erweitert), Bilder: www.nikles.net, Arbeiter Zeitung vom 17.4.1896, Seite 4, Arbeiter Zeitung vom 19.4.1896, Seite 4, Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) vom 28.3.1902, Seite 25, Illustrirtes Wiener Extrablatt vom 2.4.1902, Seite 5 und gemeinfrei.



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